Griechenlands Rate an den IWF Athen hat nicht gezahlt
Um Punkt Mitternacht ist die Frist verstrichen: Griechenland hat die fällige Schuldenrate von 1,55 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds nicht gezahlt. Zuvor hatte die Eurogruppe einen letzten Vorstoß Griechenlands abgelehnt. Das Hilfsprogramm für Athen lief um Mitternacht ebenfalls aus.
Griechenland ist seiner 1,5 Milliarden Euro schweren Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Internationalen Währungsfonds (IWF) nicht nachgekommen. Das bestätigte der Fonds in einer knappen Mitteilung. Griechenland ist damit das erste Industrieland, das beim IWF Rückstände hat. Damit gilt das Land als zahlungsunfähig.
Athen könne nun nur weitere Mittel bekommen, sobald die Rückstände ausgeräumt seien, sagte IWF-Sprecher Gerry Rice. Der IWF bestätigte zudem, dass Griechenland noch in letzter Minute gebeten habe, die Zahlung erst später leisten zu müssen. Darüber werde der IWF zu gegebener Zeit beraten, ergänzte der Sprecher.
Keine Sanktionsmöglichkeiten
Über unmittelbare Sanktionsmöglichkeiten verfügt der IWF nicht. Er kann lediglich Mahnungen aussprechen. IWF-Chefin Christine Lagarde hatte am Wochenende signalisiert, dass die Tür zu weiteren Gespräche mit Athen noch nicht völlig zugeschlagen sei.
Wenige Stunden vor Ablauf des Ultimatums hatte sich Präsident Obama zur Lage in Athen geäußert: "Es ist eine Angelegenheit, die in erster Linie Europa betrifft. Aber wir müssen auch vorbereitet sind auf mögliche Ansteckungsgefahr. Es ist kein Schock wie bei Lehmann. Wir nehmen die Sache ernst, aber sie verlangt derzeit keine Überreaktionen", so der US-Präsident.
Hilfsprogramm ausgelaufen
Um Mitternacht ist zudem das griechische Hilfsprogramm der Euro-Partner ausgelaufen. Damit verfallen auch 12,7 Milliarden Euro bislang nicht ausbezahlter Hilfskredite des Euro-Rettungsschirms EFSF, über den das Programm lief. Der griechischen Regierung gelang es nicht, dessen Ende im letzten Moment noch zu verhindern. Die Euro-Finanzminister lehnten am Abend in einer Telefonkonferenz den kurzfristig von Griechenland vorgelegten Antrag ab, das Hilfsprogramm "für einen kurzen Zeitraum" zu verlängern, bis ein neues Rettungsprogramm in Kraft sei. Das teilte Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem mit.
In der kurzfristig angesetzten Telefonkonferenz der Eurogruppe berieten die Finanzminister etwa eine Stunde über die am Nachmittag eingegangenen Vorschläge des griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras. Dieser hatte neben der kurzfristigen Verlängerung des zweiten Hilfsprogramms vor allem um ein neues, auf zwei Jahre angelegtes Programm gebeten, das über den neuen Euro-Rettungsschirm ESM abgewickelt werden solle. Konkret wolle Tsipras eine Stabilitätshilfe von fast 30 Milliarden Euro, wie ARD-Korrespondent Rolf-Dieter Krause berichtete. Das Geld solle genutzt werden, um in den Jahren 2015 bis 2017 fällige Schulden zurückzuzahlen.
Ein weiteres Element des neuen Vorschlags aus Athen war die Forderung, die vorhandenen Schulden beim alten Euro-Rettungsschirm EFSF zu restrukturieren. Gemeint sind damit die Verbindlichkeiten aus dem zweiten Griechenland-Rettungsprogramm, das über den EFSF lief. Wie diese Restrukturierung aussehen könnte, ließ Tsipras zwar offen. Wahrscheinlich ist jedoch, dass der Vorschlag darauf hinausläuft, die Rückzahlungsfristen nochmals zu verschieben und möglicherweise die zu zahlenden Zinsen nochmals zu senken.
Trotz der Ablehnung dieses Vorstoßes aus Athen vereinbarte die Eurogruppe für den Vormittag eine weitere Telefonkonferenz. Griechenland wird laut Dijsselbloem bis dahin neue Vorschläge in der Schuldenkrise unterbreiten, die dann diskutiert werden sollen. Nach Informationen von ARD-Korrespondent Krause traf der neue Brief aus Athen bereits bei der EU-Kommission in Brüssel ein. "Wir haben einen Brief geschickt, der die Differenzen weiter verkleinert", sagte der stellvertretende Ministerpräsident Gianis Dragasakis im Staatsfernsehen. "Wir machen eine zusätzliche Anstrengung. Es gibt sechs Punkte, wo diese Anstrengung gemacht werden kann", erklärte er.
Dijsselbloem machte am Abend deutlich, dass die griechische Bitte um ein neues Programm erst nach dem Referendum am 5. Juli geprüft werde. Ein neues, drittes Hilfsprogramm könnte mit schärferen Bedingungen verbunden sein als das bisherige, fügte er hinzu. Zuvor hatte bereits Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärt, dass vor dem geplanten Referendum aus deutscher Sicht keinerlei Verhandlungen mehr möglich seien. Die griechische Regierung habe sich mit ihrem Verhalten für ein Auslaufen des aktuellen Hilfsprogramms entschieden.
EZB berät über Notkredite für Banken
Die Europäische Zentralbank berät heute darüber, wie sie mit den sogenannten ELA-Notkrediten für Griechenlands Banken umgeht. Die griechische Notenbank bat nach Angaben von Vize-Regierungschef Yannis Dragasakis die EZB, eine Erhöhung der ELA-Nothilfen in Betracht zu ziehen. Diese waren am Wochenende zwar aufrechterhalten, aber zugleich auf den bisherigen Stand von etwa 90 Milliarden Euro eingefroren worden.
Daraufhin ordnete die griechische Regierung an, dass die Banken zunächst geschlossen bleiben. Sie begrenzte zugleich Abhebungen an Geldautomaten und ging mit weiteren Kapitalverkehrskontrollen gegen den drohenden Kollaps der griechischen Banken vor. Heute sollen allerdings knapp 1000 Banken im Land für drei Tage öffnen, um ausschließlich Renten auszuzahlen. In Griechenland ist es üblich, Renten in bar auszuzahlen.
Wegen der nun eingeführten Kapitalverkehrskontrollen senkte die Ratingagentur Fitch den Status Griechenlands herab auf eine Stufe vor der völligen Zahlungsunfähigkeit. Standard & Poor's hatte diese Bewertung bereits am Montag bekannt gegeben.
In Deutschland beschäftigt sich der Bundestag in einer eigens angesetzten Debatte ab dem Mittag mit der Lage in Griechenland. Neben Bundeskanzlerin Merkel werden auch Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel und Finanzminister Wolfgang Schäuble sprechen.