Händler an der New York Stock Exchange.
marktbericht

Die großen Drei Wall Street weiter im KI-Fieber

Stand: 18.06.2024 22:14 Uhr

An der Wall Street ging es nach den jüngsten Rekorden heute ruhiger zu. Etwas Zinsfantasie und weitere Rekorde bei den hochbewerteten KI-Aktien hielten die Anleger aber bei Laune.

In New York ging es nach den jüngsten Kurskapriolen der Tech-Aktien heute deutlich ruhiger zu. Die Anleger schnauften durch, die Schwankungen der großen Aktienindizes blieben gering. Ganz ohne einen neuen Rekord ging es aber nicht, denn der marktbreite S&P-500-Index erreichte in der Spitze bei 5.490 Zählern knapp eine neue Bestmarke. Der Schlussstand lag bei 5.487 Punkten nur knapp darunter, ein moderater Zugewinn von 0,25 Prozent.

Der Dow Jones, der Leitindex der Standardwerte, ging bei 38.834 Punkten um 0,15 Prozent leicht höher aus dem Handel. Die Nasdaq-Indizes bewegten sich kaum und blieben damit ganz in der Nähe ihrer erst gestern erreichten Bestmarken. Sie markierten heute aber keine neuen Rekorde. Der Auswahlindex Nasdaq 100 schloss bei 19.908 Punkten, gestern hatte der Index bei 19.977 Zählern die runde Marke von 20.000 Zählern nur knapp verfehlt. Der Composite-Index legte minimal zu auf 17.862 Punkte.

Die US-Anleger setzen derzeit ganz auf das Boomthema Künstliche Intelligenz (KI), zudem hoffen sie weiter auf die Zinswende in den USA. Dies, obwohl die Notenbank Federal Reserve zuletzt an ihrer restriktiven Geldpolitik Politik festgehalten hatte. Heute bekamen Zinshoffnungen durch etwas schwächer als erwartet ausgefallene Einzelhandelsumsätze im Mai aber neue Nahrung.

"Die schlechter als erwartet ausgefallenen Einzelhandelsumsätze deuten darauf hin, dass die US-Verbraucher weiterhin mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben", sagte Robert Pavlik, Portfoliomanager beim Vermögensverwalter Dakota Wealth. Die weltgrößte Volkswirtschaft wachse zwar weiter, aber mit geringerem Tempo. Die US-Einzelhändler konnten ihre Umsätze im Mai kaum steigern. Ohne den robusten Pkw-Absatz wären sie sogar gefallen. Analysten hatten auf ein Plus von 0,3 Prozent gehofft.

"In New York interessiert man sich nicht wirklich für das, was in Europa gerade passiert und kauft weiter vor allem die Aktien von Unternehmen, die vom Hype und am Ende hoffentlich auch vom Geschäft mit der Künstlichen Intelligenz profitieren", konstatierte Jürgen Molnar, Stratege beim Broker RoboMarkets. "Nahezu allein Apple, Nvidia und Microsoft treiben den S&P 500 und den Nasdaq auf täglich neue Rekorde", kommentierte der Experte weiter.

Um die Krone des weltweit wertvollsten Unternehmens lieferten sich Microsoft, Apple und Nvidia auch heute ein enges Rennen. Deren Bewertungen schwankten zwischen 3,22 und 3,33 Billionen Dollar. Der Einzug von KI-Anwendungen wie ChatGPT ins iPhone schob insbesondere Apple zum Wochenstart erneut vorübergehend an die Spitze. Heute hatte Nvidia wieder knapp die Nase vorn und erreichte mit einem Anstieg von 3,51 Prozent im Verlauf ein neues Rekordhoch. Auch andere Chip-Aktien waren stark gefragt, unter anderem Broadcom oder Micron. Apple und Microsoft gaben hingegen nach.

Fast mag man meinen, dass derzeit an der Wall Street ausschließlich dieser enge Kreis von KI-Aktien im alleinigen Fokus der Anleger steht. Zuletzt waren aber warnende Stimmen aufgekommen, die die alleinige Abhängigkeit der Börse von den hochbewerteten High-Techs kritisierten. An vielen Standardwerten ist der Boom bisher vorbeigegangen, wodurch dem KI-Börsen-Hype in New York zunehmend die Breite fehlt.

