Nervöser Handel Unruhiger Wochenstart an der Wall Street
Die US-Börsen haben sich zum Wochenstart von anfänglichen Verlusten etwas erholt. Vor allem sinkende Rentenrenditen haben die Anleger beruhigt. Auch der DAX hatte zuvor noch Boden gut gemacht.
Die Stimmung an den US-Aktienbörsen hat sich zum Wochenstart nach einem Rückgang der Anleiherenditen im Handelsverlauf zwar etwas aufgehellt, insgesamt aber bleiben die Anleger nervös. Die großen Indizes lösten sich zunächst von ihren Tiefständen zum Handelsstart und schlossen letztlich uneinheitlich. Wie auch schon zuvor in Europa blieben Sorgen über die Lage im Nahen Osten, außerdem belasteten die hohen Kapitalmarktzinsen.
Der Dow-Jones-Index lag am Ende bei 32.936 Punkten, ein Minus von 0,58 Prozent. Im Tagestief hatte der Leitindex bei 32.892 Punkten gelegen. Auch der breiter gefasste S&P 500 schloss leicht 0,17 Prozent im Minus bei 4217 Stellen. Besser hielt sich der Index der Technologiebörse Nasdaq, der 0,27 Prozent zulegte, der Auswahlindex Nasdaq 100 gewann 0,3 Prozent.
"Der Start in die Woche war sehr unruhig. Der anhaltende Anstieg der US-Renditen hat die Anleger sehr nervös gemacht", sagte Craig Erlam, Analyst beim Handelshaus Oanda. Die zehnjährigen Bonds hatten am frühen Montag zum ersten Mal seit 16 Jahren die psychologisch wichtige Fünf-Prozent-Marke erreicht. Im Gegenzug zum fallenden Kurs rentierten sie zeitweise mit 5,021 Prozent. Im weiteren Handelsverlauf fielen sie jedoch und rentierten am Ende bei 4,85 Prozent, was die Stimmung deutlich aufhellte.
"Höhere Anleiherenditen stellen eine attraktive Alternative zu Aktien dar", sagte Marios Hadjikyriacos, Analyst beim Broker XM. Zudem werde es wegen der hohen Renditen auch teurer für Unternehmen, sich zu verschulden. Dies schränke den Expansionsspielraum und letztlich das Ertragswachstum ein. Davon waren zuletzt vor allem die Immobilienwerte betroffen.
"Fünf Prozent ist ein rein psychologischer Wert", sagte Peter Chatwell, Leiter des Bereichs Global Macro Strategies Trading bei Mizuho International. Ein höherer "risikofreier Zinssatz" werde die Anleger dazu veranlassen, risikoreichere Anlagen wie Aktien und Schwellenländeranlagen zu reduzieren und mehr in Staatsanleihen zu investieren.
Ab morgen tritt die US-Berichtssaison in ihre heiße Phase und beschert den Anlegern die übliche Zahlenflut, dieses Mal für das dritte Quartal. Unter anderem Coca-Cola und der Telekomriese Verizon vor dem Börsenstart, aber besonders auch Microsoft legen ihre Ergebnisse vor. Microsoft berichtet dabei nach Börsenschluss. Auch aus Europa werden am Vormittag zahlreiche Ergebnisse erwartet.
Die Anleger dürften sich von den Zahlen Aufschluss darüber erwarten, ob der restriktive geldpolitische Kurs der Notenbank(en) die erwünschte dämpfende Wirkung gehabt hat. In der vergangenen Woche hatten die zinssensitiven Geschäftsbanken überwiegend von den höheren Zinsen profitiert. Morgen präsentiert zudem mit Visa noch einer der großen Kreditkartenanbieter sein Zahlenwerk.
Auch zum Start in die neue Woche blieb der DAX unter Abgabedruck, konnte sich allerdings dank einer erholten Wall Street am Nachmittag von seinen Tiefs absetzen und wieder Boden gut machen. Am Ende ging der deutsche Leitindex bei genau 14.800 Punkten nahezu unverändert aus dem Handel, nachdem er im Tagestief bis auf 14.630 Zähler gefallen war. Das war der tiefste Stand seit März. Der MDAX, der Index der mittelgroßen Werte, schloss bei 24.079 Punkten um 0,06 Prozent marginal höher.
