Händler an der New Yorker Börse
marktbericht

Wall Street setzt auf Zinspause Auf schmalem Grat

Stand: 30.08.2023 22:17 Uhr

Eine hartnäckige Inflation in Deutschland und Zinshoffnungen in den USA - in diesem Spannungsfeld sind die Kurse am deutschen Aktienmarkt leicht zurückgegangen, während die Wall Street weiter Boden gut machte.

Auch zur Wochenmitte wandelten die Investoren an der Wall Street auf dem schmalen Grat zwischen Zinshoffnungen und Konjunktursorgen. Während die jüngsten Daten zum Arbeitsmarkt und zur Produktion auf eine konjunkturelle Abkühlung hindeuteten, legten die Marktteilnehmer ihr Augenmerk auf die mögliche Reaktion der Geldpolitik. Die Hoffnung, dass die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) im September den Leitzins nicht weiter erhöht, verhalf den US-Märkten letztlich zu einem leichten Plus.

Der Dow Jones verzeichnete mit einem Zuwachs von 0,11 Prozent seinen vierten Gewinntag in Folge.

Die Technologietitel konnten erneut mehr Boden gutmachen. Der Nasdaq 100 schloss 0,56 Prozent höher.

Die US-Unternehmen haben im August nach Daten des Personaldienstleisters ADP weniger Stellen aufgebaut als erwartet. Unter dem Strich entstanden 177.000 Jobs. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Experten hatten mit einem Zuwachs von 195.000 gerechnet. Auch die zweite Schätzung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im zweiten Quartal fiel unter den Erwartungen aus. Das BIP stieg im zweiten Quartal aufs Jahr hochgerechnet um 2,1 Prozent. In der ersten Schätzung war das US-Handelsministerium noch von 2,4 Prozent ausgegangen.

Marktbeobachter warnten indes davor, diese Daten zu hoch zu hängen. Mehr Bedeutung für den Markt hätten auch die am Donnerstag anstehenden Verbraucherpreise und Daten zu den privaten Einkommen und Ausgaben.

Die Zinshoffnungen in den USA stützten auch den deutschen Aktienmarkt. Der DAX schloss 0,2 Prozent tiefer, nachdem er zwischenzeitlich bis zu 0,7 Prozent verloren hatte.

Die aktuellen Inflationsdaten aus Deutschland lasteten auf den Kursen. Die Teuerung im August lag bei 6,1 Prozent - damit ist sie kaum zurückgegangen. Viele Marktteilnehmer hatten einen stärkeren Rückgang erwartet.

Update Wirtschaft vom 30.08.2023

Melanie Böff, HR, tagesschau24, 30.08.2023 09:00 Uhr

Die Inflationsängste der Anlegerinnen und Anleger hierzulande und die damit steigenden Zinserwartungen im Euroraum stärkten dem Euro den Rücken. Die Gemeinschaftswährung zog bis zum Abend weiter an auf 1,0922 Dollar. Die Feinunze Gold kostete am späten Abend 1.943,60 Dollar.

Die Ölpreise bauten ihre Vortagesgewinne leicht aus. Am späten Nachmittag kostete ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent zur Lieferung im Oktober 85,17 Dollar. Ein kräftiger Rückgang der US-Ölvorräte stützte die Kurse. Die Bestände an Rohöl sanken zur Vorwoche um 10,6 Millionen auf 422,9 Millionen Barrel. Analysten hatten im Schnitt nur mit einem Rückgang um 2,1 Millionen Barrel gerechnet.

Zudem kündigte Russland an, seine Ölexporte im September um weitere 300.000 Barrel am Tag zu drosseln. Moskau spreche mit anderen ölproduzierenden Ländern darüber, die Menge auch im Oktober zu verknappen, sagte ein Sprecher.

Die Apple-Aktie legte in New York weiter zu. Der Technologieriese wird seine nächsten iPhone-Modelle voraussichtlich in zwei Wochen vorstellen. Der Konzern verschickte gestern Einladungen für ein Neuheiten-Event am 12. September in seinem Hauptquartier in Cupertino. Bei den September-Veranstaltungen wird traditionell neben neuen iPhones auch die nächste Generation der Apple Watch präsentiert.

In New York waren auch die Anteilsscheine von Baidu gefragt. Der chinesische Suchmaschinenbetreiber dürfte nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg davon profitieren, dass China für diese Woche die Zulassung erster Tools für Künstliche Intelligenz (KI) angekündigt hat. Dadurch könnte Baidu in diesem Bereich künftig offen mit dem KI-Spezialisten OpenAI und anderen Branchenriesen wie Microsoft und Alphabet konkurrieren.