Nach den Kursverlusten der Vorwoche scheint sich der DAX ganz vorsichtig oberhalb der Marke von 18.000 Punkten zu stabilisieren. Am Ende schloss der deutsche Leitindex bei 18.131 Punkten um 0,35 Prozent leicht höher und pendelte dabei zwischen 18.214 und 18.073 Zählern.

Gestern war der DAX schon um 0,4 Prozent auf 18.068 Zähler vorgerückt. In der vergangenen Woche hatte der Index rund 3,7 Prozent verloren, dabei war der seit Oktober 2023 gültige Aufwärtstrend gebrochen worden. Der MDAX der mittelgroßen Werte schloss bei 25.889 Zählern um 0,42 Prozent ebenfalls höher.

Dem deutschen Markt hilft bei seinem Stabilisierungsversuch derzeit die KI-Euphorie der Wall Street. Auch am Vortag wurden an den US-Börsen wieder neue Rekordhöhen erreicht. An der technologielastigen Nasdaq-Börse stieg der Auswahlindex Nasdaq 100 im bisherigen Jahresverlauf inzwischen um gut 18 Prozent und verpasste die Marke von 20.000 Punkten nur knapp.

"Die europäischen Anleger dürften ein wenig neidisch an die Wall Street schauen. Die Nasdaq, aber auch der marktbreite S&P, erklimmen neue Kursgipfel. Davon kann auf dem alten Kontinent derzeit nicht die Rede sein", kommentiert Christian Henke vom Broker IG.

Insbesondere Sorgen um die Lage in Frankreich sorgen nämlich im Gegenzug für eine angespannte Stimmung an der heimischen Börse. Dank des Rekordlaufs auf der anderen Seite des Atlantiks könne sich der Deutsche Aktienindex zwar über der 18.000er Marke stabilisieren, sagte Jochen Stanzl, Analyst vom Broker CMC Markets. Angesichts der politischen Unsicherheit vor den ausgerufenen Neuwahlen in Frankreich seien die Zuwächse aber begrenzt. "Zu offen ist die Frage, welche neue Regierung in Paris wie zum Euro und zur Europäischen Union stehen wird."

Update Wirtschaft vom 18.06.2024

Bettina Seidl, HR, Update Wirtschaft, 18.06.2024 09:00 Uhr

Börsenprofis blicken derweil nur vorsichtig optimistisch auf die deutsche Konjunktur. Das Barometer für die Erwartungen in den kommenden sechs Monaten stieg im Juni überraschend nur minimal um 0,4 Punkte auf 47,5 Zähler und somit zum elften Mal in Folge, teilte das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) heute zu seiner Umfrage unter Analysten und Anlegern mit.

"Das Ergebnis ist ein klarer Dämpfer für bestehende Konjunkturhoffnungen. Alles in allem bleibt der Erwartungsanstieg mehr Schein als Sein. Das weltwirtschaftliche Umfeld hat sich zwar etwas aufgehellt, die Politik in Deutschland belastet aber unverändert", meint Alexander Krüger, Chefvolkswirt bei der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank.

Die Inflation im Euroraum zieht wieder an. Die Verbraucherpreise legten im Mai in der 20-Länder-Gemeinschaft binnen Jahresfrist um 2,6 Prozent zu, teilte das EU-Statistikamt Eurostat mit und bestätigte eine erste Schätzung. Noch im April hatte die Rate bei 2,4 Prozent gelegen. Für die Europäische Zentralbank (EZB), die eine Inflationsrate von 2,0 Prozent anstrebt, kommt der erste Anstieg der Teuerung in diesem Jahr ungelegen. Sie hatte Anfang Juni erstmals seit fast fünf Jahren die Zinsen wieder gesenkt.

