Gipfel in Brüssel EU-Staaten vereinbaren Fiskalpakt
Zwei machen nicht mit: Beim EU-Gipfel in Brüssel haben 25 EU-Länder einen Sparpakt für mehr Haushaltsdisziplin vereinbart. Das teilte EU-Ratspräsident Van Rompuy mit. Nicht dabei sind Großbritannien und Tschechien. Zuvor hatten die EU-Staaten den dauerhaften Krisenfonds ESM gebilligt und beschlossen, mehr für das Wirtschaftswachstum zu tun.
Alle EU-Staaten außer Tschechien und Großbritannien haben einen Sparpakt für mehr Haushaltsdisziplin vereinbart. Das teilte Gipfelchef Herman Van Rompuy beim EU-Gipfel in Brüssel mit. Die 25 Länder verpflichteten sich in diesem zwischenstaatlichen Vertrag zum Sparen und zur Einführung einer Schuldenbremse.
Unterzeichnet werden soll der Vertrag von allen 17 Euro-Staaten und acht Nicht-Euro-Staaten im März, damit er bis zum Jahresende in Kraft treten kann. Besonders Deutschland und Frankreich hatten auf den Pakt gepocht, der bereits beim Gipfel im Dezember im Grundsatz vereinbart worden war.
Merkel spricht von "wichtigem Schritt"
Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnete die Verabschiedung des Fiskalpaktes als wichtigen Schritt zu einer Stabilitätsunion. Die zusätzlichen Verpflichtungen seien wichtig für alle Beobachter der Euro-Zone, um wieder Vertrauen in eine solide Haushaltsführung der Euro-Staaten zu aufzubauen, sagte sie zum Abschluss des EU-Gipfels.
Zugleich kündigte sie an, dass bis März noch ein Verfahren beschlossen werden soll, wie Klagen gegen Mitgliedstaaten bei Verstößen gegen die nationalen Schuldenbremsen beim Europäischen Gerichtshof eingereicht werden können. Hintergrund ist, dass der nun beschlossene Fiskalpakt nur eine Klage von Mitgliedstaaten, nicht aber der EU-Kommission vorsieht. Die Bundesregierung möchte aber, dass eine Klage auf jeden Fall erfolgt, wenn die EU-Kommission einen Rechtsbruch feststellt.
Neben den Schuldenbremsen, die das strukturelle Defizit auf 0,5 Prozent begrenzen, schreibt der Pakt auch automatische Sanktionen fest. Wenn eine Vertragspartei gegen die Regeln verstößt, werden Strafen eingeleitet, bis zur Höhe von 0,1 Prozent der Wirtschaftskraft. Die Bußen sollen in den permanenten Rettungsfonds ESM eingezahlt werden. Notkredite aus dem ESM können nur die Länder beantragen, die den Fiskalpakt ratifiziert haben.
Den dauerhaften Rettungsfonds ESM hatten die Staats- und Regierungschefs der Euro-Zone zuvor beschlossen. Die Gipfel-Teilnehmer bestätigten damit eine Entscheidung der Finanzminister. Der Nachfolger des EFSF soll einen Umfang von 500 Milliarden Euro haben. Ob das Geld reicht, wollen die Staats- und Regierungschefs auf dem nächsten Gipfel im März überprüfen. Der Startschuss für den ESM soll am 1. Juli fallen - ein Jahr früher als geplant.
Der ESM soll Kredite am Kapitalmarkt aufnehmen und dieses Geld an pleitebedrohte Euro-Staaten weiterreichen. Dadurch können überschuldete Länder günstiger an Geld kommen, als wenn sie selbst Summen am Markt aufnehmen würden. Anders als sein Vorgänger EFSF verfügt der dauerhafte Krisenfonds über Barkapital von 80 Milliarden Euro - dadurch ist er krisenresistenter und unabhängiger von Ratings.
Die Ratingagentur Standard & Poor's hatte dem EFSF jüngst die Bestnote bei der Kreditwürdigkeit entzogen, wodurch sich die Kreditaufnahme verteuern könnte. Deutschland muss für den ESM einen Anteil von rund 22 Milliarden Euro einzahlen. Der Fonds basiert auf einem internationalen Vertrag und nicht auf einer Abmachung zwischen den Euro-Staaten wie der EFSF.
Mehr Wachstum, mehr Jobs
Bei ihrem Gipfel in Brüssel einigten sich die Staats- und Regierungschefs zudem auf die Ankurbelung von Wachstum und Beschäftigung. Das gab Ratspräsident Herman Van Rompuy bekannt. Damit soll vor allem die Jugendarbeitslosigkeit bekämpft werden. Demnach beschlossen sie ein Programm, mit dem vorhandene Mittel aus den milliardenschweren Strukturfonds der Union rascher und besser eingesetzt werden können. Die EU-Kommission wird bereits in Kürze "Aktionsteams" entsenden, die vor allem in den acht EU-Staaten mit der höchsten Jugendarbeitslosigkeit dafür sorgen sollen, dass vorhandenes Geld auch wirklich ausgegeben wird. Derzeit sind in den Strukturfonds noch 82 Milliarden Euro vorhanden, die bisher nicht für konkrete Projekte vorgesehen sind. Van Rompuy betonte, es handele sich ausdrücklich nicht um ein neues Konjunkturprogramm.
Auf Hilfe bei der Suche nach förderungswürdigen Projekten dürfen Staaten hoffen, in denen die Jugendarbeitslosigkeit bei mindestens 30 Prozent liegt. Das sind Estland, Griechenland, Italien, Portugal, die Slowakei, Spanien, Lettland und Litauen.
Streitpunkt Sparkommissar
Weiteres Gipfel-Thema war Griechenland. Am Wochenende hatte ein deutscher Vorschlag Kontroversen ausgelöst, wonach die Kontrolle über den griechischen Staatshaushalt einem EU-Kontrolleur übertragen werden soll. Damit würde der griechischen Regierung die Hoheit über ihren Staatshaushalt zumindest teilweise entzogen. Griechenland wird seit fast zwei Jahren nur mit Milliarden Hilfsgeldern vor dem Bankrott bewahrt.
Kanzlerin Angela Merkel bemühte sich, die Wogen zu glätten. Es gehe darum, wie Europa Griechenland helfen könne. Sie wolle "keine kontroverse Diskussion, sondern eine Diskussion, die erfolgreich ist, erfolgreich für die Menschen in Griechenland".
In Brüssel hagelte es dennoch Vorwürfe - nicht nur von Seiten der Griechen. Einen Sparkommissar nur für Griechenland einzusetzen, sei "nicht akzeptabel", schimpfte etwa Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker. Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann sagte: "Beleidigen muss man niemanden in der Politik. Das bringt nichts und das führt nur in die falsche Richtung." Die amtierende EU-Ratspräsidentin, Dänemarks Regierungschefin Helle Thorning-Schmidt, versicherte, die EU werde die griechische Demokratie achten.
Griechenlands Ex-Ministerpräsident Giorgos Papandreou warnte, ein EU-Aufpasser könnte gar die Demokratie gefährden. "Wir glauben, dass wir uns entweder in demokratischer Weise verhalten, wo jedes Land für seine eigene Politik verantwortlich ist - oder wir werden die Demokratie in ganz Europa untergraben."