Börsen in Sorge Böses Erwachen
Rund um den Globus sind die Inflations- und Wachstumssorgen wieder erwacht. Wie in Europa gerieten auch die amerikanischen Märkte unter starken Abgabedruck.
Die Geldentwertung schreitet fort, und die Wachstumsaussichten werden einfach nicht besser. Diese Tatsachen schlagen nun wieder an den Aktienmärkten durch. Wie zuvor an den europäischen Märkten haben sich die Kursverluste an der Wall Street im Verlauf ausgeweitet. Der Dow Jones ging 1,9 Prozent tiefer aus dem Handel.
Die Investoren werden also wieder vorsichtiger, nachdem sie zuletzt darauf gesetzt hatten, dass die Inflation ihren Höhepunkt erreicht haben könnte - trotz deutlicher Warnungen von Experten und Notenbankern. Ein Indiz dafür, dass sich die US-Anleger vor allem um die Zinsentwicklung sorgen, ist der noch deutlichere Verlust der Technologietitel, die wegen ihrer vergleichsweise höheren Verschuldung als besonders zinssensitiv gelten. Der Technologieindex Nasdaq 100 büßte 2,7 Prozent ein.
Mit besonderer Spannung blicken die Anleger auf das an diesem Donnerstag beginnende Notenbanktreffen in Jackson Hole im US-Bundesstaat Wyoming. Anleger spekulieren, dass die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) weiter einen strikten Straffungskurs verfolgen wird, um die hohe Inflation in den Griff zu bekommen. Im Falle eines erneuten deutlichen Zinsschritts der Fed von 0,75 Prozentpunkten würden Aktien im Vergleich zu verzinslichen Anlagen weiter an Attraktivität verlieren. Das Treffen in Jackson Hole könnte den Ton für den Rest des Jahres bestimmen, meinte Michael Hewson vom Handelshaus CMC Markets.
Am deutschen Markt mehrten sich derweil die Hinweise auf eine nahende Rezession. So sind die deutschen Exporteure beim wichtigen Geschäft mit den nicht zur EU zählenden Ländern schwach in die zweite Jahreshälfte gestartet. Die Ausfuhren in die sogenannten Drittstaaten brachen im Juli um 7,6 Prozent im Vergleich zum Vormonat ein. Das war der erste Rückgang nach zuvor drei Anstiegen in Folge. Der DAX stand seit Handelsbeginn unter Druck und ging 2,3 Prozent tiefer aus dem Handel.
Die Sorgen wurden noch durch die Ankündigung Russlands verstärkt, die Gaslieferungen über die Pipeline Nord Stream 1 Ende August für drei Tage zu unterbrechen.
Zudem rechnet die Deutsche Bundesbank nach einer Stagnation im Sommer mit einer Rezession im Winter. So dürfte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Deutschland wegen der anhaltenden Energiekrise Ende 2022/Anfang 2023 schrumpfen, heißt es heute im August-Monatsbericht der Notenbank: "Die Wahrscheinlichkeit, dass das BIP im kommenden Winterhalbjahr zurückgeht, hat sich aufgrund der ungünstigen Entwicklungen am Gasmarkt deutlich erhöht." Mit Auslaufen der Entlastungsschritte der Regierung erwartet die Bundesbank - nach europäischer Messung (HVPI) - im Herbst Inflationsraten von rund zehn Prozent. Im Juli hatte die Teuerung nach dieser Rechnung bei 8,5 Prozent gelegen.
China will mit einer erneuten Senkung des Leitzinses die Kreditnachfrage in der durch die Immobilienkrise und Corona-Ausbrüche gebeutelten Wirtschaft weiter ankurbeln. Der Schlüsselsatz für einjährige Kredite (LPR) wurde bei der monatlichen Festsetzung durch die Zentralbank um fünf Basispunkte auf 3,65 Prozent gesenkt, der für fünfjährige Kredite um 15 Basispunkte auf 4,30 Prozent.