Unterdessen ist die Zahl der Baugenehmigungen für neue Wohnungen weiter eingebrochen. Sie sank im April um 17,0 Prozent oder 3.600 im Vergleich zum Vorjahresmonat auf 17.600, teilte das Statistische Bundesamt mit. Von Januar bis April wurden damit 71.100 Wohnungen genehmigt. Das waren 21,0 Prozent oder 18.900 weniger als ein Jahr zuvor. Teure Materialien und gestiegene Finanzierungskosten schrecken nach wie vor viele potenzielle Häuslebauer und Investoren ab.

Der Euro hat heute seine moderaten Gewinne vom Wochenauftakt ausbauen können. Zuletzt kostete die Gemeinschaftswährung im US-Handel 1,0737 Dollar. Die Europäische Zentralbank (EZB) setzte den Referenzkurs auf 1,0715 (Montag: 1,0712) Dollar fest.

Der Euro profitierte vor allem von amerikanischen Konjunkturdaten, die auf eine Schwäche des US-Konsums hindeuteten. Die Einzelhandelsumsätze erhöhten sich im Mai um lediglich 0,1 Prozent und damit schwächer als erwartet. Zudem fiel die Erlösentwicklung im Vormonat schlechter aus als bisher bekannt. "Die US-Verbraucher lassen nach", kommentierte Ian Shepherdson, Chefökonom vom Analysehaus Pantheon.

Allerdings ist die Produktion im Verarbeitenden Gewerbe in den USA im Mai überraschend kräftig hochgefahren worden, so dass das Bild nicht eindeutig war. Die gesamte Fertigung von Industrie, Versorgern und Bergbau legte um 0,9 Prozent zu, wie die US-Notenbank Federal Reserve mitteilte. Befragte Experten hatten lediglich mit einem Plus von 0,3 Prozent gerechnet. Im April hatte die Produktion stagniert.

Die Gemeinschaftswährung erhielt auch etwas Rückenwind von Wirtschaftsdaten aus Deutschland. Die ZEW-Konjunkturerwartungen hellten sich im Juni zwar nur leicht auf, allerdings das elfte Mal in Folge. "Die Botschaft lautet: Ein Aufschwung steht ins Haus", kommentierte Chefvolkswirt Thomas Gitzel von der VP Bank. Auch andere Indikatoren hatten zuletzt auf eine wirtschaftliche Belebung hingedeutet.

Der Konsumgüterkonzern Beiersdorf hat wegen bislang gut laufender Geschäfte seine Ziele für die kommenden Jahre bestätigt. Dabei will das Unternehmen das Wachstum in seinem Hautpflegegeschäft vorantreiben. Das Konsumentengeschäft, zu dem Kernmarken wie Nivea und Eucerin gehören, soll mittelfristig organisch schneller wachsen als der Markt, wie das Unternehmen heute auf einem Investorentag in Hamburg mitteilte. Ausgeklammert sind dabei Zu- oder Verkäufe von Unternehmensteilen sowie Währungseffekte.

Am Aktienmarkt sorgte dies für Enttäuschung. Beiersdorf-Aktien standen im DAX am Indexende und verloren rund 2,8 Prozent. Analyst Bruno Monteyne vom US-Investmenthaus Bernstein Research bemängelte, dass es nur einen Überblick über die Fortschritte des Konsumgüterherstellers seit 2019 gegeben habe und die mittelfristigen Ziele lediglich wiederholt worden seien. Angesichts des Aktienkurses auf hohem Niveau seien die Aussagen "etwas enttäuschend, da es keine neuen finanziellen Ziele gibt", schrieb er.

Der Solartechnik-Hersteller SMA Solar kann seine Prognosen nicht halten und verweist dabei auch auf Unsicherheiten im Zusammenhang mit dem Ausgang der Europawahl und der anstehenden Präsidenten-Wahl in den USA. Der Umsatz werde im laufenden Geschäftsjahr nur noch in einer Spanne zwischen 1,55 und 1,7 Milliarden Euro erwartet, nach bislang 1,95 bis 2,22 Milliarden, teilte das im MDAX gelistete Unternehmen am späten Abend mit.