Im ganz frühen Geschäft startete der deutsche Leitindex einen Erholungsversuch bis auf sein Tageshoch bei 14.838 Punkten, dem aber im Verlauf die Puste ausging. Ob die Wende im heutigen Tagesgeschäft mehrt als eine Eintagsfliege wird, muss angesichts des weiterhin schwierigen Marktumfeldes aber bezweifelt werden.
"Die fundamentalen Rahmenbedingungen sowie die geopolitischen Unsicherheiten halten die Anleger von langfristigen Positionierungen am Aktienmarkt ab", sagte Jürgen Molnar, Analyst vom Broker RoboMarkets. Gut zwei Wochen nach dem Angriff der Hamas auf Israel wachsen die Sorgen vor einer Ausweitung des Konflikts. Deeskalationsversuche blieben bislang ohne Erfolg.
Anleger blicken aktuell besonders auf die Entwicklung der Ölpreise. Diese bleiben auf hohem Niveau, auch wenn die Märkte heute nachgaben. Ein stärkerer Anstieg hätte das Zeug dazu, die Inflation wieder anzuheizen, so dass die Notenbanken auf der geldpolitischen Bremse bleiben müssten.
Apropos Geldpolitik: Auf die Stimmung drückte der anhaltende Höhenflug bei US-Anleiherenditen angesichts der Sorgen um die weiteren geldpolitischen Schritte der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) und die in dieser Woche erwarteten Zahlen zum US-Bruttoinlandsprodukt (BIP). "Die Daten zum BIP werden wahrscheinlich ein recht robustes drittes Quartal zeigen und die Erwartung verstärken, dass die Fed die Zinsen länger restriktiv halten wird", sagte Laura Cooper, Strategin bei der Investmentgesellschaft BlackRock.
Die zehnjährigen Bonds rentierten im Gegenzug zum fallenden Kurs zeitweise mit 5,021 Prozent. Damit erreichten sie zum ersten Mal seit 16 Jahren die psychologisch wichtige Fünf-Prozent-Marke, ehe sich der Markt beruhigte.
Der "sichere Hafen" Gold bleibt angesichts der wachsenden Risiken im Nahen Osten gefragt. Die Feinunze Gold kostete am Abend 1.973 Dollar und damit 0,1 Prozent mehr. Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel hat das gelbe Edelmetall über 140 Dollar hinzugewinnen können.
Der Euro tendierte im US-Handel zuletzt deutlich höher als im europäischen Handel bei 1,0667 Dollar. Händler verwiesen auf den US-Anleihemarkt. Die Kapitalmarktzinsen gaben dort nach, was den Dollar belastete. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,0597 (Freitag: 1,0591) US-Dollar fest.
Der Bitcoin klettert derweil auf ein Drei-Monats-Hoch. Die Kryptowährung verteuert sich zum fünften Tag in Folge und legte in der Spitze um über vier Prozent auf 31.411 Dollar zu.
Gegen den Trend besser notierten Versicherungsaktien im DAX. Dies nachdem die Münchener Rück, der weltgrößte Rückversicherer, ihr Gewinnziel für das laufende Jahr kräftig um eine halbe Milliarde Euro angehoben hat. Die Gesellschaft rechnet nun mit einem Gewinn von 4,5 (Vorjahr 3,4) Milliarden Euro.
Nach neun Monaten stand bereits ein Nettogewinn von 3,6 Milliarden Euro zu Buche, im dritten Quartal allein waren es rund 1,2 Milliarden, wie der Rückversicherer am Nachmittag mitteilte. Vom Unternehmen befragte Analysten hatten 1,13 Milliarden Euro erwartet. Ein Grund für den wachsenden Optimismus sei, dass die Großschäden in der Schaden- und Unfall-Rückversicherung etwas niedriger ausgefallen seien als gedacht. Der Erstversicherer Ergo habe dagegen wegen höherer Schäden aus Naturkatastrophen etwas weniger Gewinn erwirtschaftet als im ersten und zweiten Quartal.
Die VW-Vorzugsaktie gehörte zu den Verlierern im DAX. Der Autokonzern hatte am Freitag nach Börsenschluss vorläufige Zahlen für das dritte Quartal veröffentlicht und das Ergebnisziel für 2023 reduziert. Das operative Ergebnis und die Marge des Autobauers hätten enttäuscht, schrieb Jefferies-Analyst Philippe Houchois.
