Druck auf Mietmarkt steigt Härtere Zeiten für Mieter erwartet
Während die Immobilienpreise Experten zufolge um bis zu zehn Prozent sinken könnten, dürften die Mieten 2023 zulegen. Grund sind unter anderem höhere Material- und Finanzierungskosten, die auf die Miete umgelegt werden.
Nach mehr als einem Jahrzehnt, in dem es mit den Immobilienpreisen in Deutschland nur aufwärts ging, erwarten Experten fallende Preise - aber einen zunehmenden Anstieg der Mieten. Denn mit steigenden Kreditzinsen und hohen Baukosten können sich viele Menschen kein Eigentum mehr leisten oder treten von Bauprojekten zurück.
Viele weichen auf Mietwohnungen aus, sodass die Mieten wieder kräftiger klettern. Das trifft in Deutschland viele Menschen, da nur rund die Hälfte der Bevölkerung in Eigentum lebt - so wenige wie kaum in einem anderen Land Europas. Die Eigentümerquote liegt dem Statistischen Bundesamt zufolge bei 46,5 Prozent.
Ungewohntes Bild am Immobilienmarkt
Es ist ein ungewohntes Bild: Nach mehr als zwölf Jahren steigender Preise sind Häuser und Wohnungen wieder etwas billiger zu haben, auch in begehrten Städten. Die Position von Kaufinteressenten hat sich etwas verbessert. "Wir sehen auf dem Immobilienmarkt aktuell mehr Angebote und größeren Spielraum für Preisverhandlungen", sagt Mirjam Mohr, Privatkunden-Vorständin beim Kreditvermittler Interhyp.
Im dritten Quartal fielen die Preise für Wohnimmobilien laut Statistischem Bundesamt im Schnitt um 0,4 Prozent zum Vorquartal. Der Verband deutscher Pfandbriefbanken (VDP) beobachtete einen Rückgang um 0,7 Prozent - das erste Minus seit 2010. Gemessen am Vorjahresquartal stiegen die Preise, wenn auch gedämpft.
Rückgang der Immobilienpreise um bis zu zehn Prozent
Fachleuten zufolge dürfte sich der Trend beschleunigen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hält 2023 einen Rückgang der Immobilienpreise um bis zu zehn Prozent für möglich. Die Forscher beobachten in einer Studie in 97 Städten, dass sich die Preise weiter von den Mieten abgekoppelt haben - ein Zeichen für "spekulative Übertreibungen". Eine Immobilie habe in Großstädten zuletzt so viel wie 28 Jahresmieten gekostet - ein Rekord seit Mitte der 1990er-Jahre. Das DIW sieht ein erhöhtes Risiko für Preiskorrekturen.
Nicht ganz so weit geht die DZ Bank, die einen Preisrückgang von maximal vier bis sechs Prozent im Jahr 2023 erwartet. "Bei Wohneigentum dürfte der Rückgang etwas schwächer, bei Mehrfamilienhäusern etwas ausgeprägter ausfallen", schreibt Analyst Thorsten Lange. Allerdings haben sich die Immobilienpreise binnen zehn Jahren etwa verdoppelt. Selbst ein kräftiger Rückgang um rund 20 Prozent, den einige in der Branche für möglich hielten, würde nur das Niveau von 2020 bedeuten, sagte VDP-Hauptgeschäftsführer Jens Tolckmitt.
Robuster Immobilienmarkt in Deutschland
Experten bezweifeln auch, dass Deutschland vor dem Platzen einer Immobilienblase steht. Der Wohnungsmarkt gilt als robust selbst in Wirtschaftskrisen, denn Immobilien werden oft konservativ und langfristig finanziert - ein Vorteil im Zinsanstieg. So hatten sich viele Käufer die Niedrigzinsen über zehn oder 15 Jahre gesichert.