Beim Gewinn (Ebitda) würden jetzt zwischen 80 und 130 Millionen Euro angepeilt - bislang waren es 220 bis 290 Millionen. Grund dafür sei neben einem anhaltend volatilen Markt der verzögerte Anstieg des Auftragseingangs infolge weiter hoher Lagerbestände bei Distributoren und Installateuren. "Hinzu kommt eine neue Unsicherheit im Markt durch den Ausgang der Europawahlen und die am 5. November anstehenden Wahlen in den USA", hieß es ohne Nennung weiterer Details.

China hat seine Position als wichtiger Importeur von Elektroautos in Deutschland trotz insgesamt schwacher Nachfrage weiter ausgebaut. Obwohl die Zahl der aus China eingeführten reinen E-Autos von Januar bis April um 15,7 Prozent auf 31.500 Fahrzeuge sank, stieg der Anteil des Landes an den gesamten deutschen Elektroauto-Importen in diesem Zeitraum auf 40,9 Prozent, teilte das Statistische Bundesamt mit. Die EU-Kommission hatte jüngst mit hohen vorläufigen Strafzöllen auf E-Autos aus China gedroht. Das könnte auch deutsche Autobauer treffen, die in dem Land für den Export und damit auch für den deutschen Markt produzieren.

Der Tesla-Herausforderer Fisker sucht Schutz vor seinen Gläubigern in einem Insolvenzverfahren. Der Schritt kündigte sich schon seit Wochen an. Fisker warnte bereits Ende Februar, dass ohne frisches Geld die Existenz der Firma gefährdet sei. Seitdem blieben Gespräche mit einem "großen Autobauer" über eine Investition ohne Ergebnis. Zwischenzeitlich gehobene Finanzierung und ein Verkauf bereits gebauter Fahrzeuge mit Rabatten reichten ohne einen Deal mit dem Hersteller nicht aus. Am Montag beantragte Fisker deshalb ein Verfahren mit Gläubigerschutz nach Kapitel 11 des US-Insolvenzrechts.

Boeing-Chef Dave Calhoun muss sich heute Fragen von US-Senatoren stellen. Er ist zu einer Anhörung im Unterausschuss für Ermittlungen vorgeladen. Calhoun hat sich dabei bei einer Anhörung im US-Senat bei Hinterbliebenen von Opfern der beiden Abstürze von Flugzeugen des Typs 737 Max in den Jahren 2018 und 2019 entschuldigt.

Die Unglücke mit Maschinen des Typs 737 Max 8 der indonesischen Lion Air und der Ethiopian Airlines wurden von Problemen mit einer Assistenzsoftware ausgelöst. Das System mit dem Namen MCAS sollte die Piloten bei der Steuerung des Flugzeugs in einigen Situationen unterstützen. In den beiden Fällen wurden diese jedoch von einem deutlichen und fehlerhaften Eingreifen der Software überrascht.

Boeing hatte seinerzeit eingeräumt, dass der Konzern die US-Luftfahrtaufsicht FAA nicht korrekt über das Ausmaß des benötigten Piloten-Trainings für den Betrieb der Software informiert hatte. Calhoun bekräftigte am Dienstag: "MCAS und Boeing sind verantwortlich für diese Abstürze." Nach dem zweiten Unglück blieben 737-Max-Flugzeuge fast zwei Jahre am Boden, bis Änderungen an dem System vorgenommen wurden. Bei den Unglücken waren 346 Menschen ums Leben gekommen.

Vor Kurzem hatte auch ein Boeing-Whistleblower ausgesagt, der dem Konzern Produktionsfehler bei dem Modell 787 Dreamliner vorwirft. Boeing weist diese Vorwürfe zurück. Der Flugzeugbauer steht nach einem Beinahe-Unglück Anfang Januar unter verstärktem Druck, die Qualitätskontrollen zu verbessern. Bei einer so gut wie neuen Maschine des Typs Boeing 737-9 Max mit mehr als 170 Menschen an Bord war kurz nach dem Start ein Rumpfteil herausgebrochen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 18. Juni 2024 um 09:00 Uhr.