Warnung des Währungsfonds IWF sieht Weltwirtschaft in "riskanter Phase"
Der Internationale Währungsfonds hat seine Prognose für das globale Wirtschaftswachstum leicht nach unten korrigiert. Vor allem die anhaltend hohe Inflation bereitet dem IWF Sorgen
Die Aussichten für die Weltwirtschaft haben sich nach Einschätzung des Internationalen Währungsfonds (IWF) zuletzt leicht eingetrübt. Der heute vorgestellten neuen Konjunkturprognose des IWF zufolge wird sich das globale Wachstum in diesem Jahr auf 2,8 Prozent verlangsamen - nach einem Plus von 3,4 Prozent im vergangenen Jahr. Noch im Januar war der Währungsfonds von einem weltweiten Wachstum von 2,9 Prozent ausgegangen.
Bemerkenswert sei, dass die Wirtschaft besonders in den Industrienationen nur langsam wachse. Für sie prognostiziert der IWF, dass die Wirtschaftsleistung in diesem Jahr um 1,3 Prozent zunimmt. In den Schwellen- und Entwicklungsländern sieht es mit einem vorhergesagten Wachstum von 3,9 Prozent hingegen deutlich besser aus.
Deutsche Wirtschaft stagniert
Auch für Deutschland hat der IWF seine Vorhersage um 0,2 Prozentpunkte im Vergleich zu Januar leicht nach unten korrigiert. Er rechnet jetzt mit einem Mini-Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,1 Prozent. Für 2024 sagt der Bericht dann wieder ein Wachstum um 1,1 Prozent voraus.
Etwas zuversichtlicher hatten sich Anfang April führende deutsche Wirtschaftsinstitute mit Blick auf 2023 gezeigt. Für das laufende Jahr rechnen sie mit einem Mini-Wachstum des Bruttoinlandsprodukts um 0,3 Prozent. Immer klarer wird damit, dass es zu der befürchteten Rezession in Deutschland nicht kommen wird.
Inflation weit von Zielmarke entfernt
"Wir treten in eine riskante Phase ein, in der das Wirtschaftswachstum im historischen Vergleich niedrig bleibt und die finanziellen Risiken zugenommen haben, ohne dass die Inflation bereits eine entscheidende Wende genommen hat", schrieb IWF-Chefvolkswirt Pierre-Olivier Gourinchas.
Weltweit sei es eine Gratwanderung, zum einen Preisstabilität wiederherzustellen und zum anderen ein Abrutschen in eine Rezession zu vermeiden, heißt es in der Prognose. Der IWF geht aber momentan nicht von einem weltweiten Abschwung aus. Besorgniserregend sei aber, dass die Inflation weniger deutlich zurückgehe als zunächst vorhergesagt. Für 2023 rechnet der Währungsfonds weltweit mit einer Teuerungsrate von im Schnitt 7 Prozent. Das sind 0,4 Prozentpunkte mehr als noch im Januar prognostiziert.
Im kommenden Jahr soll sie dann bei 4,9 Prozent liegen, ein Plus von 0,6 Prozentpunkten. Für die Industrienationen rechnet der IWF in diesem Jahr mit einer Inflationsrate von 4,7 Prozent. Diese Werte sind von der Zielmarke von 2 Prozent, die Notenbanken für ökonomisch gesund halten, noch deutlich entfernt. Der Kampf gegen die Inflation sei deutlich zäher als noch vor einigen Monaten erwartet, hieß es.
"Situation ist fragil"
Der Bericht sieht deshalb erhebliche Risiken, die eine wirtschaftliche Erholung gefährdeten. Zwar trage die strenge Geldpolitik der Zentralbanken langsam Früchte. Aber nun dürften die Notenbanken im Kampf gegen die hohen Verbraucherpreise nicht nachlassen. Die Zinsanhebungen bergen allerdings die Gefahr, die Wirtschaft auszubremsen. "Unter der Oberfläche bauen sich Turbulenzen auf, und die Situation ist recht fragil, wie uns die jüngste Instabilität im Bankensektor vor Augen geführt hat", so der IWF.
Der Währungsfonds schildert deswegen ein "plausibles Alternativszenario": Sollte etwa der Stress im Finanzsektor anhalten, könnte das weltweite Wirtschaftswachstum in diesem Jahr auf 2,5 Prozent fallen. Das wäre laut IWF das schwächste Wachstum seit dem globalen Abschwung 2001 - mit Ausnahme des Beginns der Corona-Pandemie und der Finanzkrise 2009. In diesem Szenario würde das Wachstum in den Industrienationen bei unter einem Prozent liegen.
Keine Anzeichen für Lohn-Preis-Spirale
Der IWF wertete es als positiv, dass sich die Wirtschaft langsam von den Folgen des russischen Einmarsches in die Ukraine erhole und auch die Folgen der Pandemie überwinde. Zentral dafür seien der Rückgang der "kriegsbedingten Verwerfungen" auf dem Energie- und Lebensmittelmarkt und das Ende der Corona-Abschottung in China.
Der Währungsfonds sieht weitere positive Signale: Zum einen gebe es aktuell keine Anhaltspunkte für eine unkontrollierte Lohn-Preis-Spirale, also den Effekt, dass zu stark steigende Löhne als Reaktion auf die hohe Inflation die Preise weiter nach oben treiben.
Ein "Silberstreif am Horizont" sei auch, dass die Turbulenzen im Bankensektor dazu beitragen könnten, die Nachfrage auszubremsen - und so einen ähnlichen Effekt wie Zinserhöhungen haben könnten. Damit könnten sie beim Senken der Inflationsrate helfen.