Mäßige Verluste Durchschnaufen an der Wall Street
Nach einer ereignisreichen Woche haben die US-Anleger es heute ruhiger angehen lassen. Die Stimmung an der Wall Street bleibt aber gut, denn Rezessionssorgen treten derzeit zurück.
Nach einer ereignisreichen Woche ging es heute an der Wall Street ruhiger zu. Die großen US-Aktienindizes bewegten sich lange Zeit um ihre Schlussniveaus, ehe am Ende des Tages noch etwas Verkaufsdruck aufkam. Der Leitindex Dow Jones, der gestern noch 1,2 Prozent gestiegen war, gab am Ende moderat um 0,32 Prozent nach auf 34.299 Punkte. Auf Wochensicht blieb ein Zuwachs von gut 1,2 Prozent.
Auch an der Nasdaq und dem S&P-500 ging es mäßig bergab, nachdem die beiden Indizes im frühen Geschäft noch neue Jahreshochs markiert hatten. Die Technologiebörse ging um 0,68, der S&P-500 um 0,37 Prozent niedriger aus dem Handel. Insgesamt beruhigte sich damit das Kursgeschehen nach den jüngsten deutlichen Bewegungen.
"Es war eine sehr volle Woche für Investoren, sagte Chris Zaccarelli, Chefinvestor beim Vermögensberater Independent Advisor Alliance. "Wir sehen am US-Markt heute eine kleine Pause; die Investoren müssen die Informationen erst mal verdauen."
Die US-Notenbank Fed hatte am Mittwoch zwar weiter steigende Zinsen signalisiert, Börsianer sehen aber Anzeichen für ein Abklingen der hohen Inflationsraten und rechnen nur noch mit einem Zinsschritt im Juli.
Die US-Börsen hatten gestern auf überraschend robuste Konjunkturdaten positiv reagiert, unter anderem die wichtigen Einzelhandelsumsätze aus dem Mai. Trotz des scharfen Zinszyklus der Notenbank Federal Reserve (Fed) zeichnet sich bisher keine tiefere Rezession ab - ein Szenario, das an der Börse gut ankommt und der Zielsetzung der Fed genau entspricht.
Allerdings ist gerade der Dow, anders als der DAX, noch nicht auf Rekordhoch. Aktuell fehlt etwa dem Index noch ein Anstieg von über sieben Prozent zu seinem Allzeithoch, das bei 36.942 Punkten liegt.
Zudem hat die Börse schon seit einiger Zeit ein heißes neues Thema: KI, also Künstliche Intelligenz, lockt die Anleger zunehmend an den Markt, verspricht doch der Einsatz der selbst lernenden Programme hohe Gewinnsteigerungsmöglichkeiten, unter anderem durch Kostensenkungen.
Den Chiphersteller Nvidia machte die-KI-Fantasie erst kürzlich zum Billionen-Unternehmen. Nun erkor Morgan Stanley die Aktien aus diesem Grund zum Top-Favoriten im US-Halbleiterbereich. Trotz der Kursrally sei die Bewertung der Papiere angesichts steigender Gewinnprognosen sogar zurückgegangen, hieß es. Nvidia-Aktien konnten anfänglich stärkere Gewinne nicht halten und schlossen letztlich fast unverändert.
Auch bei Adobe setzt sich die KI-Rally zunächst fort, die Aktie zog am Ende noch um 0,9 Prozent an. Der Softwareanbieter hatte am Donnerstagabend seine Jahresziele hochgeschraubt. Viele Analysten reagierten mit teils deutlichen Kurszielerhöhungen. Das zweite Geschäftsquartal habe gezeigt, dass Adobe einer der größten Profiteure des Themas KI ist, schrieb Analyst Kash Rangan von Goldman Sachs.
Auch zum Wochenschluss haben die Anleger am deutschen Aktienmarkt zugegriffen und dem Leitindex DAX dabei neue Rekordmarken beschert. Erstmals stieg der Index im Verlauf über 16.400 Punkte, das neue Rekordhoch wurde bei 16.427 Punkten markiert.
Ganz halten konnte der DAX das hohe Niveau aber nicht und ging am Ende bei 16.357 Punkten um 0,41 Prozent höher aus dem Markt. Auch auf Basis der Schlusskurse ist das eine neue Bestmarke. Der MDAX, der Index der mittelgroßen Werte, ging bei 27.480 Punkten um 0,55 Prozent höher aus dem Markt.
Weder ein weiterhin nicht beendeter Zinszyklus noch eher düstere Konjunkturprognosen können derzeit die Hausse - einen stetigen Anstieg der Börsenkurse - stoppen, so scheint es. "Die Hausse nährt die Hausse", lautet ein altes Börsensprichwort, das derzeit den Handel bestimmt.
