Energieträger der Zukunft Es hakt noch beim Wasserstoff
Wasserstoff wird für die Energiewende dringend gebraucht. Doch Investoren haben etwas voreilig auf einen Boom gesetzt. Anspruch und Wirklichkeit klaffen noch weit auseinander.
Die Börse gilt als Seismograph - sie hat ein Näschen für neue, vielversprechende Entwicklungen, heißt es. Doch beim Thema Wasserstoff haben sich Anleger bisher eher eine blutige Nase geholt. "Und die ein oder andere Anlegergruppe wird auch noch damit beschäftigt sein, sich die blutige Nase abzutupfen und zu kühlen", sagt Felix Schröder, Wasserstoffanalyst bei Union Investment. Anfang 2020 waren Wasserstoff-Aktien der große Renner. Aber da es an Aufträgen und Anwendungen mangelte, brach das Kartenhaus zusammen. Nicht zum ersten Mal - bereits zur Jahrtausendwende war Wasserstoff an der Börse ein Hype. Auch damals platzten die Wasserstoffträume.
Bislang ein Zuschussgeschäft
Doch jetzt soll es endlich losgehen. Die alte Bundesregierung hat die Nationale Wasserstoffstrategie auf den Weg gebracht. Die neue drückt aufs Tempo: Bis 2030 soll die Leistung auf zehn Gigawatt steigen - eine Verdopplung des bisher Geplanten. Ganz wichtig, meint Wasserstoffanalyst Schröder, sei diese Strategie zunächst auf dem Weg dahin, "grünen Wasserstoff wirtschaftlich wettbewerbsfähig zu machen".
Bisher ist die grüne Wasserstoffproduktion tatsächlich ein Zuschussgeschäft. Die Herstellung von "grünem Stahl" kostet laut Studien bis zu 70 Prozent mehr als herkömmlicher Stahl. Das Auto oder die Waschmaschine würden dann deutlich teurer werden. Aber um die Energiewende zu schaffen, führe kein Weg dran vorbei, sagt Karsten Pinkwart, Wasserstoffexperte der Hochschule Karlsruhe. "Wir müssen uns unbedingt auf den Weg machen, und wir können nicht mehr warten. Alle unsere Industriezweige basieren ja letztendlich auf den fossilen Energieträgern."
Tempo und Know-How zählen
Und das ist der Haken. Noch ist fossile Energie im Vergleich zu günstig, und noch fehlt es beim Wasserstoff an Produktionskapazitäten, zum Beispiel für Elektrolyseure, die Wasser in seine Bestandteile verwandeln - ein hart umkämpfter Markt. Weltweit gibt es über 100 nationale Wasserstoffstrategien. Hier zählen Geschwindigkeit und Know-How.
"Wir sind ein Land der Ingenieure, wir sind ein Land der Maschinenbauer", so Pinkwart. "Diese Karte können wir wesentlich besser spielen als die des Rohstofflieferanten." Deshalb habe Deutschland hier durchaus etwas mitzureden.
Börsenpläne bei Thyssenkrupp
Derzeit laufen unzählige Wasserstoffprojekte - in den Universitäten, in den Unternehmen. Ganz vorne mit spielt die Stahlindustrie. Thyssenkrupp will noch im ersten Halbjahr seine Wasserstofftochter Nucera an die Börse bringen - allerdings muss man wohl Abstriche beim Preis machen, heißt es. Siemens Energy steht ebenfalls in den Startlöchern. Auch der Industriegasehersteller Linde ist ein wichtiger Player auf dem Wasserstoffmarkt.
Aber ist es wirklich schon ein Boom? "Das läuft schon - wir sind mittendrin", glaubt Experte Pinkwart. Wasserstoffanalyst Schröder ist etwas skeptischer: "Mit dem Begriff eines Booms müssen wir natürlich immer etwas vorsichtig umgehen."
Doch die neun Milliarden Euro, die die Bundesregierung insgesamt für Wasserstoffprojekte zur Verfügung stellt, sind auch für ihn ein starkes Argument. Aber ob am Ende beim Wasserstoff alle Börsenträume wahr werden? Das bleibt noch abzuwarten.