Der freie Fall der Sartorius-Aktie infolge einer Senkung der Jahresziele von Mitte Oktober setzte sich zu Wochenbeginn fort. Die Papiere des Pharma- und Laborausrüsters markierten bei 226 Euro ein weiteres Tief seit April 2020, nachdem sie während des Biotech-Booms in der Corona-Krise gegen Ende 2021 noch bis auf fast 632 Euro gestiegen waren.
Nach massiven Beschwerden von Kunden der Deutsche-Bank-Töchter Postbank und DSL-Bank werden Rufe nach einer Entschädigung der Betroffenen lauter. Verbraucherpolitische Sprecherinnen der Ampel-Bundestagsfraktionen schrieben in einem Brief an Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing:
"Wir als verbraucherpolitische Sprecherinnen der regierungstragenden Ampel-Fraktionen fordern Sie auf, den Menschen, denen durch Ihr Handeln oder Ihre Untätigkeit Unrecht widerfahren ist, freiwillig eine angemessene Entschädigung zukommen zu lassen", wie "Zeit Online" heute berichtete.
Grund des Ärgers sind die anhaltenden Probleme bei der geplanten Zusammenführung der IT-Systeme zwischen Deutscher Bank und Postbank.
Der weltgrößte Industriegase-Konzern Linde legt bei seinen Aktienrückkäufen noch eine Schippe drauf. Das amerikanisch-deutsche ehemalige DAX-Unternehmen kündigte heute ein neues Rückkaufprogramm über bis zu 15 Milliarden Dollar an. Aus dem vorherigen, vor eineinhalb Jahren aufgelegten Rückkauf seien noch zwei Milliarden Dollar offen, so dass Linde eigene Aktien für bis zu 17 Milliarden Dollar kaufen könne. Das ist knapp ein Zehntel des Börsenwertes von Linde.
Vorstandschef Sanjiv Lamba erklärte die dahinterstehende Strategie: Linde wolle sein erstklassiges Rating behalten und die Dividende wie üblich jedes Jahr erhöhen. "An erster Stelle stehen Investitionen in Wachstumschancen mit hoher Qualität; was übrigbleibt, schütten wir mit Aktienrückkäufen an die Aktionäre aus", sagte Lamba. Der Konzern mit offiziellem Firmensitz in Woking bei London will am Donnerstag über seine Zahlen für das dritte Quartal berichten. Bisher hatte Linde die Gewinnprognose alle drei Monate erhöht.
Der Versicherungskonzern Talanx (HDI) rechnet nach unerwartet guten Geschäften mit mehr Gewinn im laufenden Jahr. Der Überschuss soll statt über 1,4 Milliarden jetzt "deutlich mehr" als 1,5 Milliarden Euro erreichen, wie der im MDAX gelistete Konzern überraschend am Abend in Hannover mitteilte. Für die ersten neun Monate rechnet der Vorstand vor allem dank eines "starken operativen Ergebnisses" in der Erstversicherung mit einem Gewinn von mehr als 1,25 Milliarden Euro.
Am Finanzmarkt kamen die Nachrichten gut an: Im nachbörslichen Handel auf der Plattform Tradegate legte die Talanx-Aktie im Vergleich zum Xetra-Schlusskurs deutlich zu. Talanx ist mit seiner Hauptmarke HDI als Erstversicherer in Deutschland und großen Teilen der Welt aktiv. Außerdem gehört dem Konzern gut die Hälfte der Anteile an dem weltweit drittgrößten Rückversicherer Hannover Rück.
Der Bausoftwareanbieter Nemetschek rechnet nach einem guten dritten Quartal mit einem höheren Jahresumsatz als bisher. Das Erlösplus dürfte 2023 bei sechs bis acht Prozent liegen, teilte das MDAX-Unternehmen am späten Abend in München mit. Bisher hatte Nemetschek nur mit einem Anstieg um vier bis sechs Prozent gerechnet. Analysten erwarten bisher im Schnitt ein Plus von 4,6 Prozent.