Auf Wochensicht erreichte der DAX auf einen respektablen Gewinn von rund 2,5 Prozent. "Im Moment ist die Gier größer als die Angst", sagte Thomas Altmann vom Vermögensverwalter QC Partners. "Die einzige Angst, die die meisten aktuell umtreibt, ist die Angst, weitere Kursgewinne zu verpassen."
Allerdings sprang der DAX am sogenannten "Hexensabbat" auf sein neues Hoch, also dem gleichzeitigen Verfallstag von Optionen und Futures auf Aktien und Indizes an der Terminbörse Eurex. Das geht häufig mit Kursschwankungen einher, versuchen die Terminmarktakteure doch, die Kurse in die von ihnen gewünschte Richtung zu treiben, vor allem wenn sie auf dem falschen Fuß erwischt werden. Der "Elchtest" für das neue Hoch steht von daher also noch aus.
Bester DAX-Wert waren Rheinmetall, die Aktie des Rüstungskonzerns und Autozulieferers stieg knapp fünf Prozent. Firmenchef Armin Papperger sagte im Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters, dass in den kommenden sechs Wochen mit der Bundesrepublik ein Rahmenvertrag im Volumen von "einigen Milliarden Euro" abgeschlossen werde. Die Gewinne gingen quer durch alle Branchen. Auch Onlinehändler Zalando waren gefragt.
Deutsche Bank standen am DAX-Ende. Sie knüpften damit mit Kursverlusten an ihre Vortagsschwäche an. Händler verwiesen auf Aussagen von Deutsche-Bank-Finanzchef James von Moltke vom Vortag, die den Kurs weiter belasteten.
Dieser hatte im Rahmen einer Investorenkonferenz das Signal gegeben, dass der Handel mit festverzinslichen Wertpapieren im laufenden Quartal im Quartalsvergleich um 15 bis 20 Prozent zurückgehen wird. Laut der Nachrichtenagentur Bloomberg war das Finanzhaus damit nach ähnlichen Signalen einiger US-Wettbewerber die erste große europäische Investmentbank, die vor einer deutlichen Verlangsamung des Handelsgeschäfts warnt.
Der Euro steht weiter deutlich über der Marke von 1,09 Dollar. Die Gemeinschaftswährung erreichte in einem ruhigen Handel den höchsten Stand seit gut einem Monat und notierte zuletzt im US-Handel bei 1,0939 Dollar. Damit bewegte sich der Eurokurs etwa auf dem Niveau vom Vorabend. Die Europäische Zentralbank (EZB) setzte den Referenzkurs auf 1,0966 (Donnerstag: 1,0819) Dollar fest.
Der Euro profitiert derzeit von der Erwartung weiterer Zinsanhebungen im Währungsraum. Am Donnerstag hatte die EZB ihre Leitzinsen zum achten Mal in Folge angehoben. Im Anschluss machte Präsidentin Christine Lagarde deutlich, dass der Kampf gegen die hohe Inflation nicht beendet sei. Sie stellte zumindest eine weitere Zinsanhebung auf der nächsten Sitzung Ende Juli in Aussicht.
Heute nun äußerte sich Bundesbankpräsident Joachim Nagel ähnlich und betonte, dass die historische Zinserhöhungsphase der Europäischen Zentralbank eventuell bis in den Herbst hinein andauern müsse. "Meiner Meinung nach haben wir noch einen weiten Weg vor uns", sagte Nagel in einer Rede. "Wir müssen die Zinsen nach der Sommerpause möglicherweise weiter anheben."
Der Euro sackte nach einem überraschend starken Verbrauchervertrauen der Universität Michigan am Nachmittag von seinen Hochs etwas ab. Das Barometer stieg auf 63,9 Punkte von 59,2 Zählern im Mai, wie die Universität am Nachmittag zu ihrer monatlichen Umfrage mitteilte. Ökonomen hatten lediglich mit einem Anstieg auf 60,0 gerechnet. Die Konsumenten bewerteten ihre Lage besser als im Vormonat und blickten auch weit optimistischer in die Zukunft als zuletzt.
Auch wenn sich die Teuerungsrate zuletzt mit einem Rückgang auf 4,0 Prozent spürbar abgeschwächt hat, stellen sich die US-Bürger auf eine weiter erhöhte Inflation ein: Mit Blick auf die kommenden zwölf Monate erwarten sie eine Teuerungsrate für Waren und Dienstleistungen von 3,3 Prozent. Im Mai hatten die Konsumenten allerdings noch 4,2 Prozent veranschlagt.
