Trotz sinkender Inflation Wall Street kann sich nicht befreien
Nach neuen Inflationsdaten hat sich die Wall Street heute schwer getan. Anfängliche Gewinne gingen am Ende wieder verloren. Zwar sinkt die Inflation in den USA, die Risiken bleiben aber weiter hoch.
Die Aussicht auf das baldige Erreichen des Zinsgipfels hat die Wall Street heute nur zeitweise gestützt. Rückläufige Verbraucherpreise sorgten zunächst dafür, dass sich der Markt stabilisierte und Zinsängste zumindest etwas abebbten. Allerdings blieben die Anleger insgesamt vorsichtig, gegen Ende der Sitzung weiteten sich die Abgaben deutlicher aus.
Zwar sinkt die Inflation derzeit, insgesamt liegt das Preisniveau auf der Verbraucherebene mit 5,0 Prozent aber noch weit über dem Zielkorridor der US-Notenbank Fed von 2,0 Prozent. Die Fed-Präsidentin von San Francisco, Mary Daly, sagte, es gebe "mehr zu tun" bei den Zinserhöhungen der Fed. Entwarnung kann also noch nicht gegeben werden, auch wenn die Rate etwas besser ausfiel als die von Experten prognostizierten 5,1 Prozent.
Volkswirt Edoardo Campanella von UniCredit schrieb, die Inflation gehe in die richtige Richtung, aber es sei noch zu früh, um zu feiern.
Die großen Aktienindizes boten letztlich ein ähnliches Bild wie in den letzten Handelstagen. Zwar legten sie im frühen Geschäft zunächst allesamt zu, im Gefolge fielen aber besonders die hochbewerteten Technologieaktien wieder zurück. Damit taten sich die Anleger den ganzen Tag über mit der Richtungsfindung schwer.
Etwas besser hielt sich am Ende erneut der Dow Jones, der Leitindex der Standardwerte. Er schloss bei 33.646 Punkten um 0,11 Prozent nur leicht schwächer, aber nahe seines Tagestiefs bei 33.593 Punkten. Der marktbreite S&P-500-Index ging bei 4091 Punkten um 0,4 Prozent schwächer aus dem Handel. Ebenso wie die besonders zinssensitive Technologiebörse Nasdaq, die am deutlichsten um 0,85 Prozent nachgab. Auch der Auswahlindex Nasdaq 100 schloss 0,89 Prozent schwächer.
Gewinne gab es dafür am Rentenmarkt, wo die Rendite der zehnjährigen US-Staatsanleihe auf 3,40 Prozent sank. Damit honorierten die Anlegerinnen und Anleger die Aussicht, dass der Zinsgipfel im Land bald erreicht sein dürfte.
Beim zweiten Blick auf die Inflationsdaten zeigte sich zudem, dass die Kerninflationsrate mit 5,6 Prozent weiter auf hohem Niveau liegt. Im Februar hatte sie noch 5,5 Prozent betragen. Bei der Kerninflation werden volatile Energie- und Lebensmittelpreise herausgerechnet. Im Monatsvergleich stiegen die Verbraucherpreise im März um 0,1 Prozent. Hier waren 0,2 Prozent erwartet worden.
Führende Fed-Banker haben zuletzt stets drauf hingewiesen, dass auch die Kernrate noch deutlich sinken müsse. Die Kernteuerung bleibe unangenehm hoch, sagte Helaba-Stratege Ulrich Wortberg. "Dies dürfte den Währungshütern Kopfschmerzen bereiten, denn sie erfordert womöglich einen weiteren Zinsschritt."
"Wir beginnen endlich, die sich summierenden Auswirkungen der unerbittlichen Zinserhöhungen zu sehen", sagte Peter Andersen, Gründer von Andersen Capital Management.
Mehrere US-Währungshüter haben auf der geldpolitischen Sitzung im März angesichts des Bankenbebens eine Zinspause erwogen. Dies geht aus den am Abend veröffentlichten Sitzungsprotokollen der Fed aus dem März hervor. Letztlich verwarfen sie die Idee einer Pause allerdings. Auf der Sitzung fand der kleine Zinsschritt von 0,25 Prozentpunkten große Zustimmung, wie dem Protokoll der Fed weiter zu entnehmen ist. Alle Mitglieder hätten dies unterstützt.
