Bio-Boom in der Pandemie Regionales Gemüse beliebt wie nie
Die Corona-Krise beschert der Bio-Landwirtschaft unerwartet gute Geschäfte. Vor allem Lieferdienste für Lebensmittel aus heimischem, biologischem Anbau sind im Trend.
Kurz vor Ostern ging es los: Das Telefon von Lea Etzold stand nicht mehr still. Immer mehr Kunden interessierten sich für ihren Lieferdienst "Niederrhein Gemüse Abo". Er versorgt Regionen im Ruhrgebiet und am Niederrhein mit Bio-Lebensmitteln bis vor die Haustür. Die "Corona-Welle" wurde für Etzold und ihren kleinen Familienbetrieb auch zu einer "Bio-Welle".
Angst vor dem Supermarkt
Alle Familienmitglieder mussten ran: "Wir haben teilweise morgens um sechs Uhr angefangen und bis 22 Uhr durchgearbeitet, um den Ansturm zu bewältigen", sagt sie. Am Anfang der Corona-Krise seien viele Kunden in Sorge gewesen, nicht an Bioprodukte zu kommen. "Zahlreiche Menschen hatten auch Angst, in Supermärkte zu gehen. Die wollten sich nicht anstecken." Jeden Tag kamen neue Kunden hinzu. Doch im Verlauf der Pandemie habe sich bei vielen Kunden auch ein nachhaltigeres Verhalten entwickelt.
Der Bio-Trend hält also an. "Die Leute sind mehr zu Hause und haben mehr Zeit, sich mit Kochen zu beschäftigen", so Etzold. Es werde die ganze Familie mit eingebunden. Hinzu kam, dass durch Corona auch Unzulänglichkeiten in der Lebensmittelbranche ans Licht kamen, beispielsweise beim Fleischhersteller Tönnies. "Bei jedem Skandal erleben wir einen Aufschwung", sagt Etzold. Die Leute machten sich mehr Gedanken über die Qualität des Essens und die Arbeitsbedingungen, die dahinterstehen.
Erfolgreichstes Jahr für Bio-Lieferdienste
Auch Björn Biberich, der seit fünf Jahren für den Lieferservice "Flotte Karotte" arbeitet, berichtet von einem Bio-Boom. Der Bochumer Betrieb bietet seinen Kunden grüne Bio-Kisten an. Darin befinden sich, möglichst ohne Verpackung, Bio-Obst, Gemüse oder Getreide. Der Lieferdienst läuft als Abo. Ist die grüne Kiste leer, wird sie durch eine volle ausgetauscht.
Einen solchen Ansturm auf Bio-Waren wie derzeit habe es in der 25-jährigen Geschichte des Unternehmens noch nicht gegeben, sagt Biberich. Bei Gemüse sei der Absatz im vergangenen Jahr um 60 Prozent gestiegen, bei Getreide sogar um 142 Prozent. "Bio-Hefe war monatelang ausverkauft", erinnert er sich.
Zeitweise gab es Lieferengpässe
Der Ansturm auf Bio-Lebensmittel sei zeitweise so groß gewesen, dass es auch anderswo zu Lieferengpässen gekommen sei: "Die Anzahl an Bio-Kühen ist eben begrenzt, auch Bio-Hühner können plötzlich nicht mehr Eier legen."
Wegen der extrem gestiegenen Nachfrage habe man nach dem ersten Lockdown einen Neukundenstopp verkünden müssen. Bei 2000 Kunden sei ein Limit erreicht worden, "das war einfach zu viel". Inzwischen hat der Bochumer Betrieb personell aufgestockt; aus 50 wurden 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Neukunden müssen sich jetzt auf eine Warteliste setzen lassen, alleinstehende ältere Kunden werden bevorzugt.
Langristiges Umdenken?
Nicht nur Kundenzahl steige, sondern auch die Menge der verkauften Waren. Statt einer Kiste bestellten Kunden inzwischen oft zwei oder drei. Biberich meint, die Gründe zu kennen: "Kinder bekommen kein Essen in der Schule, es wird zu Hause mehr benötigt. Plötzlich gibt es drei oder vier Esser im Haus". Dafür gäben die Menschen in Restaurants nicht mehr so viel aus. Manche ältere Kunden bestellten ihren gesamten Wocheneinkauf bei seinem Betrieb.
Nun hofft der Bio-Kisten-Anbieter, dass der Trend anhält. "Momentan sind wir Profiteure der Krise. Ein Teil der Kunden wird sicher irgendwann wieder in den Supermarkt gehen, ein Teil wird bleiben." Aber insgesamt habe man viele Menschen von Bio überzeugen können.