Konjunkturprognosen gesenkt Institute trauen Wirtschaft nur noch Mini-Wachstum zu
Führende Konjunkturinstitute sehen Deutschland derzeit am Rande der Rezession. Auch für das Gesamtjahr trauen die Ökonomen vom ifo Institut und vom IfW der Wirtschaft nur ein mageres Wachstum zu.
Die Wirtschaftsforschungsinstitute blicken deutlich skeptischer auf die Konjunktur in Deutschland. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) werde 2024 nur um magere 0,2 Prozent zulegen und werde damit noch weniger wachsen als noch im Januar erwartet worden war (0,7 Prozent). Das teilte das ifo Institut mit. "Die deutsche Wirtschaft ist wie gelähmt." Unter Unternehmen und Haushalten sei "die Stimmung schlecht und die Unsicherheit hoch".
Auch das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) senkte seine Konjunkturprognose massiv und erwartet praktisch eine Stagnation. Das BIP werde im laufenden Jahr nur um 0,1 Prozent wachsen statt der bisher erwarteten 0,9 Prozent, hieß es in der heute veröffentlichten Schätzung. Auch die Bundesregierung hatte ihre Prognose für 2024 jüngst von 1,3 auf 0,2 Prozent Wachstum gesenkt.
Winterrezession erwartet
"Eine konjunkturelle Erholung lässt weiter auf sich warten", erklärte das IfW. "Die Frühindikatoren signalisieren, dass die Wirtschaftsleistung in der ersten Jahreshälfte kaum mehr als stagnieren wird." Laut jüngster Prognose zeichnet sich erst nach dem Frühjahr eine Verbesserung ab. Privater Konsum und Exporte erholten sich später beziehungsweise weniger dynamisch, zudem zeigten sich die Investitionen äußerst schwach.
Eine spürbare Erholung lasse noch auf sich warten, meint auch ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. "Mit dem allmählichen Wegfall der Belastungen bei Zinsen und Preisen und den Auswirkungen der höheren Kaufkraft für die Verbraucher" werde sich die Wirtschaftsleistung erst zur Jahresmitte beschleunigen. Im laufenden Quartal erwartet das ifo Institut, dass die Wirtschaftsleistung um 0,1 Prozent sinken und Deutschland damit in eine technische Rezession abrutschen wird.
Denn bereits Ende 2023 war das BIP um 0,3 Prozent gesunken. "Die Konsum-Zurückhaltung, die hohen Zinsen und Preissteigerungen, die Sparbeschlüsse der Regierung und die schwache Weltkonjunktur dämpfen derzeit die Konjunktur in Deutschland und führen erneut zu einer Winterrezession", so Wollmershäuser.
Arbeitsmarkt trotz Wirtschaftsflaute recht robust
Für das kommende Jahr erwarten die IfW-Ökonomen derweil wie bisher 1,2 Prozent Wachstum. "Insgesamt gehen wir davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt 2025 nur magere zwei Prozent über dem Niveau aus dem Jahr 2019 liegen wird.
Das ifo erhöhte dagegen seine Wachstumsschätzung für 2025 um 0,2 Punkte auf 1,5 Prozent. Gute Nachrichten sehen die Experten am Arbeitsmarkt. Trotz der Konjunkturflaute werde die Zahl der Beschäftigten sogar noch von 45,9 auf 46,1 Millionen steigen, und im kommenden Jahr den Rekordwert von 46,2 Millionen erreichen.
Die Zahl der Arbeitslosen steigt laut ifo nur von gut 2,6 auf 2,7 Millionen und sinkt im kommenden Jahr wieder unter 2,6 Millionen. Die Arbeitslosenquote dürfte damit von 5,7 Prozent 2023 erst auf 5,9 Prozent steigen, dann aber 2025 auf 5,6 Prozent fallen.
Experten sehen bei Inflationsrate bei 2,3 Prozent
"Die Beschäftigung dürfte im laufenden Jahr noch einmal etwas zulegen, bevor sie im Zuge des demografischen Wandels auf einen Abwärtstrend einschwenkt", erklärten auch die Experten vom IfW. Der anhaltend hohe Fachkräftemangel werde auch in Reaktion auf die in den vergangenen Jahren hohe Inflation zu deutlich steigenden Löhnen führen.
Da die Verbraucherpreise im Jahresschnitt 2024 nur noch um 2,3 Prozent und im nächsten Jahr um 1,7 Prozent klettern dürften, "werden die real verfügbaren Einkommen im laufenden Jahr erstmals nach drei Jahren wieder steigen und den privaten Konsum stimulieren". Das ifo prognostiziert ebenfalls einen Anstieg der Verbraucherpreise um 2,3 Prozent. Im kommenden Jahr werde die Inflationsrate sogar auf 1,6 Prozent fallen und damit unter das Zwei-Prozent-Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB).
Bei den Firmeninvestitionen hingegen mache sich das schwache konjunkturelle Umfeld deutlich bemerkbar, so das IfW weiter. Auch die Exporte dürften im laufenden Jahr laut Schätzung noch einmal spürbar um 1,7 Prozent zurückgehen, bevor sie mit dem sich allmählich wieder belebenden Welthandel auf einen moderaten Expansionskurs einschwenken. Der gestörte Schiffsverkehr im Roten Meer als Folge des Kriegs in Nahost dürfte den deutschen Außenhandel nur kurz beeinträchtigt haben.