Dies auch, weil die Notenbanker die Krisenmaßnahmen der Fed nach dem Zusammenbruch zweier US-Regionalbanken als ausreichend erachteten, um die Lage im Finanzsektor zu beruhigen. Die Fed setzte vorigen Monat trotz der Finanzturbulenzen ihre Serie an Zinserhöhungen fort. Der geldpolitische Schlüsselsatz wurde zum neunten Mal in Folge angehoben - und zwar um einen Viertel-Prozentpunkt auf die Spanne von 4,75 bis 5,0 Prozent.
Nach besser als erwartet ausgefallenen US-Preisdaten sprang der DAX am Nachmittag in einer ersten Reaktion bis auf das neue Jahreshoch von 15.827 Punkten, konnte das hohe Niveau im Gefolge aber nicht behaupten. Der Index folgte einer abbröckelnden Wall Street und schloss letztlich bei 15.703 Punkten um 0,31 Prozent höher und blieb damit auf Basis der Schlusskurse auch unter seinem bisherigen Jahreshoch bei 15.737 Punkten.
Damit sind die Anlegerinnen und Anleger zwar nicht euphorisch, sie halten den deutschen Leitindex aber weiter auf sehr hohem Niveau. Das Rekordhoch bei 16.290 Punkten ist weiter in Sicht. In den USA waren die Verbraucherpreise im März um 5,0 Prozent gestiegen nach 6,0 Prozent im Februar. Expertinnen und Experten hatten mit 5,1 Prozent eine höhere Rate erwartet.
"Alles in allem dürfte der Inflationsbericht für den März die Nerven der Fed etwas beruhigen", sagen Christoph Balz und Bernd Weidensteiner von der Commerzbank. "Damit dürfte die Fed ihr Augenmerk jetzt verstärkt darauf richten, den sich abzeichnenden positiven Trend zu unterstützen. Ein aggressiveres Vorgehen ist in Anbetracht der Fortschritte wohl nicht mehr nötig. Die Fed nähert sich ihrem Zinsgipfel. Wir erwarten nur noch zwei Erhöhungsschritte zu je 0,25 Prozentpunkten", so die Experten weiter.
Unter den Einzelwerten im DAX legte der Ludwigshafener Chemieriese BASF am Nachmittag Zahlen für das erste Quartal vor. Trotz eines operativen Gewinneinbruchs schnitt das Unternehmen dabei deutlich besser ab, als von Analysten erwartet.
Das Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Sondereinflüssen (Ebit) sei zwar um fast ein Drittel auf 1,93 (2022: 2,82) Milliarden Euro gesunken, teilte BASF am Nachmittag mit. Vom Unternehmen befragte Analysten hatten aber im Schnitt nur mit 1,6 Milliarden gerechnet. Vor allem das Agrar-Geschäft sei deutlich besser ausgefallen als erwartet, wogegen die Nahrungsmittelsparte schwächer abschnitt als gedacht.
Der Umsatz ging um 13 Prozent auf 19,99 Milliarden Euro zurück und lag damit deutlich unter den Analystenprognosen. Unter dem Strich schnellte der Gewinn um 28 Prozent auf 1,56 Milliarden Euro, wie BASF auf Basis vorläufiger Zahlen erklärte. Vor einem Jahr hatten Abschreibungen auf die Beteiligung am Öl- und Gasförderer Wintershall Dea im Zuge des Ukraine-Krieges das Ergebnis belastet. Die Aktie schwankte nach den Zahlen, ehe sie am Ende ins Plus drehte und um 0,64 Prozent höher bei 49,42 Euro schloss.
Mit Abstand größter Verlierer im DAX war die Aktie von Merck KGaA mit einem Minus von über sieben Prozent. Das Darmstädter Parma- und Technologieunternehmen muss einen Dämpfer in der entscheidenden klinischen Studie (Phase III) mit seinem Mutiple-Sklerose-Mittel Evobrutinib hinnehmen. Die US-Arzneimittelbehörde FDA habe eine teilweise Aussetzung der klinischen Prüfung von Evobrutinib angeordnet, teilte Merck mit. Grund sei der Verdacht auf Leberschädigung durch das Mittel.
Der Euro profitierte nach den US-Preisdaten von der Aussicht auf das Ende des US-Zinszyklus, im Gegenzug setzte sich die jüngste Kursschwäche des Dollar fort. Zuletzt handelte die europäische Devise im US-Handel bei 1,0991 Dollar und in der Spitze bei 1,1000 Dollar. Die Europäische Zentralbank (EZB) setzte den Referenzkurs auf 1,0922 (Dienstag: 1,0905) Dollar fest.
