Konjunkturprognose abgesenkt EU-Kommission erwartet Rezession in Deutschland
Die Europäische Kommission hat ihre Wachstumsprognose für die Eurozone deutlich auf 0,8 Prozent nach unten korrigiert. Die größte Volkswirtschaft des Währungsraums dürfte demnach in die Rezession rutschen.
In ihrer aktuellen Sommerprognose blickt die Europäische Kommission deutlich skeptischer auf die Konjunktur in der Eurozone als noch im Frühjahr. Für die 20 Staaten der Währungsunion erwartet die Brüsseler Behörde 2023 nur noch ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 0,8 Prozent. Im Mai hatte die Kommission noch ein Plus von 1,1 Prozent prognostiziert.
Die Folgen des Ukraine-Krieges, steigende Zinsen und die hohe Inflation sorgten für "mehrfachen Gegenwind", der das Wachstum stärker bremse als im Frühjahr gedacht, erklärte EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni. So hielten sich die Konsumenten angesichts der hohen und weiter steigenden Verbraucherpreise zurück. Das gelte ungeachtet sinkender Energiekosten und eines außergewöhnlich starken Arbeitsmarktes in den Euroländern.
Brüssel sieht Deutschland in der Rezession
Gebremst wird die Entwicklung durch Deutschland, die größte Volkswirtschaft des Währungsraums. Wie schon mehrere Wirtschaftsforschungsinstitute zuvor erwartet die Brüsseler Kommission nun, dass die deutsche Wirtschaft in die Rezession steuert. Sie dürfte danach um 0,4 Prozent schrumpfen. Im Mai hatte die Kommission noch ein Wachstum von 0,2 Prozent veranschlagt.
Der Industriestandort leidet besonders unter den hohen Energiekosten und dem schwachen weltwirtschaftlichen Umfeld, nicht zuletzt der Konjunkturschwäche Chinas.
"In unserer Prognose gibt es den klaren Hinweis auf die gedämpfte Wirtschaftslage in Deutschland und auf das negative Wachstum in diesem Jahr", sagte Gentiloni. "Wir alle wissen, dass es dafür gute Gründe gibt, aber wir wissen auch, dass es sich um eine starke Wirtschaft handelt mit den nötigen Mitteln und der Möglichkeit, sich wieder zu erholen."
Weniger Wachstum, weniger Preisdruck
Weniger Wachstum bedeutet aber auch geringeren Preisdruck. Die Inflation im Euroraum erreicht laut Prognose im Jahresdurchschnitt 5,6 Prozent und 2,9 Prozent im kommenden Jahr - also immer noch über dem Ziel der Europäischen Zentralbank, die mittelfristig 2 Prozent anpeilt. Die EZB hat sich mit mehreren Zinserhöhungen gegen die Inflation gestemmt, was mittlerweile die Konjunktur deutlich bremst.
Dass Banken spürbar weniger Kredite an die Wirtschaft vergeben, zeigt nach Ansicht der Kommission, dass die Straffung der Geldpolitik in der Wirtschaft ankommt. "Für die Fiskalpolitik ist das ein schmaler Grat. Die Herausforderung besteht darin, weiterhin Investitionen zu mobilisieren, etwa durch EU-Fonds oder nationale Mittel, ohne dabei die Geldpolitik zu untergraben", sagte Gentiloni.
Trendwende im kommenden Jahr?
Für das kommende Jahr sieht die Brüsseler Behörde eine leichte Besserung. Gestützt auf den "starken Arbeitsmarkt, rekordniedrige Erwerbslosigkeit und nachlassenden Preisdruck" werde sich nach einer Phase der Schwäche ein milder Aufschwung entwickeln, sagte der Vizepräsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis.
Dann rechnet die Kommission mit einem Wachstum von 1,3 Prozent in der Eurozone und mit 1,1 Prozent in der Bundesrepublik. In allen 27 EU-Ländern erwartet Brüssel für dieses Jahr 0,8 Prozent Wachstum und 1,4 Prozent im kommenden Jahr.
Mit Informationen von Jakob Mayr, ARD-Studio Brüssel.