Entscheidung in Brüssel Die Liste aus Athen ist da
Jetzt ist sie wirklich in Brüssel angekommen: die Liste aus Athen, mit der die griechische Regierung erklärt, mit welchen Reformen sie die Geldgeber zufriedenstellen und ihre Wahlversprechen halten will. Das teilte die EU-Kommission mit.
Von Andreas Meyer-Feist, HR-Hörfunkstudio Brüssel
Wann kommt sie denn nun endlich? Die Sprecherin der EU-Kommission, Mina Andreeva musste sich diese Frage gestern unzählige Male anhören und gab immer wieder die gleiche Antwort: "Wir haben noch keine Liste bekommen!" Eigentlich sollte sie schon gestern da sein, eine Liste mit Plänen und Ideen, wie die griechische Regierung den Verpflichtungen der Geldgeber nachkommen will - die Voraussetzung, um das Hilfsprogramm für Griechenland zu verlängern und erfolgreich abzuschließen: "Sie haben Zeit bis Mitternacht."
Aber auch bis Mitternacht lag in Brüssel noch nichts vor. Erst am frühen Morgen kam sie an, die Liste, die Griechenland vor der Pleite retten soll. Sie ist bestimmt für die Finanzminister der Euro-Zone. Bis zuletzt wurde offenbar an Formulierungen gefeilt, in Athen und in Brüssel. Einiges sickerte durch: So habe Athen an einigen sozialen Maßnahmen festhalten wollen, die im Wahlkampf versprochen wurden und viel Geld kosten: zum Beispiel Sonderzuschüsse für ärmere Rentner. Der Mindestlohn soll angehoben werden.
Bedenken in Brüssel
Vor allem gegen Letzteres gab es Bedenken in Brüssel. Die Wettbewerbsfähigkeit Griechenlands könnte weiter unter Druck geraten. Im Gegenzug hatte Athen "strukturelle Reformen" angeboten, um die Steuereinnahmen zu verbessern. Bürokratie soll abgebaut, Steuerflucht und Korruption sollen ebenso bekämpft werden wie Benzin- und Zigarettenschmuggel.
Unklar bleibt, ob diese Absichtserklärungen den "Institutionen", also der ehemaligen Troika, ausreichen, um das Hilfsprogramm erfolgreich abschließen und die restlichen Summen aus diesem Programm bis Ende Juni auszahlen zu können. Heute sollen sich Experten der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank und des Internationalen Währungsfonds über die Liste beugen. Am Nachmittag wollen die EU-Finanzminister in einer Telefonkonferenz entscheiden, ob die Reformpläne den Anforderungen der Geldgeber genügen. Wenn nicht, soll kurzfristig noch einmal ein Finanzministertreffen in Brüssel stattfinden.
Heute: EU-Kommission, die Europäische Zentralbank und der Internationale Währungsfonds wollen bis heute Abend die von Griechenland vorgelegte Liste endgültig bewerten. Wenn die drei das Papier billigen, kann eine viermonatige Verlängerung des aktuellen Hilfsprogramms der Europäer offiziell beschlossen werden - voraussichtlich in einer Telefonkonferenz der Finanzminister. In Ländern wie Deutschland muss auch das Parlament zustimmen.
Freitag, 27. Februar: In einigen Ländern müssen die nationalen Parlamente zustimmen. Die Abstimmung im Bundestag könnte am Freitagvormittag stattfinden.
Samstag, 28. Februar: Eigentlich wäre das schon einmal verlängerte Programm ausgelaufen. Wenn alles bewilligt wird, soll das aktuelle Hilfsprogramm um vier Monate bis Ende Juni verlängert werden.
Bis Ende April: Die griechische Regierung muss bis dahin eine endgültige Aufstellung ihrer Reformpläne vorlegen.
Erster Entwurf wohl nicht zufriedenstellend
Einen ersten Entwurf soll der griechische Regierungschef Alexis Tsipras schon gestern nach Brüssel geschickt haben. Offenbar nicht zur Zufriedenheit der Empfänger. Anschließend gab es Beistand und Formulierungshilfen, Entwürfe wurden zwischen Athen und Brüssel hin- und hergeschickt. Für EU-Kommissionssprecherin Mina Andreeva "ein üblicher Vorgang". Griechenlands Finanzminister Yanis Varoufakis hatte noch nach dem letzten Euro-Finanzministertreffen am Freitagabend verkündet, die Liste werde am Montag verschickt: "Wenn sie nicht funktioniert, werden unsere Bürger und die restliche Eurozone die Konsequenzen tragen müssen", sagte er da.
Die Zeit wird knapp. In einigen Euro-Staaten müssen die Parlamente abschließend grünes Licht geben für eine Verlängerung des Hilfsprogramms: "Es wird schwer genug sein, den Bundestag zu überzeugen", hatte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble schon am Freitagabend erklärt.
Nicht die letzte Liste
Die jetzt vorzulegende Liste wird nicht die letzte sein. Ob Griechenlands Pläne finanziell tragfähig sind, soll abschließend erst im April geklärt werden. Erst dann muss Athen beweisen, dass angekündigte Reformschritte auch beschlossen wurden und in Kraft getreten sind. Erst dann sollen die restlichen Tranchen aus dem Hilfsprogramm überwiesen werden. Die "vorläufige" Liste, die jetzt geprüft wird und Grundlage für die prinzipielle Verlängerung des Hilfsprogrammes ist, ist also auch ein Entgegenkommen an Griechenland. Geld aus dem Hilfsprogramm fließt aber erst nach einem "erfolgreichen Abschluss", betonte Schäuble. Wichtig ist die Entscheidung dennoch für Athen.
Ein positives Votum der "Institutionen" (früher "Troika") eröffnet Griechenland sofort neue finanzielle Spielräume über die Europäische Zentralbank EZB. Ohne positive Entscheidung läuft das Hilfsprogramm aus, und auch die EZB dürfte dann keine Möglichkeit mehr sehen, Griechenland schnell mit dem Ankauf weiterer Staatsanleihen oder Finanzspritzen für die griechischen Banken zu helfen, um das Land vor der Pleite zu bewahren.