Interview

Ursachen der Euro-Krise "Die Finanzmärkte brauchen Spekulanten"

Stand: 12.05.2010 12:02 Uhr

Die Öffentlichkeit schimpft auf die Spekulanten, für viele sind sie die Hauptschuldigen an der Euro-Krise. Frank Dornseifer vom Bundesverband Alternative Investments meint hingegen: Spekulanten sind die Feuermelder. Im Gespräch mit tagesschau.de sagt er, die Wetten gegen Griechenland hätten einen Beitrag zum Hilfspaket geleistet.

tagesschau.de: Sind die Spekulanten schuld an der Krise im Euroland?  

Frank Dornseifer: Hier werden Ursache und Wirkung verwechselt. In den Haushalten mehrerer europäischer Staaten ist Feuer ausgebrochen - und dann sind die Feuermelder angesprungen, beispielsweise in Form der Kreditausfallversicherungen, deren Preise stark anstiegen. Eine Reihe von Marktteilnehmern, die das Marktgeschehen sehr genau analysieren, haben dann gegen Griechenland gewettet, auch das war ein weiteres Alarmsignal für einen Missstand, der innerhalb der EU zu lange verdrängt wurde. Die Schuld für die Krise liegt also nicht bei den Feuermeldern - sondern bei der Haushalts- und Fiskalpolitik einzelner Staaten.  

Zur Person

Frank Dornseifer ist Geschäftsführer für den Bereich Recht und Policy vom Bundesverband Alternative Investments. Der Verband hat nach eigenen Angaben mehr als 130 Mitglieder - Unternehmen und Personen. Die Mitgliederliste kann hier eingesehen werden: http://www.bvai.de/index.php?id=17

tagesschau.de: Sie sagen also, die Spekulationen hatten einen Nutzen?

Dornseifer: Spekulation wird häufig und zu Unrecht einseitig negativ belegt. Dabei trägt sie auch zum Aufspüren des wahren Wertes einer Aktie, einer Anleihe, oder auch einer Währung bei. Die Finanzmärkte brauchen Spekulanten. Im Fall Griechenland wurden die Schwachstellen in der Haushaltspolitik aufgedeckt, die andere Mitgliedstaaten nicht erkannt oder verdrängt hatten. Der Umstand, dass gegen Griechenland und den Euro gewettet wurde, war möglicherweise auch ein wichtiger Beitrag, damit am Ende ernsthafte Rettungspakete geschnürt wurden. An diesem Prozess haben Spekulanten natürlich auch verdient. Inwiefern der einzelne dies moralisch vertreten kann, gegen einen Staat zu wetten, das ist eine andere Debatte.

tagesschau.de: Wie bewerten Sie das Hilfspaket der Euroländer für Griechenland?

Dornseifer: Es gab an den Börsen nach dem Beschluss vom Wochenende eine erste Trendwende. Vor der Entscheidung für das Hilfspaket hatte das politische Hickhack Spekulanten animiert, eher gegen als auf den Euro zu setzen. Politische Ambivalenz hat sich an den Finanzmärkten niedergeschlagen. Jetzt dürften auch Spekulanten sorgfältig abwägen, ob sie weiter gegen den Euro wetten, auch wenn ich nur davor warnen kann, die Krise für beendet zu erklären.

tagesschau.de: Sind Spekulanten die besseren Analysten?

Dornseifer: Spekulationen sind mehr als ein Roulette-Spiel. Auf Basis aufwändiger Analysen wird eine Markteinschätzung vorgenommen, die gewinnbringend umgesetzt werden soll. Dies ist im Fall von Griechenland nicht anders als bei sonstigen Transaktionen. Die Defizite in der Haushaltspolitik waren offenkundig, die Konsequenzen auch. Und dafür bedurfte es auch nicht mehr der Herabstufung der Bonität dieser Staaten durch eine Ratingagentur.

tagesschau.de: Was halten Sie von Verboten bestimmter Marktpraktiken?

Dornseifer: Ob es hilft, Wetten gegen die Bonität eines Staates zu verbieten, ist zweifelhaft. Dies muss differenziert diskutiert werden. Richtig ist, dass gewisse Auswüchse vermieden werden müssen, aber pauschale Verbote können auch kontraproduktiv sein. Wichtig ist, dass mit Nachdruck die Ursachen bekämpft werden, dann verschwinden auch die Symptome.

tagesschau.de: Was schlagen Sie vor?

Dornseifer: Die Märkte und Aufsichtsbehörden müssen erkennen können, was wo passiert. Es muss eine intelligente und effiziente Regulierung geben, in der marktmissbräuchliches Verhalten gezielt identifiziert, eingeschränkt und vor allem sanktioniert werden kann. Die Sicherheit und die Zuverlässigkeit auf den Märkten müssen Vorrang haben - vor dem Profit einzelner Akteure.

tagesschau.de: Und lassen sich damit künftige Krisen vermeiden?  

Dornseifer: Das glaube ich nicht; dagegen spricht einfach die Lebenserfahrung. Es wird immer Fehlentwicklungen geben, die teilweise auch staatlich angeordnet werden – wie beispielsweise bei der Immobilien-Blase in den USA. Es ist immer denkbar, dass es zum Beispiel durch übermäßigen, kreditfinanzierten Konsum wieder neue Blasen gibt, die dann platzen.

Das Interview führte Patrick Gensing, tagesschau.de