EU will Güterverkehr per Bahn stärken Mehdorn fürchtet den "hellen Wahnsinn"
Ein Albtraum für Bahnchef Mehdorn: Statt seiner schicken ICE-Flotte, sollen Güterzüge auf deutschen Bahnstrecken Vorfahrt bekommen. Das sieht eine geplante EU-Richtlinie vor. So soll der Güterverkehr auf der Schiene gestärkt werden.
Von Michael Becker, MDR-Hörfunkstudio Brüssel
Die Lobbyisten der Deutschen Bahn rennen den Verkehrsexperten im Europa-Parlament schon seit geraumer Zeit die Türen ein. Der Grund: Die EU-Kommission will Güterzügen Vorfahrt vor Personenzügen geben – bei der Bahn schrillen die Alarmglocken. Und die Europa-Abgeordneten sollen diese Pläne zu Fall bringen. Bahnchef Hartmut Mehrdorn macht darüber hinaus öffentlich mobil: Wenn jeder Güterzug Vorrang hätte, käme kein Personenzug mehr planmäßig an, meinte Mehdorn in einem Zeitungsinterview am Wochenende.
Panik bei der Bahn
Das Ganze sei der helle Wahnsinn, poltert der Bahnchef. Die Sorgen der Bahn fallen bei den Verkehrsexperten im Europa-Parlament dabei durchaus auf fruchtbaren Boden: Der CDU-Europa-Abgeordnete Georg Jarzembowski sagte dem MDR in Brüssel, er teile die Bedenken von Mehdorn "völlig". Der Vorschlag der EU-Kommission sei "unpraktisch und falsch, weil unsere Streckennetze auch genutzt werden von Regional- und Personenfernzügen. Das würde Millionen von Menschen benachteiligen". Michael Cramer, Europa-Abgeordneter der Grünen, sieht das ähnlich. "Das mag in einigen Mitgliedstaaten der EU möglich sein – in Deutschland aber nicht, weil die meisten Trassen sowohl vom Güter- wie auch vom Personenverkehr genutzt werden."
Verkehrskorridore für den Güterverkehr
Nach den Plänen der EU-Kommission müssten in Deutschland zentrale Verkehrskorridore für den Güterfernverkehr bestimmt werden - und auf diesen soll der Güterverkehr Vorfahrt vor Personenzügen haben. "Solange der Verkehr planmäßig läuft, haben wir kein Problem", sagt der Grünen-Abgeordnete Cramer. Wenn es aber zu einem Problem komme, dann müsse vor Ort entschieden werden, welcher Zug Vorfahrt hat. "Das kann mal der Güterzug sein, das kann der Personenzug sein – das muss man optimieren aber nicht dogmatische Vorgaben machen", meint der Grüne Cramer.
Dabei ist das Ziel, das die EU-Kommission verfolgt, durchaus sinnvoll: mehr Container von der Straße auf die Schiene zu bringen. Der Güterverkehr auf der Straße nimmt dramatisch zu - im vergangenen Jahr war er auf Rekordniveau - Tendenz steigend. Drei Viertel der Güter werden über die Straße transportiert - deshalb will Brüssel den Güterverkehr auf der Schiene attraktiver machen.
"Europäische Koordinierung erforderlich"
Der Grüne Verkehrsexperte Michael Cramer sieht durchaus Handlungsbedarf - aber eben nicht mit einem generellen Vorfahrtsrecht für Güterzüge. "Was wir brauchen ist eine europäische Koordinierung." Wer einen Güterzug von Rotterdam nach Genua schicken wolle, der müsse die Trassen in vier europäischen Ländern beantragen. Wenn drei Länder mitmachen und eins nicht, dann sei das "absurd", kritisiert Cramer.
Was aus den Plänen der EU-Kommission am Ende wird ist noch offen. Sie hat erst Mitte Dezember einen ersten Entwurf vorgelegt - die Verkehrsminister der EU haben sich noch gar nicht damit befasst. In Berlin sehe man die Pläne skeptisch, heißt es bei EU-Diplomaten - eine abschließende Meinung hat man sich aber offenbar noch nicht gebildet.