Weiterer Konzern in Schieflage Chinas Immobiliensektor heizt die Krise an
Die Finanzklemme des chinesischen Immobilienriesen Country Garden zeigt: Die Krise in der Branche ist längst nicht ausgestanden. Das hat Folgen für die chinesische Volkswirtschaft und darüber hinaus.
Der Immobiliensektor in China steckt weiterhin in einer tiefen Krise. Das zeigt die finanzielle Schieflage eines weiteren Immobilienkonzerns des Landes. Die schleppende konjunkturelle Erholung der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt dürfte die Situation weiter verschärfen.
Vergangene Woche konnte Country Garden zwei fällige Zinszahlungen für Kredite nicht leisten. Dem Unternehmen bleibt nun eine Frist von 30 Tagen, andernfalls droht im September die Insolvenz. Am Wochenende kündigte der Konzern außerdem an, die Notierung von rund einem Dutzend Anleihen ab diesem Montag auszusetzen.
Pleiterisiken steigen
Wegen eines drohenden Zahlungsausfalls und der enormen Schuldlast, die Country Garden aufgetürmt hat, war der Aktienkurs des Unternehmens an der Hongkonger Börse gestern abgestürzt. Country Garden ist eines der wichtigsten Bauunternehmen des Landes und beschäftigt Zehntausende Menschen. Ende vergangenen Jahres hatte der Konzern seine Schulden auf 1,15 Billionen Yuan (rund 150 Milliarden Euro) beziffert. Nach Angaben der Ratingagentur Moody's werden Schulden in Höhe von 31 Milliarden Yuan im kommenden Jahr fällig. Die Ratingagentur stufte das Ausfallrisiko vergangene Woche hoch.
Der chinesische Immobiliensektor scheint also weit von einer Entspannung entfernt zu sein. Das zeigt auch das Beispiel Evergrande: Der Bauriese hatte erst im Juli lange zurückgehaltene Bilanzdaten vorgelegt, nachdem das Unternehmen bereits im Jahr 2021 in Zahlungsschwierigkeiten geraten war. Ein Verlust von umgerechnet 72 Milliarden Euro entstand in den beiden vergangenen Jahren. Der Schuldenberg ist nach den neuesten Daten auf umgerechnet 300 Milliarden Euro angewachsen. Die Wirtschaftsprüfer sehen das Überleben des Konzerns als "nicht gesichert" an.
Immobilienboom und Preisspirale
Seit den 1990er-Jahren wurde in China in atemberaubender Geschwindigkeit gebaut. Gleichzeitig stiegen die Immobilienpreise dramatisch an. In Metropolen haben sich die Preise für Wohnimmobilien binnen weniger Jahre vervielfacht. Nach einer Studie der Harvard-Universität kostet Wohnraum im wichtigen Wirtschaftsstandort Shenzen das 40-Fache des durchschnittlichen Jahresgehalts. Für viele Chinesen ist der Traum von den eigenen vier Wänden nur mit hohen Krediten finanzierbar. Gleichzeitig gelten Immobilien weiterhin als Absicherung gegen die Inflation und werden auch als Spekulationsobjekte genutzt.
Inzwischen ist der Bausektor eine wichtige Stütze der chinesischen Wirtschaftsleistung geworden. Durch die Corona-Krise und die monatelangen Lockdowns kamen viel Bauprojekte in China aber monatelang nicht voran. Chinas Staats- und Parteiführung versucht inzwischen hektisch, gleichzeitig die Überschuldung der Baukonzerne einzudämmen und die Bautätigkeit wieder anzuregen. Strengere Finanzierungsvorgaben für Banken an die Baufirmen wurden Ende 2022 zunächst erlassen, dann aber wieder aufgeweicht. Inzwischen fließen wieder viele staatliche Milliarden als Geldspritzen an die hoch verschuldeten Unternehmen.
Kann die Staatsführung den Abwärtstrend stoppen?
Ob dies den Sektor und damit die chinesische Wirtschaft wirklich ausreichend stimulieren kann, ist zweifelhaft. Nach aktuellen Regierungsdaten gingen die Investitionen im Immobiliensektor im Juli um 8,5 Prozent zurück. Die Zwickmühle der Staatsführung wird durch die nur schwach wachsende chinesische Wirtschaft und steigende Arbeitslosigkeit in dem Land noch größer. Chinas Bruttoinlandsprodukt (BIP) hatte vom ersten auf das zweite Quartal 2023 nur noch um 0,8 Prozent zugelegt.
China trägt am meisten zur Weltwirtschaft bei
Und die Schwäche der chinesischen Konjunktur wird quasi automatisch zum Problem für die Weltwirtschaft. China ist weltweit größter Exporteur und größter Importeur in die USA, die größte Volkswirtschaft der Welt. Auch für die EU und Deutschland bleibt China ein wichtiger Handelspartner. Der Anteil der kaufkraftbereinigten Wirtschaftsleistung Chinas an der Weltwirtschaft betrug im vergangenen Jahr 18,48 Prozent, das geht aus Daten des Internationalen Währungsfonds (IWF) hervor. Damit liegt der Anteil auch höher als der der USA, die nur auf 15,6 Prozent kam. Wenn Chinas Immobiliensektor und die chinesische Wirtschaft wankt, ist also auch die Weltkonjunktur hochgradig gefährdet.