Wegen Geschäftspraktiken in Osteuropa EU droht Gazprom mit Milliardenstrafe
Die EU-Kommission macht Druck im Streit mit Gazprom. Brüssel leitete dem russischen Gasriesen eine formale Beschwerde zu und drohte mit einer Milliardenstrafe. Der Vorwurf: Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung.
Im Streit um die Marktdominanz von Gazprom in Mittel- und Osteuropa hat die EU-Kommission das laufende Kartellverfahren verschärft und nun eine Beschwerde formell an den Konzern übermittelt. Gazprom verletzte nach dem vorläufigen Ergebnis der Untersuchung die EU-Wettbewerbsvorschriften.
Der Konzern verfolge eine umfassende Strategie zur Abschottung der mittel- und osteuropäischen Gasmärkte, teilte die Kommission mit. Zugleich drohte Brüssel mit einer Milliardenstrafe, die zehn Prozent des Jahresumsatzes von Gazprom betragen könnte. Das Verfahren läuft bereits seit zwei Jahren.
Länder in Ost- und Mitteleuropa betroffen
Der Fall hat auch eine politische Dimension, da viele EU-Länder bei der Energieversorgung von russischem Gas abhängig sind. Nach Ansicht der EU-Kommission hat Gazprom in acht EU-Staaten den Wettbewerb behindert. Es handelt sich demnach um Bulgarien, Tschechien, Estland, Lettland, Litauen, Ungarn, Polen und die Slowakei.
"Gazprom missbraucht beherrschende Stellung"
So hätten Großkunden erworbenes Erdgas nur zum Teil in andere Länder weiterverkaufen dürfen. Mit diesen Ausfuhrverboten habe Gazprom in fünf Ländern überhöhte Preise verlangen können. Außerdem habe der russische Konzern seine Lieferung an Bulgarien und Polen von Investitionen in sein eigenes Pipelineprojekt abhängig gemacht. Die EU bezieht etwa 30 Prozent ihres Erdgases aus Russland. In manchen Ländern Osteuropas liegt die Abhängigkeit von Gazprom bei bis zu 100 Prozent.
EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager brachte die Anschuldigungen auf den Punkt: "Unserer vorläufigen Einschätzung zufolge missbraucht Gazprom seine beherrschende Stellung." Erdgas sei ein wichtiger Rohstoff im täglichen Leben, sagte Vestager. "Die Wahrung eines fairen Wettbewerbs auf den europäischen Gasmärkten ist daher von größter Bedeutung."
Gazprom weist Vorwürfe zurück
Der russische Staatskonzern wies die Vorwürfe als "unbegründet" zurück. Die vorgebrachten Einwände seien nur eine Stufe des laufenden Kartellverfahrens, hieß es in einer Mitteilung des Konzerns. Gazprom halte sich an die Gesetze jedes EU-Landes und nutze ähnliche Preisbildungsmodelle wie andere Firmen auch. Der russische Außenminister Sergej Lawrow nannte die Anschuldigungen der EU "den unakzeptablen Versuch, neueste Regeln für den Energiemarkt der Union rückwirkend auf frühere Verträge anzuwenden."
Milliardenstrafe möglich
Gazprom hat nun zwölf Wochen Zeit, um Stellung zu nehmen. Im vergangenen Jahr betrug der Umsatz von Gazprom umgerechnet etwa 70 Milliarden Euro. Das EU-Bußgeld könnte also bis zu 7 Milliarden Euro betragen. Die EU untersucht die Vorwürfe seit Ende 2011. In Gesprächen hatte der Konzern Zugeständnisse angeboten, die der EU aber nicht reichten. Die Verhandlungen waren aber seit der Ukraine-Krise unterbrochen.
Möglichen Diskussionen, mit dem Fall Gazprom versuche die EU mitten in der Krise gegenüber Russland Druck aufzubauen, trat EU-Kommissarin Vestager von entgegen: "Der Fall hat auch begonnen, bevor es irgendeine Diskussion oder Aktivität - oder wie auch immer man das nennen will - in der Ukraine oder der Krim gab."