Vorstoß der Union Wirtschaftsforscher gegen Konjunkturprogramm
Mit einem "Sofortprogramm" soll die Ampel die Wirtschaft ankurbeln - zumindest fordert dies die Union. DIW-Präsident Fratzscher warnt jedoch vor einem Programm, "das der mächtigen Unternehmenslobby weitere Milliarden schenkt".
Angesichts der sich zunehmend verdüsternden Prognosen für die deutsche Wirtschaft macht die Union Druck auf die Bundesregierung. Es müsse etwas getan werden - und zwar sofort. Doch von Wirtschaftsforschern kommt eher verhaltenes Echo.
Zu denjenigen, die dem von den Unionsparteien geforderten Sofortprogramm skeptisch gegenüberstehen, zählt etwa Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). "Ein Konjunkturprogramm, das der mächtigen Unternehmenslobby lediglich weitere Milliarden schenkt, wäre kontraproduktiv, würde zu Mitnahmeeffekten führen und nichts an den wirtschaftlichen Problemen ändern" sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Die deutsche Wirtschaft habe weniger ein konjunkturelles, sondern eher ein strukturelles Problem, hieß es vom DIW-Präsidenten weiter. Und das sei nur mittels langfristiger Gegenmaßnahmen zu lösen. "Mit einer Investitionsoffensive, einer breit angelegten Entbürokratisierung und einer Stärkung der Sozialsysteme", fasste Fratzscher zusammen. Das sei Deutschlands einzige Chance, seinen Wohlstand und seine hohe Wettbewerbsfähigkeit auf lange Sicht sichern zu helfen.
"Offensivplan" statt "Sofortprogramm"
Eine ganz ähnliche Linie vertritt FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. Dass etwas passieren müsse, um die deutsche Wirtschaft zu stärken, darin stimmt er mit der Union überein. Doch wie Fratzscher setzt auch Djir-Sarai eher auf lange Sicht. "Nicht kurzfristige Konjunkturprogramme sind jetzt gefragt, sondern ein strategisches Konzept, das Bürokratieabbau, niedrige Steuern und eine Steigerung von privaten Investitionen beinhaltet", betonte er, ebenfalls gegenüber der Funke Mediengruppe.
Ein "Offensivplan" müsse her statt eines "Sofortprogramms", das Djir-Sarai als "Wahlkampfmanöver" der Union abstempelte. Um die deutsche Wettbewerbsfähigkeit zu sichern und zu stärken, brauche es "mehr Anreize für private Investitionen, mehr Innovationen und weniger Staatsinterventionismus in Form von Subventionen oder Transferleistungen".
Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Verena Hubertz sprach sich für eine "aktive Industriepolitik, die die Wirtschaft beim notwendigen Umbau und auf dem Weg aus der Krise unterstützt" aus. Der "Bild"-Zeitung sagte sie: "Rufe nach Konjunkturprogrammen sind viel zu leicht gedacht und lösen nicht unser Problem." Es gehe um die Bedingungen zum Wirtschaften. "Wir brauchen einen robusten Transformationsrahmen, der Investitionen in neue Technologien und zentrale Infrastruktur - ob Strom, Daten und Verkehr - ankurbelt, Unsicherheiten reduziert und Bürokratie senkt", so Hubertz weiter.
Union: Wirtschaftskrise muss "Chefsache" werden
Am Wochenende hatten die Chefs von CDU und CSU, Friedrich Merz und Markus Söder, gemeinsam mit Hessens Ministerpräsident Boris Rhein in der "Bild am Sonntag" gedrängt, die deutsche Wirtschaftskrise müsse endlich zur "Chefsache" von Bundeskanzler Olaf Scholz werden. Ihr Weg aus der Wirtschaftskrise: runter mit den Steuern und den Energiepreisen. Außerdem: steuerfreie Überstunden, bessere Abschreibungsmöglichkeiten und ein Stopp für alle Gesetze, die den Bürokratieaufwand für Unternehmen in die Höhe treiben könnten.
Und die Ampelkoalition? Die sei sich der Notwendigkeit einer Stärkung der Konjunktur durchaus bewusst, hieß es von der Grünen-Vorsitzenden Ricarda Lang. Sie kündigte ein "gemeinsames Paket" der Ampelparteien an, um "das wirtschaftliche Fundament der deutschen Wirtschaft zu verteidigen".
Stopp der Schuldenbremse nötig?
Dass die deutsche Wirtschaft ziemlich angeschlagen ist, hatten in den vergangenen Wochen gleich mehrere Prognosen bestätigt: Der IWF rechnet mit einer Rezession, der ifo-Index rutschte weiter ab und auch das Statistische Bundesamt rechnet mit einer Abschwächung des derzeit noch stagnierenden Bruttoinlandsprodukts.
Auch Fratzscher sprach von einer Wirtschaftskrise. Und neben der Abfuhr für das Unions-Sofortprogramm kassierte auch die Ampel Kritik vom DIW-Präsidenten. Die Bundesregierung müsse "ihre engstirnige Obsession mit der Schuldenbremse in diesen Krisenzeiten aufgeben". Schon am Wochenende hatte er die Schuldenbremse als "schädlich" und "ein Überbleibsel einer vergangenen Zeit" kritisiert. Auch der Chef des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, hatte für ein Aus der Schuldenbremse plädiert, da diese sich als "Steuersenkungsbremse" erweise.
Doch die FDP unter Parteichef und Bundesfinanzminister Christian Lindner hält klar an der Schuldenbremse fest. Immerhin, so betonte zuletzt erneut Bundesjustizminister Marco Buschmann, sei diese ein "Gebot des Grundgesetzes".
Zuletzt hatte Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) ein Aus der Schuldenbremse für fünf Jahre ins Spiel gebracht, vor allem, um mehr Investitionen in verschiedene Bereiche zu ermöglichen, etwa in den Wohnungsbau oder in die Energieversorgung.