Bei der Ebitda-Marge (Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) erwartet Nemetschek, das obere Ende der bereits kommunizierten Prognose von 28 bis 30 Prozent zu erreichen. Im dritten Quartal war der Umsatz dank einer besser als erwarteten operativen Entwicklung, Nachholeffekten aus dem vorigen Jahresviertel sowie Einmaleffekten in den Segmenten Design und Build deutlich gestiegen. Die Erlöse legten zum entsprechenden Vorjahreszeitraum um 8,4 Prozent auf 219,8 Millionen Euro zu. Das Ebitda stieg um 13,6 Prozent auf 71,4 Millionen Euro, die entsprechende Marge lag bei 32,5 Prozent (VJ: 31,0)
Im MDAX knüpften Aktien von Dürr an ihre steile Talfahrt vom Freitag an und verloren über drei Prozent. Analyst Nicolai Kempf von Deutsche Bank Research stufte die Papiere des Anlagenbauers von "Buy" auf "Hold" ab und senkte das Kursziel von 45 auf 25 Euro. Auch die Analysten der Investmentbank Oddo BHF setzten ihr Anlagevotum herab. Zum Wochenschluss waren die Dürr-Papiere nach einer Gewinnwarnung zeitweise um mehr als 20 Prozent auf den tiefsten Stand seit Mai 2020 eingebrochen.
Erneute Spekulationen über einen Großauftrag des iPhone-Konzerns Apple trieben die Aktien des Batterieherstellers Varta an. Sie stiegen um über sieben Prozent. Varta-Chef Markus Hackstein sprach in einem Interview in der "Augsburger Allgemeinen" von Lieferungen an einen wichtigen Großkunden, "der zuvor die Abrufe seiner Aufträge zurückgestellt" habe.
Der Medizintechnikhersteller Philips wird für das laufende Jahr erneut optimistischer, nachdem sich die schwierige Lage in den Lieferketten weiter entspannt. So geht das Management unter Führung des Konzernchefs Roy Jakobs für 2023 von einem vergleichbaren Umsatzwachstum von sechs bis sieben Prozent aus. Bislang hatte der Konkurrent des DAX-Konzerns Siemens Healthineers ein Wachstum im mittleren einstelligen Prozentbereich in Aussicht gestellt.
Italiens Energiekonzern Eni hat sich die Belieferung mit verflüssigtem Erdgas (LNG) aus Katar für 27 Jahre gesichert. Der staatliche katarische Energiekonzern QatarEnergy teilte mit, der Vertrag sehe die Lieferung von jährlich einer Million Tonnen LNG vor. Eni ist zusammen mit QatarEnergy an der Erschließung des Gasfeldes North Field beteiligt - es soll das größte der Welt sein.
In der Öl- und Gasindustrie in den USA kommt es zu einer weiteren milliardenschweren Übernahme. So kündigte der Ölkonzern Chevron heute die Übernahme seines Konkurrenten Hess für 53 Milliarden US-Dollar (rund 50 Milliarden Euro) an. Die Transaktion erfolge dabei über einen Aktientausch, teilte der Dow-Jones-Konzern mit. Die Chevron-Aktie gibt rund zwei Prozent nach.
Nvidia will Insidern zufolge mit eigenen PC-Prozessoren auf Basis der Arm-Technologie Intel frontal auf einem der wichtigsten Halbleiter-Märkte angreifen. Der für seine Grafikkarten und Chips für künstliche Intelligenz (KI) bekannte US-Konzern habe mit der Entwicklung von CPUs begonnen, auf denen Microsofts Betriebssystem Windows laufen könnte, wie die Nachrichtenagentur Reuters von zwei mit dem Vorgang vertrauten Personen erfuhr. Auch der Intel-Rivale AMD wolle Arm-Prozessoren für Windows bauen. Nvidia und Arm könnten einem der Insider zufolge die neuen CPUs ab 2025 auf den Markt bringen.
Die genannten Konzerne lehnten Stellungnahmen zunächst ab. Über die Pläne von AMD hatte zuerst die Fachpublikation SemiAccurate berichtet. Nach der Veröffentlichung der Reuters-Meldung während des laufenden Börsenhandels in den USA legten die Aktien von Nvidia an der Wall Street zu und schlossen 3,8 Prozent im Plus. Intel-Aktien gaben dagegen 3,1 Prozent nach.