Der Euro erlebte einen außerordentlich schwachen Tag. Im Tief wurden für einen Euro nur noch 0,9930 Dollar bezahlt. Damit ist der Euro, wie schon im Juli, wieder unter die Parität zum Dollar gefallen. Der Dollar profitierte zuletzt von verstärkten Spekulationen über einen erneuten kräftigen Zinsschritt der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) von 75 Basispunkten im September.
Die Ölpreise standen bis zum späten Nachmittag stark unter Druck. Die Äußerung des saudischen Energieministers, das Kartell OPEC+ müsse vielleicht die Ölförderung zur Stabilisierung der Preise verringern, sorgte dann für eine deutliche Erholung. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent kostet am späten Abend mit 95,70 US-Dollar rund 0,5 Prozent weniger. Nach Einschätzung von Marktbeobachtern sinken die Ölpreise neben den Rezessionssorgen weiterhin durch die Aussicht auf verstärkte Ölexporte aus dem wichtigen OPEC-Förderland Iran. Derzeit laufen Verhandlungen über eine Wiederbelebung des internationalen Atomabkommens.
Die Furcht vor Engpässen treibt den Gaspreis derweil weiter an. Der europäische Future stieg um mehr als zehn Prozent auf 282,50 Euro je Megawattstunde. Grund ist die Ankündigung des russischen Exporteurs Gazprom vom Freitag, zum Monatsende für drei Tage erneut den Betrieb der Pipeline Nord Stream 1 wegen Wartungsarbeiten zu unterbrechen.
Ein US-Gericht hat Ford nach einem tödlichen Unfall zu einer Zahlung in Höhe von 1,7 Milliarden Dollar verurteilt. Dem zweitgrößten US-Autobauer wird vorgeworfen, das Dach des Pickup-Truck-Modells F-250 nicht ausreichend verstärkt zu haben, um die Insassen bei einem Überschlagsunfall hinreichend zu schützen. Der Autobauer will gegen das Urteil vorgehen. Wie schon in den Medien vor einigen Wochen berichtet, macht Ford außerdem Ernst mit seinem geplanten Stellenabbau. Der Konzern streicht rund 3000 Stellen in Nordamerika und Indien, um Kosten zu senken und mehr Geld in seine Elektro-Offensive stecken zu können. Laut dem jüngsten Quartalsbericht hatte Ford weltweit zuletzt ungefähr 182.000 Beschäftigte.
Ebay hat heute seine Absicht bekundet, den spezialisierten Marktplatz TCGplayer für bis zu 295 Millionen Dollar zu kaufen. Auf TCGplayer werden Sammelkartenspiele wie Magic oder Pokemon gehandelt. Anfang 2023 soll die Transaktion abgeschlossen sein. TCGplayer soll danach eigenständig weitergeführt werden.
Im DAX legte die Fresenius-Aktie gegen den Trend deutlich zu. Auch die Aktie der Dialysetochter FMC lag leicht im Plus. Nach turbulenten Zeiten soll ein neuer Mann den Medizin- und Krankenhauskonzern aus der Dauerkrise führen. Der Aufsichtsrat bestellte mit Wirkung zum 1. Oktober 2022 den amtierenden Chef der Fresenius-Tochter Kabi, Michael Sen, zum Vorstandsvorsitzenden. Am Markt hieß es, es handele sich um einen von Anlegern erhofften Schritt angesichts des Aktienkurses, der mittlerweile auf das niedrigste Niveau seit 2012 gesunken ist.
Der Personalwechsel kommt nicht ganz überraschend: Der scheidende Konzernchef Stephan Sturm hatte nach mehrmaligen Gewinnwarnungen in den vergangenen Jahren erst kürzlich auch die Ziele für das laufende Jahr zurechtstutzen müssen. Dies brachte wohl auch für den Aufsichtsrat das Fass zum Überlaufen, der Sturm trotz anhaltender Probleme die Treue gehalten hatte. Der Manager verlasse das Unternehmen "im guten Einvernehmen", hieß es.
Aktien aus dem Volkswagen-Konzernumfeld gehörten zu den größten DAX-Verlierern. Die VW-Vorzugsaktie und die Konzernholding Porsche SE büßten über vier Prozent ein. Unter Investoren mehre sich die Kritik daran, dass der Autobauer seinen Chef künftig mit der Sportwagentochter Porsche AG teilen muss, hieß es am Markt. Diese ist nicht mit der vorgenannten Holding Porsche SE zu verwechseln.
