Mehrheit für EU-Fiskalpakt bei Referendum Iren stimmen für das geringere Übel
Mit 60 Prozent haben die Iren für den EU-Fiskalpakt gestimmt - deutlich mehr als die Umfragen erwarten ließen. Insgesamt kreuzten 955.091 Menschen "Ja" an. Die Befürworter reagierten erleichtert auf das Ergebnis, die Gegner gestanden die Niederlage zähneknirschend ein. Klar ist aber auch: Die Iren haben schlichtweg für das geringere Übel gestimmt.
Von Stephan Lochner, SWR-Hörfunkstudio London
Irland hat laut und deutlich "Ja" gesagt: 60 Prozent der abgegebenen Stimmen befürworten den europäischen Fiskalpakt, nur rund 39 Prozent sprachen sich dagegen aus. Ein so klares Ergebnis hatten die Umfragen vor der Abstimmung nicht erwarten lassen. Bemerkenswert ist auch, dass das Meinungsbild in fast der ganzen Republik Irland ähnlich war. Nur in fünf von 43 Wahlbezirken gab es eine Mehrheit gegen den Pakt.
Entsprechend erleichtert reagierte der irische Regierungschef Enda Kenny von der christdemokratischen Fine Gael Partei: "Das irische Volk hat ein starkes Signal an die Welt gesendet, dass dieses Land es ernst damit meint, seine wirtschaftlichen Herausforderungen zu meistern."
"Nur eine Schlacht in einem langen Krieg der Ideen"
Die Gegner des Fiskalpakts - linke Gruppierungen und ein Teil der Gewerkschaften - gestanden ihre Niederlage zähneknirschend ein. Gerry Adams, der Chef der sozialistischen Partei Sinn Fein, sagte: "Das hier war nur eine Schlacht in einem langen Krieg der Ideen. Und die Debatte über fortschrittliche, kreative und vor allem faire Maßnahmen, um die Wirtschaft anzukurbeln und Arbeitsplätze zu schaffen, die geht weit über diese Abstimmung hinaus." Sinn Fein hatte sich in den vergangenen Wochen und Monaten mit einer massiven Kampagne gegen den EU-Vertrag profiliert.
Das Lager der "Nein"-Sager kündigte an, weiter gegen die in ihren Augen ungerechte Sparpolitik der Regierung in Dublin zu kämpfen.
Freude und Jubel bei Unternehmern
Dagegen begrüßten führende Köpfe der irischen Wirtschaft das klare Votum. Zum Beispiel der Chef des größten irischen Unternehmens, dem Baustoffkonzern CRH. "Wir haben eine positive und entschiedene Antwort bekommen auf die Frage, ob Irland zum Kern Europas dazu gehören möchte oder nicht. Irland will Teil Europas sein und es will zur Eurozone gehören. Die Menschen haben eine sehr verantwortungsvolle Entscheidung für die Zukunft gefällt", jubelte Jack Golden, dem die Freude ins Gesicht geschrieben war.
Ähnlich sieht es Holger Erdmann von der deutsch-irischen Industrie- und Handelskammer in Dublin. Er hatte große Sorge vor einem "Nein" der Iren. Die klare Zustimmung sei sehr erfreulich - nicht nur für die irische Wirtschaft, sondern auch für die vielen deutschen Unternehmen, die in Irland Niederlassungen haben.
Das "Ja" sichere die Staatshaushalte für die kommenden Jahre und die Finanzierung Irlands über die Europäischen Sicherheitsmechanismen ab, so Erdmann. "Außerdem hängt Irlands Wirtschaftsmodell stark von multinationalen Unternehmen ab. Etwa 90 Prozent der irischen Exporte werden von multinationalen Unternehmen getätigt. Hätte Irland sich jetzt von Europa entfernt, wären die Investitionen dieser Unternehmen sicher in Frage zu stellen gewesen."
Ein Argument, was bei vielen Iren den Ausschlag gegeben haben dürfte. Denn selbst die glühendsten Anhänger der Pro-Kampagne gestehen hinter vorgehaltener Hand ein, dass sie nicht aus Begeisterung zugestimmt haben - sondern weil sie daran das geringere Übel gesehen haben.