Hilferuf in der Schuldenkrise Wer Athen in die Knie zwang - und wer bezahlt
Weil die Refinanzierung auf den Finanzmärkten zu teuer geworden ist, muss Griechenland die Waffen strecken und EU-Hilfen beantragen. Nicht nur die zerrütteten Staatsfinanzen haben das Land so weit gebracht, auch Spekulanten haben die Krise verschärft. Bezahlen muss das auch der deutsche Steuerzahler.
Von Klaus-Rainer Jackisch, HR Frankfurt
In New York feiern sich einige Hedge-Fonds-Manager derzeit in Sektlaune: Kürzlich trafen sie sich an einer noblen Adresse der US-Metropole zum Defilee - um zu debattieren, wie man den Euro durch die Griechenland-Krise am besten in die Knie zwingt. Das hat sich ausgezahlt: Binnen weniger Wochen ist es ihnen gelungen, durch immer neue Gerüchte und Spekulationen über die ohnehin marode Lage in Griechenland Athen sturmreif zu schießen. Jetzt blieb Hellas nichts anderes übrig, als zu kapitulieren. Damit haben die Spekulanten das geschafft, was sie wollten - die Situation so zuzuspitzen, dass die Europäische Union nun Staatshilfen zahlen muss und der Euro kräftig an Wert verliert.
Für die Investoren bedeutet das sprudelnde Gewinne. Denn mit entsprechenden Termingeschäften hatten sie vorher auf fallende Eurokurse gesetzt. Jetzt haben sie die Gemeinschaftswährung bald da, wo sie sie haben wollen: Zeitweise notierte der Euro nur noch bei etwa 1,32 Dollar - ein Verlust seit dem Hoch von Ende November 2009 von fast dreizehn Prozent. Und ein Riesengewinn für die Spekulanten, die auf diese tiefen Kurse gewettet hatten und nun den Reibach machen.
Überreaktion der Märkte
"Es ist eine massive Spekulation auf die Zahlungsunfähigkeit Griechenlands im Gang", sagt etwa der Chefvolkswirt des Bankhauses HSBC Trinkhaus. Mit dem Ziel, den Euro unter Druck zu setzen. Immer wieder hätten die Spekulanten falsche Gerüchte gestreut, um ihre Ziel zu erreichen, sagt auch der angesehene Marktstratege Folker Hellmeyer von der Bremer Landesbank. "Die gegenwärtige Lage ist sachlich und fundamental nicht notwendig", so Hellmeyer gegenüber tagesschau.de. Die angelsächsischen Investoren hätten die Krise künstlich herbei geführt. "Wir verzeichnen eine völlige Überreaktion der Märkte", die auch angesichts der geringen wirtschaftlichen Bedeutung Griechenlands nicht zu rechtfertigen sei.
Eine Attacke nach der anderen
Tatsächlich macht die "ökonomische Maus" Griechenland gerade einmal 2,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes der Eurozone aus. Zwar hat Hellas massive Schulden aufgehäuft, bei der Aufnahme in den Euro-Club getrickst und die Statistiker der europäischen Behörde Eurostat seit Jahren an der Nase herum geführt. Doch verschärft wurde die Krise, weil Spekulanten seit Monaten die Situation nutzen, um auf Kosten der Allgemeinheit ihr eigenes Süppchen zu kochen und eine Attacke nach der anderen gegen den Euro zu reiten.
Zunächst zwangen sie die Staats- und Regierungschefs der Eurozone, Griechenland generell finanzielle Hilfe in Aussicht zu stellen - ein beispielloser Akt, denn der Maastricht-Vertrag verbietet dies eindeutig. Als ihnen das nicht genügte, zwangen die Spekulanten die Staats- und Regierungschefs in einer übereilten Wochenend-Videokonferenz, die potenzielle Hilfe zu beziffern - auf rund 30 Milliarden Euro pro Jahr aus dem EU-Topf und weiteren 15 Milliarden Euro aus der Kasse des Internationalen Währungsfonds (IWF).
