Befüllung der Speicher Viel Gas - auch teuer eingekauft
Um die deutschen Speicher vor dem Winter zu füllen, hat das Unternehmen THE im Auftrag der Bundesregierung Erdgas eingekauft. Am Spotmarkt wurden dabei teils hohe Preise gezahlt - zu hohe? Antworten auf einige Fragen.
Vor Beginn des Winters liegt der aktuelle Füllstand der Gasspeicher bereits über der gesetzlichen Zielmarke von 95 Prozent, die am 1. November erreicht werden soll. Die Bundesnetzagentur verkündete, dass Deutschland unter bestimmten Bedingungen deshalb ohne eine nationale Gasmangellage durch die kalte Jahreszeit kommen könnte. Medien wie "Handelsblatt" und "Spiegel" berichteten jüngst aber, dass diese erfolgreiche Befüllung eventuell teuer erkauft worden sein könnte.
Trading Hub Europe, ein Unternehmen, das von Staat mit dem Gaseinkauf beauftragt wurde, habe durch sein Vorgehen nicht nur die Preise in die Höhe getrieben, es habe auch versäumt, sich am Terminmarkt gegen fallende Preise abzusichern - so lautet die Kritik. Was wiederum für den Steuerzahler erhebliche unnötige Mehrkosten bedeuten könne. Wie funktionieren Gashandel und Gaseinkauf? Was sagen Experten zum Vorgehen bei der Befüllung deutscher Speicher? Antworten auf einige Fragen.
Was ist Trading Hub Europe (THE)?
Die Trading Hub Europe (THE) ist als Gemeinschaftsunternehmen der deutschen Ferngasleitungs-Netzbetreiber für die Gasmarkt-Organisation im deutschen Versorgungsgebiet zuständig. Gegründet wurde das Unternehmen zum 1. Juni 2021 durch den Zusammenschluss von elf Fernleitungs-Netzbetreibern.
Aufgabe von THE ist es unter anderem dafür zu sorgen, dass im Marktgebiet Angebot und Nachfrage von Gas, das Ein- und Ausspeisen in das Netzwerk, ausbalanciert wird. THE gleicht mit sogenannter Regelenergie eventuelle Ungleichgewichte im Marktgebiet aus. THE beschafft die dafür notwendigen Gasmengen und tritt in dieser Funktion auch als Händler auf.
"Bisher hatten sie nur im Bereich Regel- beziehungsweise Ausgleichsenergie eine wichtige Rolle, das ist im Volumen nicht vergleichbar mit den Gasspeicher-Volumen", so Andreas Schröder, Branchenexperte beim Energie-Analysehaus ICIS, gegenüber tagesschau.de.
Wer sind die Akteure auf dem Gasmarkt?
Erdgas wird von den großen Gasproduzenten weit überwiegend aus dem Ausland importiert. Auf der Verkäuferseite sind Unternehmen wie beispielsweise der norwegische Konzern Qquinor, BP, Shell, OMV aktiv. In der Vergangenheit kam ein großer Teil des Gases vom russischen Gazprom-Konzern.
Diese Unternehmen liefern das Gas an die nächste Verteilerstufe, das Segment Midstream. Damit wird der Bereich des Gashandels bezeichnet, der mit Transport oder Gasspeicherung befasst ist. Zu diesen sogenannten Mittlern zählen Unternehmen wie VNG, RWE oder auch der in die Krise geratene Uniper-Konzern.
Auf der Einkaufsseite stehen schließlich örtliche Gasversorger, Stromkonzerne, Stadtwerke oder auch industrielle Abnehmer, die das Gas zur Produktion benötigen wie beispielsweise BASF oder auch kleinere Industriebetriebe.
Wie funktioniert der Handel mit Gas?
Um die Verbraucher und die Industrie mit Gas zu versorgen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Zum einen wird die Lieferung von Gas über langfristig ausgehandelte Verträge vereinbart. Sie bieten Anbietern und Abnehmern Stabilität durch Planungs- und Versorgungssicherheit über einen langen Zeitraum. "Langfristverträge sind beliebt, weil sie Großinvestitionen in Infrastruktur ermöglichen und finanziell absichern. Im LNG-Bereich decken Langfristkontrakte etwa zwei Drittel der globalen Handelsvolumina ab", erläutert Schröder. Als LNG wird Flüssigerdgas bezeichnet ("Liquefied Natural Gas").
Daneben gibt es, wie an den Finanzmärkten, noch den außerbörslichen Handel zwischen zwei Parteien, den sogenannten Over-the-Counter-Handel (OTC). Er spiele traditionell ebenfalls eine bedeutende Rolle, da er mehr Freiheiten zur Produktspezifikation zulasse als der Börsenhandel, so der Branchenexperte.
Welche Rolle spielt der Börsenhandel?