Gestützt wird der Euro derzeit durch die Aussicht auf weitere Zinserhöhungen der EZB. Die Bank kann sich im Kampf gegen die hohe Inflation auch nach sechs Zinserhöhungen aus Sicht von Österreichs Notenbankchef Robert Holzmann (EZB) noch nicht zurücklehnen. So wie sich die Lage aktuell darstelle, sei eine weitere Zinserhöhung im Mai sehr wahrscheinlich, sagte Holzmann in einem heute veröffentlichten Interview der "Börsen-Zeitung".
Eine weitere Erhöhung um 0,5 Prozentpunkte sei sicher nicht ausgeschlossen. "Die Hartnäckigkeit der Inflation spricht aus meiner Sicht derzeit für erneut 50 Basispunkte", merkte er an. Die nächste Zinssitzung der EZB ist am 4. Mai.
Die Ölpreise zogen weiter an. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent zur Lieferung im Juni kostete 1,8 Prozent mehr, die US-Leichtölsorte WTI verteuerte sich um 2,0 Prozent.
Gestützt wurden die Ölpreise durch einen schwächeren Dollarkurs nach den Inflationszahlen. Ein schwächerer Dollarkurs macht Rohöl für Anleger in anderen Währungsräumen günstiger und stützt so die Nachfrage. Die in den USA in der vergangenen Woche überraschenderweise gestiegenen Rohöllagerbestände belasteten die Ölpreise in diesem Umfeld nicht. Die Ölförderung legte etwas zu.
Siemens will die Bedeutung seines Software- und Digitalgeschäfts deutlich ausweiten. "Ich kann mir vorstellen, dass wir längerfristig um die 20 Prozent liegen werden", sagte Vorstandschef Roland Busch dem "Handelsblatt" (Donnerstagausgabe) mit Blick auf deren Umsatzanteil. Zuletzt lag dieser noch unter zehn Prozent.
Zu dem Wachstum beitragen soll vor allem die neue Digitalplattform Xcelerator, die Busch im vergangenen Jahr vorgestellt hatte. Über den Xcelerator will Siemens künftig Hardware- und Softwaremodule vertreiben und zugleich externe Partner anbinden.
Heute endete der Handel mit den Bezugsrechten aus der Kapitalerhöhung des Reisekonzerns TUI. Der Preis der Bezugsrechte brach bis zum Handelsschluss am Mittag um mehr als die Hälfte auf 0,85 Euro ein - und weitete damit seine herbe Verluststrecke seit Beginn des Handels Ende März noch aus. Zum Vergleich: Tui hatte den Preis für die Bezugsrechte ursprünglich auf 5,55 Euro festgesetzt.
Mit frischen 1,8 Milliarden Euro von Anlegerinnen und Anlegern will Tui den Rest der milliardenschweren Staatshilfen aus der Corona-Krise zurückzahlen und die eigene Schuldenlast deutlich senken. Konzernchef Sebastian Ebel möchte das Geld aus dem laufenden Betrieb statt in Zinszahlungen lieber in den Ausbau des Geschäfts mit dem Urlaub stecken. Doch an der Börse werden die Pläne bislang nicht goutiert. Analyst Jamie Rollo von der Investmentbank Morgan Stanley hatte am Vortag geraten, Tui-Aktien weiterhin zu meiden. Der Experte rechnet mit einer schwachen Aufnahme der neuen Aktien durch Investoren.
Der umstrittene Einstieg des chinesischen Staatskonzerns Cosco bei einem Hamburger Container-Terminal steht ein halbes Jahr nach einer Grundsatzentscheidung der Bundesregierung wieder in Frage. Grund ist, dass das Terminal Tollerort inzwischen als kritische Infrastruktur eingestuft wird.
Eine Sprecherin von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte am Mittwoch in Berlin, da sich die Voraussetzungen geändert hätten, prüfe das Ministerium nun die Auswirkungen auf den Sachverhalt. Welche Folgen das haben könnte und ob der Deal doch noch vollständig untersagt werden könnte, ist unklar.
