Griechenland Freier Finanzmarkt wird Gradmesser
Das Spardiktat der Geldgeber hat den Griechen einiges abverlangt. Ob sich das nun ändert, hängt vor allem vom Vertrauen der Märkte ab. Denn dort muss sich das Land nun selbständig Kredite besorgen.
Für die meisten Griechen wird dieser August 2018 vorübergehen, ohne dass sie vom Auslaufen der Milliarden-Hilfe für ihr Land wirklich etwas mitbekommen. Nicht nur, weil der August der traditionelle Urlaubsmonat in Griechenland ist.
Ein Großteil der Bevölkerung hat von der Hilfe nie etwas gespürt und musste in den vergangenen knapp zehn Jahren vieles ertragen, damit all die Rettungsprogramme überhaupt so lange genehmigt wurden: Immer wieder Kürzungen bei Löhnen und Renten, Versorgungslücken selbst in Krankenhäusern - dazu Steuererhöhungen und eine Arbeitslosigkeit, die sich auf EU-Rekordniveau eingependelt hat.
"Die Regierung will, dass wir früh sterben"
Die meisten Menschen in Griechenland ertragen es still und frustriert. Kostas Panidis, ein Rentner in Athen, kann aber nicht stillhalten: "Die linke Regierung hat uns verarscht, unser Leben wurde in Fetzen gerissen", sagt Panidis. "Wir können nicht mal unseren Kindern helfen. Wir sind mit einer ehrwürdigen Pension in den Ruhestand gegangen und haben geglaubt, davon auch gut leben zu können. Aber leider will die Regierung, dass wir möglichst früher sterben."
Andere wie der Start-Up-Unternehmer Stavros Tsombanidis aus Patras bleiben optimistisch. Er sagt, das Zähne-Zusammenbeißen könne am Ende doch Erfolg haben: "Wir haben alles in unserem Kopf. Wir müssen aber auch handeln." Und wenn in den nächsten fünf Jahren nicht gehandelt würde, würde es immer weiter die gleichen Klagen geben, "dass es Griechenland schlecht geht, wir keine Jobs haben, und keine wirtschaftliche Entwicklung".
Schwaches Wachstum, befriedigender Primärüberschuss
Menschen wie Tsombanidis machen Hoffnung auf bessere Zeiten. Er hat ein Design-Unternehmen gegründet - mit immerhin fünf festen Arbeitsplätzen. Ein kleiner Beitrag zum Wirtschaftswachstum in Griechenland. Mit Unternehmern wie ihm kann das Land auch bei seinen Geldgebern punkten - auch wenn das Wachstum mit kaum mehr als einem Prozent nur schwach ist.
Wichtiger als diese Zahl ist aus Sicht der Kontrolleure von Europäischer Zentralbank und EU-Kommission der Überschuss, den Griechenland wieder erwirtschaftet. Der sogenannte Primärüberschuss, bei dem der hohe Schuldenberg von mehr als 330 Milliarden Euro nicht berücksichtige wird. Dieser Primärüberschuss liegt momentan sogar etwas über den von den Geldgebern verlangten 3,5 Prozent.
Vertrauen der Finanzmärkte entscheidend
Eine spannende Frage für die griechische Regierung wie für die Kontrolleure der Kreditgeber ist, ob es Griechenland gelingt, auf dem freien Finanzmarkt neues Kapital zu halbwegs erschwinglichen Zinsen zu bekommen. Zur Sicherheit hat die Regierung unter Ministerpräsident Alexis Tsipras ein finanzielles Polster in Milliarden-Höhe angelegt - allerdings wieder auf dem Rücken der Bevölkerung, indem beispielsweise die Jüngeren unter den Rentnern nur einen Teil ihrer Bezüge ausgezahlt bekommen.
Der Athener Investigativ-Journalist Tasos Tolloglou bleibt für die kommenden Monate pessimistisch und sagt, Milliarden-Kredite zu günstigen Zinsen vom freien Markt seien unwahrscheinlich: "Ich sehe nicht, dass Griechenland sich selbstständig vom Markt Geld leihen kann." Denn bis August dürfte sich das Land kaum das Vertrauen der Märkte zurückgeholt haben.
Und auch der Finanzökonom Jens Bastian, der als Berater seit fast 20 Jahren in Griechenland lebt, meint, dass Griechenland auch nach diesem 20. August eines der großen Sorgenkinder Europas bleiben dürfte: "Die Steuerschulden der Bürger und der Privatunternehmen gegenüber dem Staat steigen monatlich kontinuierlich. Die Kreditversorgung der Realwirtschaft ist weiterhin negativ. Deswegen bin ich der Meinung, dass das Fundament, auf dem Griechenland steht, wenn es am 20. August das Programm offiziell beendet, ein sehr dünnes ist."