Gipfel zur Finanzmarktkrise in Paris Europäer gehen weiter getrennte Wege
Es bleibt dabei: Die vier größten europäischen Länder gehen im Kampf gegen die Finanzkrise getrennte Wege, wollen sich aber abstimmen. Das ist das Ergebnis eines Krisengipfels auf Einladung von EU-Ratspräsident Sarkozy. Der hätte dagegen gern gemeinsame Rettungsanstrengungen gesehen.
Von Christoph Wöß, BR-Hörfunkstudio Paris
"Hilfe ja, EU-Hilfsfonds nein" - auf diesen kurzen Nenner lassen sich die Ergebnisse des Krisengipfels in Paris bringen. Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien wollen auch in Zukunft eingreifen, wenn Banken die Pleite droht und die Guthaben von Sparern, Unternehmern und Kommunen in Gefahr sind. Ein EU-weiter Rettungsfonds, wie er noch vor wenigen Tagen von Frankreich angeregt wurde, ist dagegen vom Tisch. Deutschland wollte verantwortungslosen Bankern keinen Freibrief ausstellen, für den auch noch der Steuerzahler aufkommen muss.
Aber ein bisschen mehr Zusammenarbeit möchte schon sein, erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel: "Wir haben uns darauf verständigt, dass wir ein kohärentes Vorgehen brauchen, bei dem es nationale Verantwortlichkeiten für jeden Mitgliedstaat gibt. Und bei dem es aber auch darauf zu achten ist, dass die europäischen Mitgliedsstaaten sich nicht gegenseitig Nachteile durch ihr nationales Vorgehen zufügen."
Gemeint hat sie damit den jüngsten Alleingang Irlands. Die Regierung in Dublin hatte staatliche Einlagengarantien für ihre Banken beschlossen. Kaum war die Entscheidung bekannt, schaufelten britische Finanzinstitute haufenweise Geld nach Irland. So soll es künftig nicht mehr laufen, meinte auch Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy.
EU-Stabilitätspakt gelockert
Er setzte sich mit einer Forderung durch, für die er in Frankreich schon seit Tagen wirbt: Der Stabilitätspakt soll vorübergehend nicht mehr so streng angewendet werden: "Der Europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt muss auch die besonderen Umstände berücksichtigen, in denen wir uns befinden - und im Übrigen sieht der Pakt solche Möglichkeiten auch vor", sagte er.
Für Sarkozy ist das die Flucht nach vorn. Frankreich droht nach den jüngsten Zahlen des nationalen Statistikamts in die Rezession abzurutschen - da will er die Möglichkeit behalten, Geld auszugeben, um die Wirtschaft anzukurbeln. Dafür nimmt er sogar von seinem lange verfolgten Ziel Abstand, im Wahljahr 2012 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Doch neben der Schadensbegrenzung ging es den Teilnehmern vor allem auch um die Ursachenbekämpfung. So wollen sich die wichtigsten europäischen Volkswirtschaften auf internationaler Ebene dafür einsetzen, dass die Finanzprodukte, die so manche Banken anbieten, transparenter werden.
Schluss mit der Casino-Mentalität
"Viele Banken wissen gar nicht, was sie da anbieten", erklärte der Chef der Eurogruppe, der luxemburgische Regierungschef Jean-Claude Juncker. "Man kann ja gern innovativ und einfallsreich sein - aber es geht nicht, dass man dafür nicht zur Rechenschaft gezogen wird. Das ist ein Spiel, dem man ein Ende setzen muss."
Keine Casinomentalität also - mit Forderungen wie diesen will der G4-Gipfel dazu beitragen, dass das wieder wächst, was in den vergangenen Wochen weltweit verloren gegangen ist. Das Vertrauen in die Finanzmärkte, wie der Präsident der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, erklärte: "Wir bemühen uns, das Vertrauen zu bewahren oder wiederherzustellen. Denn das Vertrauen ist sicherlich das Wichtigste unter den gegenwärtigen Umständen. Ich glaube, dass unsere Beschlüsse dazu beitragen werden, dieses Vertrauen wieder zu stärken."
Am Ende ein neues Weltfinanzsystems?
Vertrauensbildend sollen auch die zahlreichen Begegnungen wirken, die für die nächsten Wochen geplant sind: Die Finanzmarktkrise beschäftigt die G7-Runde kommende Woche in Washington, den EU-Gipfel in 14 Tagen, und - diesen Wunsch hat Gastgeber Sarkozy noch einmal ganz deutlich formuliert - auch ein internationales Gipfeltreffen im großen Rahmen, das nicht weniger auf den Weg bringen soll als die Neugründung eines Weltfinanzsystems.