"Anders ist dies in Ländern mit variablen Darlehen wie dem Vereinigten Königreich oder Spanien, dort wirken sich steigende Zinsen unmittelbar auf die Kreditbelastung aus", heißt es in einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Als Mitte der 2000er-Jahre die Zinsen kletterten, überforderte das viele Amerikaner - die Immobilienblase platzte und löste die globale Finanzkrise aus.
Gegen einen Preiseinbruch in Deutschland spreche auch, dass die Transaktionskosten, etwa für Makler, hoch sind und vor kurzfristigen Verkäufen abschrecken. Preisrückgänge seien vor allem bei Objekten in schlechter Lage oder mit hohem Energieverbrauch zu sehen, meint IW-Immobilienexperte Michael Voigtländer. "Bei hoher oder ordentlicher Energiebilanz sehe ich nicht viel Korrekturpotenzial."
Baukredit mehr als verdreifacht
Dazu kommt, dass Wohnungen knapp bleiben: Seit Monaten beobachtet das ifo-Institut eine Stornierungswelle im Wohnungsbau. Auch die Nachfrage nach Baufinanzierungen und die Baugenehmigungen sind eingebrochen. Seit Jahresbeginn haben sich die Zinsen für zehnjährige Kredite mehr als verdreifacht. Zusammen mit hohen Baupreisen ist die Belastung für viele Menschen zu groß. Der Bauzins liegt derzeit bei knapp 3,8 Prozent; Anfang 2022 lag er noch bei einem Prozent. Das inzwischen kassierte Ziel der Bundesregierung von 400.000 neuen Wohnungen jährlich galt als utopisch: Der Bauverband ZDB erwartet 245.000 im kommenden Jahr.
"Wenn aber eine hohe Wohnungsnachfrage auf ein verknapptes Angebot trifft, stützt das die Preise", erklärt IW-Experte Voigtländer. Zudem dürfte die Zuwanderung aus dem Ausland, die in der Pandemie einbrach, steigen und die Nachfrage nach Wohnraum vor allem in Städten erhöhen.
Druck auf Mietwohnungsmarkt erhöht sich
Was aber, wenn die Immobilienpreise nicht stark fallen und Kredite teurer geworden sind? "Für eigenkapitalstarke Käufer bietet das Marktumfeld Chancen", meint Lange von der DZ Bank. Kaufinteressenten mit wenigen Ersparnissen müssten dagegen schon ein hohes Einkommen haben, um nicht an den viel höheren Kreditraten zu scheitern.
Bleibt oft nur Ausweichen: Die Nachfrage werde sich teils auf den Mietwohnungsmarkt verlagern und dort den Druck erhöhen, heißt es in einer Studie der Landesbank Helaba. Nach einer Phase mit relativ geringen Aufschlägen zogen die Neuvertragsmieten zuletzt mit einem Plus von fünf Prozent wieder stärker an, beobachtet die DZ Bank.
Mieten könnten stärker steigen als Preise
"Auf dem Mietmarkt ist ordentlich Druck", sagt Analyst Lange. Dort treffe die starke Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum auf sinkende Leerstände in den Städten. An dem Engpass werde sich im neuen Jahr nichts ändern, meint Lange auch mit Blick auf die Zuwanderung von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine. Mit den hohen Materialpreisen und deutlich gestiegenen Finanzierungskosten stünden Wohnungsunternehmen unter Druck, die Kosten auf die Miete umzulegen.
IW-Experte Voigtländer hält es für denkbar, dass sich der jahrelange Trend dreht und die Immobilienpreise nicht mehr den Mieten enteilen. Bereits im dritten Quartal stiegen die Angebotsmieten nach IW-Daten um 5,8 Prozent zum Vorjahresquartal. In allen Bundesländern lagen die Zuwächse über dem Mittel des dritten Quartals der drei vergangenen Jahre, wie Voigtländer beobachtet. "Womöglich kommen wir nun in eine Phase, in der die Mieten stärker wachsen als die Preise."