EU verlängert Zulassung Wie weiter mit Glyphosat in Deutschland?
Landwirtschaftsminister Özdemir will gegen die weitere Zulassung von Glyphosat vorgehen. Viele Optionen bleiben ihm dabei aber nicht, wenn er eine Klagewelle vermeiden will.
Es hatte schon etwas Bizarres. Ausgerechnet an dem Tag, an dem Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) seine Bio-Strategie vorstellt, beschließt die EU-Kommission, dass der umstrittene Unkrautvernichter Glyphosat weitere zehn Jahre in der EU angewendet werden darf.
Das ist ein herber Schlag für den Minister und die Grünen. Seit Jahren kämpfen sie für ein Verbot des Breitbandherbizides. Özdemir kündigte deshalb auch umgehend an, nun alles zu prüfen und schloss dabei weder ein nationales Verbot noch strengere Regeln zum Umgang mit Glyphosat aus.
Bei nationalem Verbot droht Klagewelle
Doch ein nationaler Alleingang dürfte schwierig werden. Zwar erließ schon Özdemirs CDU-Vorgängerin Julia Klöckner ein Verbot von Glyphosat ab 2024 und wollte dieses sogar unabhängig von einer weiteren Zulassung auf EU-Ebene durchsetzen. Fraglich ist aber, ob das vor Gericht standhält. Immerhin bestimmt eine EU-Verordnung, welche Pflanzenschutzmittel in den Mitgliedsstaaten eingesetzt werden dürfen.
Allerdings gibt es in dieser EU-Verordnung ein Schlupfloch. Danach kann ein Mitgliedsstaat die Zulassung eines Pflanzenschutzmittels in seinem Gebiet trotz EU-Zulassung auch verweigern. Aber dafür braucht es gute Argumente. So müsste Deutschland etwa nachweisen, warum Glyphosat etwa auf Feldern in Brandenburg links der Oder ein höheres Risiko für Mensch und Natur darstellt als auf polnischen Feldern rechts der Oder.
Luxemburg hatte es bereits auf diesem Weg versucht, war damit aber vor dem höchsten Verwaltungsgericht im Land gescheitert. Sollte nun Deutschland die Anwendung von Glyphosat hierzulande verbieten, obwohl es laut EU-Recht zugelassen ist, würde es wohl Klagen von mehreren Seiten hageln.
Bayer klagte gegen luxemburgischen Alleingang
Gegen das luxemburgische Glyphosat-Verbot hatte einer der weltweit größten Produzenten des Pflanzenschutzmittels geklagt, die Bayer AG. Im vergangenen Jahr verdiente der Konzern allein mit seiner Landwirtschaftssparte mehr als 25 Milliarden Euro. Zu dem Rekordergebnis trug besonders das Herbizidgeschäft bei. Im Vergleich zum Vorjahr konnte Bayer den Umsatz um satte 44 Prozent steigern. Als Grund nennt das Unternehmen "Preissteigerungen aufgrund von Versorgungsengpässen für glyphosathaltige Produkte" unter anderem im europäischen Markt.
Auf der anderen Seite würden wohl auch konventionelle Landwirt vor Gericht ziehen. Viele schwören auf Glyphosat und sehen aktuell keine Alternativen dazu. So hatte sich unter anderem der Deutsche Bauernverband auch gegen ein Verbot in der Europäischen Union ausgesprochen und vor Wettbewerbsnachteilen für EU-Landwirte gewarnt. Ein deutscher Alleingang könnte gleichsam als Nachteil im europäischen Konkurrenzkampf gesehen werden.
Özdemir kann Einsatz beschränken
Handlungsspielraum hat der Landwirtschaftsminister jedoch bei der Ausgestaltung der Pflanzenschutzanwendungsverordnung. Diese verbietet schon jetzt den Einsatz von Glyphosat in Wasserschutz- oder Naturschutzgebieten. Zudem ist dort geregelt, dass das Herbizid nur im Abstand von zehn Metern zu Gewässern genutzt werden darf. Diese Regeln könnte Özdemir noch weiter verschärfen und Ausnahmen streichen.
Das ginge auch ohne die Zustimmung der FDP. Laut Pflanzenschutzgesetz muss sich Özdemir im Kabinett nur mit seinen Parteifreunden, Umweltministerin Steffi Lemke und Wirtschaftsminister Robert Habeck, sowie mit den Ministern Hubertus Heil und Karl Lauterbach von der SPD abstimmen, um die Verordnung zu ändern. Deutlich schwieriger dürfte da die Zustimmung im Bundesrat vor allem von Seiten der Union werden.
Dabei hatte die Länderkammer vor vier Jahren das von Klöckner initiierte Glyphosat-Verbot sogar befürwortet. Seitdem hat sich die Haltung der Union aber deutlich verändert. Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Steffen Bilger, fordert den Bundeslandwirtschaftsminister sogar dazu auf, das von der eigenen CDU-geführten Bundesregierung erlassene Glyphosat-Verbot wieder außer Kraft zu setzen.
Kooperation auf EU-Ebene
Bei der Suche nach Lösungen scheint Özdemir auch auf seine europäischen Partner zu hoffen. Immer wieder betont er die enge Abstimmung mit Frankreich. Die französische Regierung hatte sich ebenso wie die deutsche enthalten, als sich im Berufungsausschuss keine Mehrheit für den Vorschlag der EU-Kommission fand, Glyphosat zehn weitere Jahre zuzulassen. Die Ampel-Koalition war sich in dieser Frage offensichtlich nicht einig.
Dass sich die Kommission über die fehlende Mehrheit hinwegsetzte, dürfte nicht nur von den Franzosen als Affront aufgefasst werden. Auch Italien, Belgien, Bulgarien, Malta und die Niederlande enthielten sich. Österreich, Kroatien und Luxemburg stimmten sogar dagegen. Özdemir hat deshalb angekündigt, beim Umgang mit Glyphosat über die nationalen Grenzen hinaus zu schauen.