Marktteilnehmer verwiesen auf einen Bericht in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", wonach laut einer Umfrage des Analysehauses Bernstein zwei Drittel der Anleger die ab September vorgesehene Doppelrolle von Oliver Blume kritisierten.
Adidas muss sich einen neuen Chef suchen. Der Vorstandsvorsitzende Kasper Rorsted und der Aufsichtsrat hätten sich im gegenseitigen Einvernehmen darauf geeinigt, dass Rorsted 2023 aus seinem Amt ausscheiden werde, teilte der DAX-Konzern überraschend heute mit. Die in diesem Jahr bislang schwer gebeutelte Adidas-Aktie weitete ihre Verluste auf die Nachricht hin aus und verlor über fünf Prozent. Der Sportartikelhersteller hatte wegen Problemen in China sowie einer zu erwartenden schwächeren Konsumlaune in anderen Ländern Ende Juli die Prognosen gesenkt.
Die BioNTech-Aktie drehte im Verlauf ins Plus. Der Mainzer Impfstoffentwickler und sein US-Partner Pfizer haben die Notfallzulassung des auf die Omikron-Variante zugeschnittenen Corona-Vakzins in den Vereinigten Staaten beantragt. Ein entsprechender Antrag sei bei der US-Aufsicht FDA eingereicht worden, teilen die Unternehmen mit. Der Impfstoff soll gegen die Urform des Coronavirus sowie die derzeit dominanten Varianten BA.4 und BA.5 wirken.
Die Deutsche-Post-Tochter DHL Paket erhöht zum Jahreswechsel die Preise für Geschäftskunden. Gründe dafür seien die volatile Entwicklung der Energiepreise und die gestiegenen Transport- und Personalkosten, teilte die Post mit. Die Preise für den Paketversand durch Privatkunden bleiben unverändert.
Die T-Aktie konnte gegen den Trend ein kleines Plus verbuchen. Die Deutsche Telekom soll nach dem Ziel von Vorstandschef Timotheus Höttges in absehbarer Zukunft zum wertvollsten deutschen Börsenunternehmen aufsteigen und dabei den Software-Konzern SAP überholen. "Mein Anspruch ist: Die Telekom soll das wertvollste Unternehmen Deutschlands werden", sagte Höttges der "Augsburger Allgemeinen". Der Konzern sei dem Spitzenreiter SAP als Nummer 2 schon auf den Fersen. Das Geschäft laufe gut. Höttges verwies darauf, dass die Telekom jüngst ihre Ergebnisprognose auf 37 Milliarden Euro vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen erhöht habe.
Ein Wechselbad der Gefühle erlebten heute Aktionäre von Online-Apotheken. Die Aktie der Shop Apotheke war zunächst ins Plus gedreht, als die Nachrichtenagentur Bloomberg meldete, dass der schweizerische Konkurrent Zur Rose strategische Optionen prüfe, darunter auch einen Verkauf. Kurz darauf sackte der SDAX-Titel aber kräftig ab, nachdem die kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH) mitgeteilt hatte, dass das Land vorerst aus dem E-Rezept aussteige. Grund sei, dass eine Mail-basierte Umsetzung nach dem Landesdatenschutzgesetz untersagt sei. Eigentlich sollte das E-Rezept von der kommenden Woche an in Westfalen-Lippe und Schleswig-Holstein als Pilotprojekt starten.
Der unter einem hohen Schuldenberg ächzende britische Kinobetreiber Cineworld erwägt eine Sanierung unter US-Insolvenzrecht. Der weltweit zweitgrößte Kinokonzern prüfe entsprechende Optionen, teilte er am Montag mit und schickte damit seine in London notierten Aktien auf einen weiteren Sinkflug. Ende 2021 beliefen sich die Schulden auf rund 8,9 Milliarden Dollar. Die Branche leidet unter den Folgen der Corona-Krise und geänderten Sehgewohnheiten der Zuschauer.