Deutsche Firmen und Belarus Kritik an Geschäften mit Lukaschenko
Nicht nur der Duisburger Hafen ist seit 2018 geschäftlich eng mit Belarus verbunden. Für das Land ist Deutschland wichtiger Handelspartner. Belarusische Aktivisten fordern mehr Sensibilität im Umgang mit Menschenrechtsverletzungen.
Der Great-Stone-Industriepark liegt 25 Kilometer vor Minsk, am Flughafen der Hauptstadt. Belarus baut die Sonderwirtschaftszone zu einem Handelsumschlagplatz zwischen Ost und West aus. Für China, das Milliarden dort investiert hat, gilt der riesige High-Tech-Park als "Perle der Seidenstraße" - eine Logistikdrehscheibe, mittels derer sich das asiatische Land Absatzmärkte in Europa erschließen will. Betreiber des Parks sind chinesische Unternehmen, der belarusische Staat - und seit 2018 auch der Duisburger Hafen, der mit weniger als einem Prozent an der Entwicklungsgesellschaft beteiligt ist.
Aus der symbolischen Minderheitsbeteiligung entwickelte sich ein lukrativer Vertrag für die Duisburger. 2018 stellte Duisport einen "Masterplan Logistik" für die belarusische Regierung fertig, der - so der damalige Hafenchef Erich Staake - sehr positiv aufgenommen worden sei. Seitdem plant Duisport, zusammen mit chinesischen Unternehmen, der belarusischen Eisenbahn und der Schweizer Hupac AG, eine Schienenanbindung für den Great-Stone-Industriepark und ein Logistikterminal. Duisport ist wichtigster Gesellschafter mit 40 Prozent. Im April trafen sich der Chef der belarussischen Eisenbahnen, Wladimir Morozow, und Staake zu einem Video-Gespräch, um den Stand des Projekts zu besprechen.
Duisport prüft Ausstieg aus Verträgen
"Zum Zeitpunkt der Investition befanden sich die EU und Deutschland in einem konstruktiven Dialog mit Belarus", erklärt die Duisport AG auf Nachfrage, warum sie sich 2018 in Minsk engagierte. Der Verlauf der Seidenstraße verdeutliche die Bedeutung des Landes als zentrales Transitland für Zugverbindungen zwischen Europa, China und Zentralasien. Die politischen Umstände hätten den Zugverkehr der Seidenstraße nicht beeinträchtigt.
Tatsächlich rollen immer mehr Züge - ungeachtet aller diplomatischen Verstimmungen. Corona hat die Zugfracht noch attraktiver gemacht, da der Preis für Luftfracht gestiegen ist und weniger Schiffe verkehren. Der belarusische Botschafter in China sprach von 25 Prozent mehr Containern 2020 im Vergleich zum Vorjahr - und das, obwohl 2020 ein schwieriges Jahr für den Handel gewesen sei.
Soll den Chinesen den Zugang zu europäischen Märkten erleichtern: Der Great-Stone-Industriepark bei Minsk.
Möglicher Ausstieg wird geprüft
"Natürlich können wir Bedenken bezüglich unseres Engagements in Belarus nachvollziehen. Insbesondere angesichts der Entwicklung seit den Wahlen im August 2020", erklärt Duisport auf Anfrage. Die Entwicklung sei aber zum Zeitpunkt des Engagements nicht absehbar gewesen.
Im Mai sahen die Duisburger noch keinen Anlass, auf die Ereignisse in Belarus zu reagieren. Die nordrhein-westfälische Landesregierung, der der Hafen zu zwei Dritteln gehört, und die Stadt Duisburg präzisieren nun: "Der Aufsichtsratsvorsitzende hat im Juni veranlasst zu prüfen, ob und falls ja, wie ein Ausstieg aus den laufenden Verträgen zur Beteiligung am Logistikpark Great Stone in Weißrussland vollzogen werden kann. Die Prüfung ist noch nicht abgeschlossen."
Die belarusische Opposition wirft ausländischen Unternehmen immer wieder vor, vor allem mit Handelsbeziehungen zu staatlichen Firmen das Regime vom Alexander Lukaschenko zu stützen. Für Belarus gehört Deutschland zu den fünf wichtigsten Handelspartnern. Bei Importen ins Land belegt Deutschland den dritten Platz. Bei Exporten ist Deutschland fünftgrößter Abnehmer.
