Industriegewerkschaft IG Metall plant Doppelspitze
Deutschlands größte Einzelgewerkschaft IG Metall hat im Tarifkampf des vergangenen Jahres wieder neue Mitglieder gewonnen. Nun muss sie ihre Führungsspitze neu aufstellen.
Nachdem die Industriegewerkschaft Metall 2022 einen auf zwei Jahre angelegten Tarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie ausgehandelt hat, wird sie sich dieses Jahr stark mit internen Fragen befassen. Das wurde bei der Jahrespressekonferenz der Gewerkschaftsspitze in Frankfurt am Main deutlich. Aus der Frankfurter Gewerkschaftszentrale und den sieben Bezirksleitungen soll Personal auf regionale Geschäftsstellen versetzt werden. Der hauptamtliche Vorstand soll verkleinert werden. Eine Doppelspitze ist geplant.
Üblicherweise folgt der Zweite Vorsitzende der IG Metall dem Ersten Vorsitzenden im Amt. Nach acht Jahren zieht sich Gewerkschaftschef Jörg Hofmann im Oktober zurück. Mit Christiane Benner hat die IG Metall derzeit erstmals eine Zweite Vorsitzende. Sie lässt keinen Zweifel an ihrem Wunsch zur Führung.
Hofmann berichtete über interne Diskussionen in der männlich geprägten Gewerkschaft, zwei gleichrangige Vorsitzende zu wählen. Die Unterscheidung "Erste" oder "Erster" und "Zweite/ Zweiter" soll fallen. Man könne "das Lametta streichen" und künftig zu einem "gleichberechtigten Miteinander der Vorsitzenden" kommen, sagte Hofmann. Es geht nicht nur um Lametta: "Traditionell gab es durchaus eine Hierarchie der Verantwortungsbereiche", bestätigte Hofmann. In der Bezahlung seien er und Benner aber schon jetzt gleichgestellt.
Auch Techniker und Ingenieure treten ein
Unter Corona hatte die IG Metall Mitglieder verloren, doch während des Tarifkampfes im vergangenen Jahr gelang es, rund fünf Prozent neue Mitglieder zu gewinnen. Die Gewerkschaft hat damit nun wieder fast 2,2 Millionen Mitglieder. Durch Homeoffice, Arbeit im Ausland und immer mehr Hochqualifizierte findet Gewerkschaftsarbeit immer weniger in Werkshallen und am Band statt. Jahrzehntelang versuchte die IG Metall erfolglos, die Schicht der Angestellten zu erschließen. Aktuell ist es gelungen.
Benner berichtete von 32.000 Kaufleuten, Computerfachleuten, Technikern und Ingenieuren, die 2022 eingetreten seien. Beim Softwareriesen SAP sei sehr erfolgreich geworben worden, aber auch in klassischen Metallunternehmen, etwa im Bezirk Küste und bei BMW.
"Wir haben noch viel Potential"
"Wir werden uns nicht mit einer schrumpfenden IG Metall zufriedengeben", sagte der Vorsitzende Hofmann. "Wir haben einen guten Organisationsgrad, aber wir haben noch viel Potential". Basisnahe Arbeit "machen wir nicht in Frankfurt in der Vorstandsverwaltung". "Die Betriebsräte und Betriebsrätinnen sind das Gesicht der IG Metall", betonte Hofmann. Um enger mit der Mitgliedschaft in Unternehmen zu arbeiten, will er Personal in die 150 Lokalbüros der Gewerkschaft versetzen.
Der Vorstand soll auf fünf Hauptamtliche reduziert werden. Bisher hat die Gewerkschaft einen siebenköpfigen hauptamtlichen Vorstand, der in Büros arbeitet, die imposanter sind als die von Vorständen manch benachbarter Großbank. Das Gewerkschaftsmanagement hat sich seit Jahren von alten klassenkämpferischen Parolen abgewandt und verfolgt eine pragmatische Politik.
Linker Flügel mit einem Vorstand
An der Basis und im Bildungswesen der Gewerkschaft spielen "linke" Überzeugungen aber noch eine große Rolle. Vor zwanzig Jahren waren Pragmatiker und Linke in einem Führungskampf zwischen Jürgen Peters und Berthold Huber noch in aller Öffentlichkeit aufeinandergetroffen. Bis heute hat der linke Flügel mit Hans-Jürgen Urban einen Vertreter im hauptamtlichen Gewerkschaftsvorstand.
"Die IG Metall ist über dieses Denkniveau hinausgewachsen", betont Hofmann. Ein kleinerer hauptamtlicher Vorstand "hilft auch, das ein oder andere Silodenken aufzubrechen". Es helfe, das Teamdenken zu fördern. "Wir können nicht Flügel zum Ausgangspunkt von Führungsentscheidungen machen", sagte der Gewerkschaftsvorsitzende. Schließlich handele es sich bei der IG Metall um eine Einheitsgewerkschaft, deren Mitgliedschaft aus allen demokratischen Parteien komme.
Drei kleinere Tarifrunden
Dieses Jahr stehen für die IG Metall drei kleinere Tarifrunden an. Zunächst wird für die Textilindustrie verhandelt, für die die IG Metall seit Übernahme der früheren "Gewerkschaft Textil und Bekleidung" vor 25 Jahren zuständig ist. Das Autohandwerk und die Stahlindustrie folgen.
Es gehe vor allem um mehr Geld, wenn auch die Inflation nicht komplett durch Tariferhöhungen ausgeglichen werden könne, so die Gewerkschaft. Hofmann kündigte an, sich am jüngsten Abschluss der Metall- und Elektroindustrie zu orientieren. Der sieht acht Monate ohne Erhöhung, dann 5,2 Prozent und nach elf Monaten weitere 3,3 Prozent Lohnerhöhung sowie zwei steuerfreie Einmalzahlungen von je 1500 Euro vor.