Handy-Bank N26 wertvollstes deutsches Fintech
Während die traditionellen Banken Stellen streichen und ihr Filialgeschäft abbauen, stehen die Zeichen bei Handy-Banken auf Expansion - auch bei N26. Das Start-up wird von Investoren umgarnt.
Ungeachtet des Vorwurfs, zu wenig gegen Geldwäsche zu tun, hat die Smartphone-Bank N26 bei Investoren mehr als 900 Millionen Dollar eingesammelt. Das sind zehn Prozent mehr als noch vor einer Woche erwartet. Die Bewertung des Start-ups betrage nun mehr als neun Milliarden Dollar, teilte das Unternehmen mit. Damit sind die Berliner zum wertvollsten Fintech in Deutschland aufgestiegen - und genauso "teuer" wie die 151 Jahre alte Commerzbank, die rund elf Millionen Privat- und Unternehmerkunden in Deutschland zählt. N26 berichtete im Januar, gut sieben Millionen Kunden in 25 Ländern zu haben.
Der Erfolg dieser fünften Finanzierungsrunde seit der Gründung von N26 vor acht Jahren ist umso überraschender, als die Bankenaufsicht BaFin seit zwei Jahren Defizite bei der Betrugs- und GeldwäscheBekämpfung (Compliance) beklagt. Seit Mai überwacht ein Sonderbeauftragter, ob N26 die Compliance wie versprochen verbessert. Das scheint offenbar nicht der Fall zu sein.
BaFin begrenzt Wachstum
Firmenmitbegründer Valentin Stalf sagte, dass die Bankenaufsicht das Wachstum von N26 in den nächsten Monaten in Europa auf "maximal 50.000 bis 70.000 Neukunden pro Monat" beschränken will - ein Rückschlag für das Unternehmen, das in den vergangenen Monaten Schätzungen zufolge um rund 100.000 Neukunden monatlich gewachsen ist. Stalf zeigte sich dennoch optimistisch und sagte, N26 könne mit der Entscheidung seinen Wachstumskurs fortsetzen. Das klinge so, als ob das Management mit einer noch härteren Maßnahme gerechnte hatte, sagten Experten. Gleichzeitig versprach Stalf in den kommenden Monaten, die Kontrollprozesse in der Bank weiter auszubauen.
Ende September war bekannt geworden, dass die Smartphone-Bank eine Geldbuße von 4,25 Millionen Euro an die BaFin gezahlt hat, weil Geldwäscheverdachtsmeldungen verspätet bei der Bankenaufsicht eingereicht worden waren. Handy-Banken oder Fintechs wie N26, Revolut oder Monzo gelten als anfälliger für Betrug als traditionelle Geldhäuser, weil ihre Kunden sich ausschließlich online registrieren und die Authentifizierung zudem oft über externe Dienstleister erfolgt. Betrüger oder Betreiber von Fake Shops eröffnen deshalb bevorzugt Konten bei Smartphone- oder Online-Banken.
Börsengang im Visier
Die Investoren scheint das kaum zu kümmern. Zu den Geldgebern, die an N26 beteiligt sind, gehören unter anderem der Versicherungskonzern Allianz, der Staatsfonds GIC aus Singapur, der chinesische Internet-Riese Tencent, Earlybird und der US-Investor Peter Thiel. Auch die US-Beteiligungsgesellschaft Dragoneer Investment Group war bei der jüngsten Finanzierungsrunde dabei. Mit dem Geld will N26 weiter expandieren und fokussiert sich dabei auf Kontinentaleuropa. So sollen beispielsweise Kunden in Polen und Rumänien gewonnen werden. Geplant ist auch ein kleinerer Testlauf in Brasilien.
N26 will auch die über die App verfügbaren Angebote ausbauen und seine Teams vergrößern. In den kommenden Jahren sollen weltweit 1000 Mitarbeiter in den Bereichen Technologie, Produktmanagement und digitaler Sicherheit eingestellt werden. Derzeit beschäftigt N26 rund 1500 Mitarbeiter. Gleichzeitig nimmt die Bank auch ihren Börsengang ins Visier. "Mit den Investoren, die wir mit an Bord bekommen haben, machen wir auch einen ganz wichtigen Schritt in Richtung Börsengang in den kommenden Jahren", sagte Stalf.
Klarna mehr wert als Deutsche Bank
Dass die jungen Techfirmen die traditionellen Bankhäuser immer mehr unter Druck setzen, zeigt auch ein Blick auf den schwedischen Zahlungsdienstleister Klarna. Das Unternehmen gilt als Europas wertvollster Techkonzern der Finanzbranche und wird derzeit mit knapp 26 Milliarden Euro bewertet. Damit ist Klarna mehr wert als die Deutsche Bank; Deutschlands größte Bank wird mit 23,7 Milliarden Euro bewertet. Für die Investoren zählen vor allem die zweistelligen Wachstumsraten sowie die immer stärkere Digitalisierung der Bankgeschäfte. Hiervon profitieren die von Beginn an auf Technologie fokussierten Firmen wie Klarna und N26 stärker als stationäre Bankhäuser mit ihren Zehntausenden Beschäftigten und einem teuren Filialnetz.