Im DAX zogen die Aktien der Autokonzerne die Aufmerksamkeit der Anleger auf sich. Die Neuzulassungen in der Europäischen Union nahmen nach Daten des Herstellerverbandes ACEA im vergangenen Monat um 15,2 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat auf 851.156 Fahrzeuge zu - der zwölfte Monat mit Zuwächsen in Folge. Besonders stark stieg die Nachfrage nach Elektroautos: Mit knapp 116.000 "Stromern" lieferten die Autobauer gut 60 Prozent mehr aus als vor Jahresfrist.

Die BioNTech-Aktie setzte ihre jüngste Erholung fort. Ein Expertenausschuss der europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) hat grünes Licht für die Zulassung des gemeinsam mit Pfizer weiterentwickelten Corona-Impfstoffs in der EU gegeben. Das auf die Omikron-Sublinie XBB.1.5 angepasste Präparat soll besser vor aktuell kursierenden Varianten schützen. Die Ständige Impfkommission (Stiko) in Deutschland empfiehlt Auffrischimpfungen mittlerweile nur noch bestimmten Gruppen, vorzugsweise im Herbst. Dazu gehören etwa Menschen ab 60, Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen ab einem Alter von sechs Monaten, Pflege- und Gesundheitspersonal sowie Angehörige von Risikopatienten.

Zu den größten Gewinnern im MDAX zählte die Fraport-Aktie. Eine Hochstufung durch die Société Générale zog die Papiere des Frankfurter Flughafenbetreibers nach oben. Die französische Bank rät bei Fraport nun zum Kauf mit einem von 52 auf 65 Euro erhöhten Kursziel. Damit sehen die Analysten gegenwärtig ein Kurspotenzial von rund 30 Prozent.

Der ebenfalls im MDAX notierte Wind- und Solaranlagenbetreiber Encavis steigt in das Geschäft mit Batterieparks ein. Der Konzern erwarb dazu nach eigenen Angaben ein baureifes Projekt in Hettstedt in Sachsen-Anhalt. Der Lithium-Ionen-Batteriespeicher hat Konzernangaben zufolge eine Leistung von zwölf Megawatt und eine Kapazität von 24 Megawattstunden.

Einen Einbruch von über zehn Prozent verzeichnete die Aktie von Delivery Hero. Das Papier fiel auf den tiefsten Stand seit Ende April. Der Essenslieferdienst halbierte im ersten Halbjahr zwar seinen Verlust, blieb aber hinter den Marktschätzungen zurück. Von Januar bis Juni sammelte sich unterm Strich ein Fehlbetrag von gut 832 Millionen Euro an - Analysten hatten sich im Durchschnitt ein kleineres Minus von knapp 570 Millionen Euro erhofft.

Wenige Wochen vor dem geplanten Börsenrückzug hat die Nürnberger Software-Firma Suse ihren Verlust ausgeweitet. Unterm Strich fiel im dritten Geschäftsquartal ein Nettoverlust von 14 Millionen Dollar an - neun Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Der Spezialist für Linux-Betriebssysteme steht vor der Übernahme durch den schwedischen Mehrheitsaktionär und Finanzinvestor EQT.

Der Gewerbeimmobilienspezialist Aroundtown bekommt das schwache Umfeld zu spüren. So verzeichnete das SDAX-Unternehmen im ersten Halbjahr wegen der Abwertung des Immobilienportfolios unter dem Strich einen Nettoverlust von rund 1,3 Milliarden Euro nach einem Gewinn von 471 Millionen Euro vor einem Jahr. Den Rückgang begründete Aroundtown vorrangig mit Immobilienverkäufen und höheren Zinsen.

Der Wechselrichterhersteller SMA Solar erwägt einem Pressebericht zufolge den Bau einer neuen Fabrik in Nordamerika. Das habe das MDAX-Unternehmen auf Anfrage bestätigt, berichtete das "Handelsblatt". "SMA prüft zurzeit Optionen, um in den USA bestmöglich vom Inflation Reduction Act (IRA) zu profitieren", wird eine Sprecherin zitiert. Eine Entscheidung soll dem Bericht zufolge schon in den nächsten Wochen fallen.

Der japanische Autoriese Toyota hat nach einem Totalstillstand seiner Produktion in Japan die Fertigung wieder angefahren. Am Vortag hatte ein Fehler im System zur Verwaltung der Teilebestellung zu einem kompletten Produktionsausfall geführt. Toyota tauschte das fehlerhafte System aus. Einen Cyberangriff schloss der Konzern aus. Die Ursache für den Systemausfall werde noch untersucht, hieß es.

Der russische Energiekonzern Gazprom ist im zweiten Quartal tief ins Minus gerutscht. Unter dem Strich habe ein Verlust von 18,6 Milliarden Rubel - umgerechnet 197 Millionen Dollar - gestanden, teilte das staatlich kontrollierte Unternehmen mit. Grund sei ein Einbruch der Gasexporte nach Europa. Im Vorjahr hatte Gazprom noch einen Nettogewinn von 1,03 Billionen Rubel erzielt. Auch der schwache Rubel habe das Ergebnis beeinträchtigt.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 30. August 2023 um 09:00 Uhr.