Gleichwohl hat der Börsenhandel, etwa an der EEX in Leipzig, zuletzt immer mehr an Bedeutung gewonnen. Dort können Einkäufer sowohl am Spotmarkt als auch am Terminmarkt Gas einkaufen. Auf dem Spotmarkt handeln die Marktakteure mit Gas, das physisch zur sofortigen Lieferung bestimmt ist. Bei einem Termingeschäft verpflichtet sich der Käufer hingegen, eine bestimmte Menge Gas zu einem bestimmten Preis für die Lieferung zu einem bestimmten künftigen Zeitpunkt zu kaufen. Der Verkäufer verpflichtet sich, es dann zu liefern.
Gasbörsen sollen den Marktteilnehmern dabei helfen, flexibel und schnell auf Nachfragesituationen zu reagieren - und zum Beispiel Kosten für die Speicherung zu vermeiden. Der Wettbewerb über eine Börse soll idealerweise zu einer größeren Konkurrenz zwischen den verschiedenen Anbietern führen. Wettbewerb wirkt preissenkend, so die Idee.
Welche Position hat THE auf dem deutschen Gasmarkt?
Um die Versorgungssicherheit mit Gas zu gewährleisten, hatte die Bundesregierung THE mit den nötigen Finanzen ausgestattet, um die Gasspeicher bis zum Winter so weit wie möglich zu füllen und die angestrebten Füllstände zu erreichen. Die Rede ist von bis zu 15 Milliarden Euro, die der Bund über eine Kreditlinie der Staatsbank KfW bereitgestellt hat. Dazu ist THE am Gasmarkt tätig geworden - und zwar am Spotmarkt. "Bis zum Sommer 2022 hatte THE nur eine marginale Rolle als Händler auf dem Gasmarkt", erklärt Schröder. Doch das habe sich geändert. Dass THE im großen Stil Gas einkauft, verkauft und die Gasspeicher befüllt, sei neu, so Experte Schröder. THE habe nach eigenen Angaben bis Ende September rund acht Milliarden Euro für die Befüllung der deutschen Gasspeicher bezahlt, schreibt das "Handelsblatt".
"Selbst bei hohen Preisen von über 200 Euro wurde weiter munter gekauft, schließlich war die Vorgabe, die Gasspeicher zu füllen. Versorgungssicherheit war die Priorität", sagt Schröder. Das sei so weit nachvollziehbar, meint der Branchenbeobachter. Aber das große Volumen habe wahrscheinlich den Marktpreis bewegt.
Üblicherweise führt eine große Nachfrage bei einem sinkenden Angebot zu einem steigenden Preis. Deshalb ist es wahrscheinlich, dass der Einkauf von hohen Mengen zu einem Anziehen der Preise geführt hat, die dann wiederum bezahlt werden mussten, um die Speicher den politischen Vorgaben gemäß weiter zu befüllen.
Was ist die Kritik am Gas-Einkauf?
Der Vorwurf in Richtung Bundesregierung und THE lautet, dass es versäumt wurde, die hohen Preise am Terminmarkt abzusichern. "Üblicherweise decken Speicherbetreiber bei der Einspeicherung auch die Ausspeicherung über den Verkauf von Terminkontrakten ab", erläutert Schröder. Das sei Teil der Absicherungsstrategie - das sogenannte "Hedging". "Denn man will keine offenen Positionen haben, die sich unsicher entwickeln können."
Aber genau das ist aktuell offenbar geschehen. Da der Gaspreis sowohl auf dem Spotmarkt als auch auf dem Terminmarkt zuletzt von den Höchstständen gefallen ist, würde das bedeuten, dass THE die selbst gezahlten Preise bei einem Weiterverkauf wahrscheinlich nicht realisieren könnte - wenn die Preisentwicklung sich so fortsetzt. Es entstünden Verluste.
Aktuell liegt der Gaspreis am Spotmarkt an der Leipziger Börse bei rund 60 Euro, im August hatte der Höchststand bei mehr als 300 Euro gelegen. Hätte THE schon während der Sommermonate die Ausspeicherung für den Winter abgesichert, hätten sie wohl viel höhere Einnahmen abgesichert, so Schröder gegenüber tagesschau.de.
Was sagt Trading Hub Europe dazu?
Gegenüber dem "Spiegel" wies THE-Co-Chef Torsten Frank die Vorwürfe zurück: Oberste Priorität sei zunächst gewesen, überhaupt die Speicher zu füllen. Ein Verkauf am Terminmarkt sei nun der nächste Schritt. Auch bei Termingeschäften bestehe zudem ein gewisses Verlustrisiko. Es könne schließlich sein, dass man Kontrakte zu höheren Preisen umschichten müsse, wenn man gerade selbst mehr Gas brauche, so Frank.
Wie die Speicher in Zukunft befüllt werden, könnte sich auch aus einem anderen Grund noch ändern: Denn es gibt Pläne der EU-Staaten für einen gemeinsamen europäischen Gaseinkauf. Trading Hub Europe (THE) könne dabei zum Kern einer europäischen Beschaffungsgesellschaft für Gas werden, sagte Jörg Kukies, Staatssekretär im Bundeskanzleramt, kürzlich bei einer Veranstaltung.