Werbespots im Staatsfernsehen meist von westlichen Firmen
Die deutsch-schweizerische Menschenrechtsorganisation Libereco hat eine Woche lang im Juli die Werbeblöcke der drei staatlichen Fernsehsender in Belarus beobachtet und ausgewertet. Fast zwei Drittel der Werbespots entfielen auf westliche Unternehmen: Nestle, Procter&Gamble, Henkel oder Dr. Theiss Naturwaren. "Direkt vor und nach den sogenannten Nachrichten wird für westliche Produkte geworben. Wir wollen, dass es EU-Unternehmen untersagt wird, in belarusischen Staatsmedien zu werben. Weil sie damit direkt Regimepropaganda unterstützen", sagt Marco Fieber von Libereco.
Und Fälle wie Duisport? "Als deutsches Unternehmen - erst recht, wenn man einem Bundesland und einer Stadt gehört - hat man einen Hebel, um die Lage vor Ort nicht eskalieren zu lassen: Man kann einen Forderungskatalog schicken, der darauf besteht, dass streikende oder protestierende belarussische Mitarbeiter nicht entlassen werden. Dass Arbeiter mit weißen Bändchen am Arm nicht verhaftet und verurteilt werden", sagt Fieber.
"Diese Forderungen müssen vom belarusischen Geschäftspartner unterschrieben werden. Die Unternehmen spielen es oft herunter, dass sie diese Möglichkeit haben. Sie sagen uns: Was wir machen, ist legal. Unser Partner steht nicht auf einer Sanktionsliste. 'Legal' stimmt natürlich - aber es ist moralisch verwerflich, nicht auf Menschenrechtsverbrechen hinzuweisen."
Mahnwachen und Briefe an die Firmen
Ähnliche Erfahrungen haben belarusische Aktivisten in Deutschland gemacht. Als sie mit Mahnwachen und Briefen an fast vierzig deutsche Unternehmen herantraten, erhielten sie oftmals keine oder nur allgemeine, ausweichende Antworten.
"Die Zigarettenproduktion und der Schmuggel ist ein lukratives Geschäft für den Lukaschenko-Clan. Das ist sein Geldbeutel sozusagen", erklärt Dimitrij, der für die belarussische Volksbotschaft tätig ist, eine alternative Vertretung der Belarussen in der Diaspora.
Es werden neue Fabriken gebaut. Wir haben die deutschen Tabakmaschinen-Hersteller Körber AG und Hauni Maschinenbau GmbH angeschrieben, die Maschinen nach Belarus liefern. Wir haben die Deutschen darauf hingewiesen, dass der Geheimdienst KGB auf viele protestierende Tabakarbeiter Druck ausübte. Dass sie Willkür ausgesetzt waren und zur Strafe Steine sammeln oder Netze flicken mussten - wir haben Belege dafür. Wir haben ihnen erklärt, dass das Streikrecht in Belarus nicht gewährt wird und unabhängige Gewerkschaften nicht existieren. Dass Arbeiter für den kleinsten Protest entlassen werden und Druck auf ihre Familien ausgeübt wird.
Aber an den Antworten der Unternehmen werde deutlich, dass sie sich nicht wirklich für das Thema interessierten, sagt Dimitrij. "Nur deswegen werde man keine Geschäfte unterbrechen oder reduzieren - sofern der belarusische Partner nicht auf einer Sanktionsliste stehe."
Was ändert das Lieferkettengesetz?
Annelen Micus von Amnesty Deutschland sieht eine besondere Verantwortung von Unternehmen, wenn die Menschenrechtssituation so gravierend ist wie in Belarus. Zwar tritt das Lieferkettengesetz, das genau in solchen Fällen wirken soll, erst 2023 in Kraft. Aber die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte verpflichten die Unternehmen, regelmäßig zu prüfen, ob ihre Tätigkeit - sowohl der eigene Geschäftsbereich als auch die Kooperation mit Zulieferern und Kooperationspartnern - von Menschenrechtsverletzungen betroffen ist. Die Unternehmen dürften nicht dazu beitragen, dass Angestellte, die Teil der Protestbewegung sind, verhaftet und verfolgt werden.
"Auch wenn es nur 'weiche' Leitlinien sind, die keine Behörde überprüft: Die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht mit Risikoanalyse, Präventionsmaßnahmen und Wiedergutmachung muss auch jetzt schon eingehalten werden", erklärt die Amnesty-Expertin für Wirtschaft und Menschenrechte. "Natürlich sehen wir: Auch wenn es konkrete Vorwürfe von Aktivisten, Organisationen und Medien gibt und die Unternehmen informiert sind und wissen, was sie tun können, passiert oft nichts. In diesen Fällen wird das neue Lieferkettengesetz hoffentlich bald mehr Sensibilisierung und Durchsetzungsmöglichkeiten bewirken."