Eine Frau sitzt in einem Büro an einem Schreibtisch.
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Urteil zu Gehaltsunterschieden Gleiche Arbeit - gleicher Lohn?

Stand: 21.02.2023 10:41 Uhr

Ein Gerichtsurteil macht es Arbeitgebern schwer, Frauen für die gleiche Arbeit schlechter zu bezahlen als Männer. Es gilt der Grundsatz gleicher Bezahlung. Wer davon abweichen will, braucht gute Argumente.

Eine Analyse von Christoph Kehlbach, ARD-Rechtsredaktion

Von einem "Meilenstein" ist in der Fachliteratur zu lesen: Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am vergangenen Donnerstag entschieden, dass Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen nicht ohne weiteres mit "besserem Verhandlungsgeschick" des Mannes begründet werden können. Arbeitnehmerinnen haben einen Anspruch darauf, für eine gleichwertige Tätigkeit auch das gleiche Gehalt zu erhalten wie ihre männlichen Kollegen.

Geklagt hatte eine Frau, die als Außendienstmitarbeiterin im Vertrieb eines Unternehmens arbeitete und dafür einen geringeren Monatslohn erhielt als ihr männlicher Kollege. Beide befanden sich auf der gleichen Position im Unternehmen und beide waren im Abstand von nur wenigen Monaten eingestellt worden. Trotzdem verdiente der Mann deutlich besser. Laut Unternehmen unter anderem deshalb, weil er "besser verhandelt" habe. Die Arbeitnehmerin klagte - mit Erfolg.

In den unteren Instanzen hatte sie zwar zunächst verloren. Aber das Bundesarbeitsgericht sprach ihr letztlich eine Gehaltsnachzahlung und eine Entschädigung wegen der erfolgten Geschlechtsdiskriminierung zu. Das Argument "besser verhandelt" zog bei Deutschlands obersten Arbeitsrichterinnen und -richtern nicht.

Bei weniger Lohn Diskriminierung vermutet

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit - unabhängig vom Geschlecht. Dieser Anspruch hat seinen Ursprung im EU-Recht. "Jeder Mitgliedstaat stellt die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sicher", heißt es im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Deutschland hat dies über entsprechende Vorschriften im Entgelttransparenzgesetz getan. Danach gilt das "Entgeltgleichheitsgebot" - bei gleichwertiger Arbeit darf wegen des Geschlechts eines (oder einer) Beschäftigten kein geringeres Entgelt gezahlt werden als bei einem (oder einer) Beschäftigten anderen Geschlechts.

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstärkt diesen Gedanken noch: Wenn Indizien auf eine Diskriminierung hindeuten, muss der Arbeitgeber beweisen, dass es andere Gründe für eine Ungleichbehandlung gibt - und nicht das Geschlecht. Das BAG stellte in seinem Urteil klar: Wenn Männer und Frauen in gleicher Position eine unterschiedlich hohe Entlohnung erhalten, wird vermutet, dass das eine verbotene Diskriminierung wegen des Geschlechts ist.

Diese Vermutung können die Arbeitgeber zwar widerlegen, allerdings ist es kein gültiger Grund, lediglich das bessere Verhandlungsgeschick des männlichen Kollegen anzuführen. Das Urteil kann große Auswirkungen auf die Entgeltgleichheit zwischen Männern und Frauen haben. Es könnte dazu beitragen, die Gehaltsverhandlungen anders zu gestalten und so die sogenannte "Gender Pay Gap" zu schließen - also die "Lücke", die zwischen der durchschnittlichen Bezahlung von Arbeitnehmerinnen und von Arbeitnehmern besteht.

Es muss objektive Gründe geben

Die hohe praktische Relevanz des Urteils aus Erfurt liegt darin, dass Arbeitgeber künftig objektive Gründe nennen müssen, wenn sie einer Frau weniger zahlen wollen als einem Mann in gleicher Position. Wäre die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts anders ausgefallen, hätte ein Verweis auf das individuelle Verhandlungsgeschick weiter ausgereicht, um das Abweichen vom Entgeltgleichheitsgebot zu begründen.

Das BAG stellt mit dem Urteil aber die Weichen dahin, dass das Gehalt im Allgemeinen weniger durch Verhandlungsgeschick bestimmt wird, sondern die Gleichbehandlung der unterschiedlichen Geschlechter stärker in den Fokus genommen wird. Eine Ungleichbehandlung in der Bezahlung von Männern und Frauen darf nur aus objektiven Kriterien erfolgen: Zum Beispiel die bessere Qualifikation oder längere Betriebszugehörigkeit von Bewerbern.

Trotzdem ist es auch künftig nicht unmöglich, dass individuelle Gehaltsunterschiede rechtmäßigerweise bestehen. Der Arbeitgeber muss dann allerdings nachvollziehbar begründen, dass er aus solchen objektiven Gründen ein unterschiedliches Gehalt zahlt. Das kann zum Beispiel auch der Fall sein, wenn er die offene Stelle nicht anders hätte besetzen können. Wie das Bundesarbeitsgericht schon 2021 entschied, kann auch eine längere Berufserfahrung des Kollegen einen objektiven Grund zur höheren Bezahlung darstellen. Es wird also künftig auch weiter auf den konkreten Einzelfall ankommen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 16. Februar 2023 um 16:00 Uhr.