Der angeschlagene Immobilienkonzern Adler Group darf nach einem Gerichtsurteil aus London an seiner geplanten Umstrukturierung festhalten. Ein Sprecher des Judicial Office bestätigte der Deutschen Presse-Agentur, der High Court of England and Wales habe grünes Licht für diesen Plan gegeben.
Ein vollständiges schriftliches Urteil samt Begründung sollte zu einem späteren Zeitpunkt folgen. Zunächst hatte das "Handelsblatt" berichtet. Demnach darf Adler infolge der Entscheidung Hunderte Millionen Euro neue Schulden machen und erhält mehr Zeit für die Rückzahlung von Anleihen.
Der Autozulieferer Leoni steht infolge seiner Sanierung vor einem riesigen Verlust. Der Kabel- und Bordnetz-Spezialist geht für das abgelaufene Jahr inzwischen von hohen dreistelligen Millionen-Abschreibungen aus, wie er heute in Nürnberg mitteilte. Bisher war nur von einem niedrigen bis mittleren dreistelligen Millionenbetrag die Rede. Weil damit das Grundkapital völlig aufgezehrt ist, muss Leoni - wie bereits angekündigt - eine außerordentliche Hauptversammlung einberufen, die für den zweiten Juni geplant ist.
Dass die Leoni-Aktionäre ihr eingesetztes Kapital verlieren, war bereits klar. Der Konzern hatte mit einem Expansionskurs über Jahre Milliardenschulden angehäuft, die ihn zu erdrücken drohen. Der österreichische Großaktionär Stefan Pierer (KTM, Husqvarna) will Leoni mit einer Kapitalspritze um 150 Millionen Euro auffangen und zugleich entschulden, indem die Gläubiger auf die Rückzahlung von knapp der Hälfte der Kredite und Anleihen verzichten und stattdessen an künftigen Gewinnen beteiligt werden. Operativ hat Leoni bei einem Umsatz von 5,1 Milliarden Euro 2022 knapp schwarze Zahlen geschrieben.
Gute Geschäfte mit Leder und Mode haben dem Luxusgüter-Konzern LVMH einen glänzenden Jahresstart beschert. Im ersten Quartal wuchs der Umsatz im Jahresvergleich um 17 Prozent auf gut 21 Milliarden Euro, wie der Anbieter von Modemarken wie Louis Vuitton, Rimowa-Koffern und Hennessy Cognac am Abend in Paris mitteilte.
Der weltgrößte Luxuskonzern hat vor allem dank einer kräftigen Erholung der Nachfrage in China zugelegt. Die Zahlen erlauben eine erste Einschätzung, wie sich die Geschäfte von Luxusartikel-Herstellern in China nach dem Ende der Corona-Lockdowns entwickelt haben.
Der Quartalsumsatz übertraf die durchschnittlichen Erwartungen von Analysten um mehr als eine Milliarde Euro. Am Finanzmarkt kamen die Nachrichten gut an: Im nachbörslichen Handel auf der Plattform Tradegate legte die im Eurozonen-Index EuroStoxx 50 gelistete LVMH-Aktie im Vergleich zum Börsen-Schlusskurs um knapp zwei Prozent zu.
Der schwedische Lastwagen- und Bushersteller Volvo hat im ersten Quartal vorläufigen Zahlen zufolge mehr umgesetzt und verdient als von Experten erwartet. Der Erlös lag bei 131,4 Milliarden schwedische Kronen. Das bereinigte operative Ergebnis betrug 18,4 Milliarden Kronen. Bei beiden Kennziffern hatten Expertinnen und Experten weniger erwartet.
Die große Schweizer Parlamentskammer, der Nationalrat, hat in der Nacht die beim Notverkauf der Bank Credit Suisse erteilte Staatsgarantie abgelehnt. Die Regierung, der Bundesrat, hatte für mögliche Ausfälle 109 Milliarden Franken zugesagt. Konkrete Folgen hat das Parlamentsvotum nicht, die Ablehnung ist aber eine Rüge für die Regierung.
Twitter hat nach den Entlassungswellen unter dem neuen Besitzer Elon Musk nur noch etwa 1500 Mitarbeiter nach zuvor knapp 8000. Musk nannte die Zahlen in einem Interview des britischen Senders BBC. Es sei "schmerzhaft" gewesen, so viele Leute zu entlassen, aber ohne radikale Sparmaßnahmen habe Twitter nur "vier Monate zu leben" gehabt, sagte Musk.