Refinanzierungskosten kletterten in die Höhe
Doch auch damit gaben sich die Euro-Attackierer nicht zufrieden. In einer unheiligen Allianz mit den heftig umstrittenen Ratingagenturen, die weiter Öl ins Feuer gossen, indem sie die Bonität Griechenlands ständig in Frage stellten oder herunterstuften, trieben sie die Kosten für die Aufnahme neuer Kredite an den Finanzmärkten dermaßen in die Höhe, dass Griechenland die Waffen strecken musste. Über zehn Prozent Rendite musste Griechenland Anlegern Ende der Woche bieten, damit Athen seine Staatsanleihen los wurde. Vor wenigen Tagen waren es noch rund sieben Prozent. Und auch dies war schon deutlich mehr als die rund drei Prozent, die für deutsche Bundesanleihen zu zahlen sind. Quasi über Nacht kletterten die Refinanzierungskosten für das Land am Mittelmeer in einem Ausmaß, wie es die Eurozone noch nie gesehen hatte.
Kein Wunder, dass dies für Athen nicht länger finanzierbar war und man deshalb nun die EU um Hilfe bitten muss. Denn jeder Prozentpunkt, den Griechenland mehr an Zinsen zahlen muss, um Geld an den Kapitalmärkten aufzunehmen, verschärft die angespannte Finanzsituation weiter.
Für den deutschen Steuerzahler bedeutet das, dass er sich im ersten Jahr mit 8,4 Milliarden Euro an der Hilfe für Griechenland beteiligt. Derzeit verhandelt Athen mit der Europäischen Zentralbank, den Eurostaaten und dem IWF über die technische Abwicklung.
Auch ein Plus für Kreditgeber Deutschland ist möglich
Dass die Bundesrepublik am Ende auf den Kosten sitzen bleibt, ist allerdings noch nicht ausgemacht. Denn Griechenland bekommt das Geld nicht umsonst, sondern muss auch an die EU-Geberstaaten Zinsen zahlen – nach derzeitigem Verhandlungsstand rund fünf Prozent. Dies ist deutlich weniger als auf den Finanzmärkten. Da etwa die Bundesrepublik aber über vergleichsweise hohe Bonität verfügt, dürfte es ihr gelingen, das Geld für etwa drei Prozent an den Märkten aufzunehmen. Es bleibt also eine Differenz von zwei Prozentpunkten, die auf eine zehnjährige Hilfe eine staatliche Einnahme von 1,7 Milliarden Euro einspielt. Allerdings nur dann, wenn es Griechenland gelingt, seine Schulden am Ende auch zu begleichen.
Der Autofahrer zahlt für die Griechenland-Krise
Der normale Bürger ist aber trotzdem der Dumme. Zwar hilft der sinkende Euro etwa der deutschen Exportwirtschaft, weil er Ausfuhren billiger macht. Doch Einfuhren verteuern sich deutlich - für die Bundesbürger vor allem an der Zapfsäule sichtbar. Der jüngste Preissprung beim Benzin ist eindeutig eine Folge der Euroschwäche, da Öl in US-Dollar abgerechnet wird. Die Folgen der Griechenland-Spekulation zahlt also zum Beispiel der Autofahrer.
Spekulanten an den Finanzmärkten Tür und Tor geöffnet
Auf die Eurozone kommt nun in den nächsten Monaten eine Bewährungsprobe zu. Vor allem die Europäische Zentralbank befürchtet, dass die Griechenland-Krise einen Flächenbrand auslösen könnte, denn auch andere Staaten wie Portugal, Italien oder Irland haben eine extrem hohe Verschuldung. Im Eurotower in Frankfurt glühen daher schon seit Wochen die Warnlampen. So angespannt hat man EZB-Chef Jean Claude Trichet noch nie erlebt. Grundübel, so die Auffassung von immer mehr Marktbeobachtern, ist die Tatsache, dass den Spekulanten an den Finanzmärkten Tür und Tor geöffnet ist, weil sich viele Länder seit Jahren gegen stärkere Regulierungen und auch gegen ein Verbot solcher Spekulationsgeschäfte wehren.
So werden sich die Gewinner dieser Krise, der elitäre Club von Spekulanten, wohl schon bald wieder zum Defilee versammeln. Bleibt zu hoffen, dass dann nach Griechenland nicht Portugal oder Irland auf dem Speiseplan steht.