Inlandsprodukt kracht um 6,8 Prozent ein Japan mutiert zur Jo-Jo-Wirtschaft
"Abenomics" - so heißt die wirtschaftspolitische Revolution des japanischen Premierministers Shinzo Abe. Die Folgen werden immer skurriler: Im zweiten Quartal krachte das BIP um hochgerechnet 6,8 Prozent ein. Gerät das Experiment außer Kontrolle?
Die Auswüchse der Wirtschaftspolitik des japanischen Premierminister Shinzo Abe werden immer skurriler. Im zweiten Quartal schrumpfte das japanische Inlandsprodukt im Vergleich zum Vorquartal um 1,7 Prozent - auf zwölf Monate hochgerechnet ist das ein Minus von 6,8 Prozent.
Hintergrund des völlig ungewöhnlichen Einbruchs ist die Erhöhung der Mehrwertsteuer von fünf auf acht Prozent zum 1. April. Viele Japaner hatten größere Anschaffungen vorgezogen, um noch von dem alten Steuersatz zu profitieren. So war die Wirtschaft im ersten Quartal um hochgerechnet 6,1 Prozent gewachsen, bevor sie von April bis Juni einbrach.
Der Jo-Jo-artige Konjunkturverlauf ist also ein Stück weit erklärbar. Trotzdem wirft das krasse Auf und Ab die Frage auf, inwieweit das wirtschaftspolitische Experiment noch kontrollierbar ist, das Abe der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt verordnet hat.
Billiges Geld, gigantische Schulden - das ist "Abenomics"
Japans Wirtschaft leidet seit den 90er-Jahren unter schwachem Wachstum und sogenannter Deflation - also fehlender Teuerung. Um Unternehmen und Verbraucher aus ihrer Lethargie zu reißen, legte Abe nach seinem Amtsantritt 2012 umfangreiche staatliche Konjunkturpakete auf. Viele Ökonomen hielten diesen Kurs für fatal: Denn mit einer Verschuldung von fast 250 Prozent gemessen am Bruttoinlandsprodukt gilt Japan als das am höchsten verschuldete Land der Welt .
Zudem warf die Bank of Japan in ungekanntem Ausmaß die Notenpresse an, um den Yen im Vergleich zu Euro, US-Dollar oder dem Renminbi zu verbilligen. Dahinter stand das Ziel, Japans Exportwirtschaft auf dem Weltmarkt konkurrenzfähiger zu machen. Es bedeutet aber auch, dass die Ersparnisse der Japaner nun weniger wert sind. Und es birgt die Gefahr eines Abwertungswettlaufs mit anderen Ländern. Trotz der Maßnahmen wuchs Japans Inlandsprodukt 2013 nur mäßig um 1,2 Prozent.
Warum hat Abe die Mehrwertsteuererhöhung nicht gestoppt?
Im Gegensatz zur expansiven Geld- und Fiskalpolitik steht nun die Mehrwertsteuererhöhung von April - denn höhere Umsatzsteuern bewirken normalerweise das Gegenteil jener Stimulierung, die Abe eigentlich anstrebt.
Der Hintergrund: Das Parlament hatte die Erhöhung bereits beschlossen, bevor Abe im September 2012 ins Amt kam. Auf eine Revision der Entscheidung drängte der Premier allerdings nicht - vielleicht auch, weil er die Einnahmen aus der Steuer braucht, um die Staatsverschuldung nicht noch weiter explodieren zu lassen.
Mit der Erhöhung auf acht Prozent ist es allerdings noch nicht getan, denn für Oktober 2015 ist bereits der nächste Anstieg der Mehrwertsteuer auf dann zehn Prozent geplant. Bis Dezember will Abe entscheiden, ob er zumindest diese Erhöhung kippt.
Unterm Strich stand zuletzt: Stagnation
Vieles dürfte davon abhängen, ob die Wirtschaft nach dem Einbruch im zweiten im laufenden dritten Quartal wieder Fahrt aufnimmt. Die meisten Analysten rechnen mit einem merklichen Plus, Optimisten prognostizieren gar ein Wachstum von hochgerechnet drei bis fünf Prozent.
Kritiker der "Abenomics" getauften Politik Abes weisen hingegen darauf hin, dass die ersten Wachstumseffekte verpufft sind und Japans Wirtschaft zwischen Mitte 2013 und Mitte 2014 unterm Strich stagnierte. Wirtschaftsminister Akira Amari schloss weitere Konjunkturmaßnahmen von Regierung und Notenbank nicht aus: "Im Moment sehe ich dafür keinen Bedarf. Aber wir werden die notwendigen und angemessenen Schritte tun, abhängig von der weiteren Entwicklung der Wirtschaft."