Athens Finanzlage spitzt sich zu Wann geht den Griechen das Geld aus?
Bei einem Unternehmen würde man von Insolvenzgefahr sprechen: Die griechische Haushaltslage wird immer prekärer, inzwischen zapft die Regierung sogar die Rentenkasse an, um liquide zu bleiben. Wie lange hält Athen noch durch? Und zahlt die EU jetzt doch?
Ob die Geschichte nun stimmt oder nicht - allein die Tatsache, dass ihr eine solche Bedeutung beigemessen wird, zeigt, wie prekär die Lage ist.
Angeblich nämlich, so schrieb die "Süddeutsche Zeitung", richtete Griechenlands Premier Alexis Tsipras am Donnerstag einen Hilferuf an EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Schon am Freitag müsse man sich treffen. Nein, stimmt nicht, dementierte die Athener Regierung, Tsipras habe nicht um einen Termin vor Montag gebeten. Freitag? Montag? Geht es jetzt tatsächlich schon um Tage?
Kommt Griechenland über den März?
Die Anzeichen verdichten sich, dass die griechische Haushaltslage dramatischer ist als ohnehin bekannt. Wie die Nachrichtenagentur "Bloomberg" errechnet hat, müssen die Hellenen innerhalb der ersten drei März-Wochen Schulden und Zinsen in Höhe von rund 6,5 Milliarden Euro bedienen. Darüber hinaus klaffe im Etat eine Liquiditätslücke von 2,1 Milliarden Euro, die sich, vereinfacht gesagt, daraus ergibt, dass die laufenden Steuereinnahmen nicht reichen, um die laufenden Staatsausgaben zu decken.
Zurzeit hangelt sich Finanzminister Yanis Varoufakis offenbar von Woche zu Woche - um nicht zu sagen: von Tag zu Tag. Wie es diese Woche in Athen hieß, blieb die griechische Regierung im Februar erstmals Staatsbediensteten Gehalt schuldig. Hilfslehrer seien zum Beispiel nicht mehr bezahlt worden, berichtete die "SZ". Zudem bedient sich Varoufakis offenbar bei öffentlichen Institutionen. So habe er sich Geld aus der Rentenkasse geliehen, sagt ARD-Korrespondent Thomas Bormann.
Am Donnerstag immerhin spülte eine Auktion kurzfristiger Staatsanleihen rund 1,14 Milliarden Euro in die Kasse. Bezeichnend jedoch: Ein Großteil der Papiere ging an griechische Banken, die ihrerseits nur so lange überleben, wie die Regierung zahlungsfähig bleibt. Heute schließlich floss rund ein Viertel dieser Summe gleich wieder ab. Athen musste nämlich eine 310-Millionen-Euro-Kreditrate an den Internationalen Währungsfonds zurückzahlen.
Rechte Tasche, linke Tasche - mag sein, dass Athen dieses Spielchen noch ein paar Wochen weiterspielen kann. Sicher ist es nicht. Denn: Die griechische Wirtschaft, die sich zwischenzeitlich zumindest ein wenig zu erholen schien, leidet inzwischen sichtlich unter der seit Monaten grassierenden Unsicherheit. Das Inlandsprodukt soll im Schlussquartal 2014 geschrumpft sein - nach zuvor immerhin drei Plusquartalen. Und im Dezember stieg die Arbeitslosigkeit leicht an, nachdem sie zuvor 14 Monate in Serie gesunken war. Das drückt auf die Steuereinnahmen, die im Januar 217 Millionen Euro hinter den Planungen zurückblieben. Hinzu kommt: "Viele Griechen", so berichtet ARD-Korrespondent Bormann, "zahlen beispielsweise die so genannte Immobiliensteuer nicht mehr, weil die neue Regierung in Aussicht gestellt hatte, diese Steuer zu reformieren."
Athen bekam Zeit bis Ende April - aber bleibt so viel Zeit?
Im Februar hieß es noch, die Griechen bekämen Zeit bis Ende April, um ein neues Reformprogramm auszuarbeiten - und im Gegenzug die ausstehenden Hilfsgelder in Höhe von 7,2 Milliarden Euro zu erhalten. Doch bleibt überhaupt noch so viel Zeit?
Am Morgen kam Griechenlands Premier Alexis Tsipras zu einer Dringlichkeitssitzung mit Notenbankchef Ioannis Stournaras zusammen. Später stieß laut griechischem Fernsehen auch Varoufakis dazu. Das Trio arbeitete an einer Sofort-Reformliste, die am Mittag gen Brüssel geschickt wurde, rechtzeitig vor dem nächsten Treffen der Euro-Finanzminister am Montag. Die "Financial Times" machte die Liste am Nachmittag öffentlich. Sie enthält unter anderem den Vorschlag, das der Staat Privatleute als Testkäufer anheuert, um in Restaurants und Geschäften Steuerhinterziehern auf die Schliche zu kommen.
Die Hoffnung der Griechen ist: Wenn die Euro-Länder die Reformvorschläge für ausreichend halten, könnte ein Teil der ausstehenden Hilfen eventuell sofort fließen. Das wiederum gäbe auch der Europäischen Zentralbank die Möglichkeit, ihre Liquiditätshilfen für die griechischen Banken wieder hochzufahren. Die EZB sei dazu bereit, betonte ihr Chef Mario Draghi am Donnerstag in der zyprischen Hauptstadt Nikosia - allerdings nur bei entsprechenden Reformschritten.
Und was, wenn Griechenland und seine Gläubiger zeitnah keine Lösung finden? Dann will Athen offenbar eine Art Erpressungs-Strategie fahren: Dem "Spiegel" sagte Tsipras laut Vorabbericht, seine Regierung werde die sich abzeichnende Finanzierungslücke notfalls mit der Emission weiterer kurzfristiger Anleihen schließen - obwohl die EZB das eigentlich untersagt hat. "Dann kehrt der Thriller zurück", sagte Tsipras. "Die EZB hält immer noch das Seil, das um unseren Hals liegt."