Die Ölpreise sind im Verlauf stärker ins Plus gedreht. Am späten Nachmittag kostete ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent rund 0,8 Prozent mehr.
Die Erdölpreise hatten an den vergangenen Tagen tendenziell schon zugelegt. Unterstützung kam zuletzt vor allem aus China, wo die Notenbank ihre Geldpolitik in dieser Woche weiter gelockert hat. Damit will sie der schwächelnden heimischen Wirtschaft unter die Arme greifen. Spekuliert wird auch auf zusätzliche Konjunkturhilfen des Staates. China ist einer der größten Energieverbraucher der Welt.
In anderen Ländern, insbesondere in den USA, überwiegen die konjunkturellen Sorgen. Das lastet auf der Energienachfrage und den Erdölpreisen. Die Commerzbank-Experten erwarten jedoch bald steigende Preise.
"Der Ölmarkt ignoriert noch immer die drohende Anspannung in der zweiten Jahreshälfte", heißt es in einem Kommentar. "Doch das dürfte sich in den kommenden Wochen ändern, denn eine starke asiatische Ölnachfrage dürfte die Schwäche in den westlichen Ländern wettmachen." Zudem komme die US-Ölproduktion zunehmend ins Stocken.
Der Volkswagen-Konzern hat seinen Absatz im Mai weltweit gesteigert und die Schwächephase in China vom Jahresanfang weiter hinter sich gelassen. Die Gruppe lieferte vergangenen Monat mit 763.800 Fahrzeugen insgesamt 16 Prozent mehr aus als vor Jahresfrist. Westeuropa war mit 275.200 Verkäufen der größte Markt - hier gab es einen Zuwachs von gut einem Fünftel. Auf dem traditionell wichtigsten Einzelmarkt China rollten im Mai 260.200 Wagen zu den Kunden, zwölf Prozent mehr.
Airbus hat am Abend Bestellungen für 70 Flugzeuge bekanntgegeben. Davon seien 60 für Maschinen des Typs A320 und zehn A350, teilte der für das operative Geschäft zuständige Manager Christian Scherer mit. Die Namen der Käufer nannte er nicht.
Die Bestellungen seien zusätzlich zu denen, die kommende Woche bei der Luftfahrtshow in Paris bekanntgegeben würden. Die Veranstaltung werde zeigen, wie sehr sich die Nachfrage erholt habe, sagte Scherer: "Das Geschäft läuft wie geschmiert und die Messe wird der Beweis dafür sein."
Die Lufthansa hat einer Konzernsprecherin zufolge im Tarifkonflikt mit den Piloten der Kernmarke Lufthansa Airlines und der Frachttochter Cargo ein neues Angebot vorgelegt. Zu Details äußerte sich die Lufthansa nicht. Zuvor hatte das "Handelsblatt" berichtet, das Angebot der Lufthansa ergebe zusammen mit vorherigen Erhöhungen eine Gehaltssteigerung von 18,5 Prozent - verteilt über mehrere Jahre bis 2025.
Eine optimistische Analystenstudie zu einem Blutkrebsmittel euphorisierte die Morphosys-Anleger. Papiere des Biotechunternehmens schnellen in der Spitze um über zehn Prozent nach oben und schlossen letztlich gut acht Prozent höher. Die US-Bank JPMorgan hatte die Titel von "Underweight" auf "Overweight" hochgestuft und das Kursziel auf 36 Euro verdreifacht. Analyst James Gordon richtet seinen Optimismus auf das Präparat Pelabresib gegen eine schwer zu behandelnde Form von Blutkrebs, für das zum Jahresende Phase-III-Studiendaten erwartet werden.
Der US-Chipkonzern Intel wird voraussichtlich mehr staatliche Mittel für sein Werk in Magdeburg erhalten als bislang geplant. Wie das "Handelsblatt" unter Verweis auf Regierungskreise berichtete, sollen 9,9 Milliarden Euro anstatt der bislang zugesagten 6,8 Milliarden Euro fließen. Unterdessen kündigte Intel an, im polnischen Breslau (Wroclaw) eine große Chipfabrik für 4,2 Milliarden Euro zu bauen, in der Mikroprozessoren montiert und getestet werden.
Zur Finanzierung der Firmenstrategie will der österreichische Faserhersteller Lenzing mittels Kapitalerhöhung 400 Millionen Euro einsammeln. Die bisherigen Eigner könnten für elf gehaltene Aktien fünf neue zum Preis von je 33,10 Euro beziehen, teilte Lenzing mit. Die Bezugsfrist laufe vom 21. Juni bis zum 5. Juli. Lenzing-Titel hatten gestern an der Wiener Börse bei 60,10 Euro geschlossen.