Bremer Stahlwerk.
faq

Bruttoinlandsprodukt 2023 gesunken Warum die deutsche Wirtschaft schrumpft

Stand: 15.01.2024 10:34 Uhr

Krisen, Kriege, Konsumflaute: Die deutsche Wirtschaftsleistung ist im vergangenen Jahr zurückgegangen. Was sind die Gründe dafür? Und können Verbraucher und Unternehmen auf eine Erholung in den kommenden Monaten hoffen?

Die Wirtschaftsleistung in Deutschland ist im vergangenen Jahr zurückgegangen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sank laut einer ersten Schätzung des Statistischen Bundesamts in Wiesbaden 2023 um 0,3 Prozent zum Vorjahr. Ein Jahr zuvor hatte es nach jüngsten Berechnungen noch 1,9 Prozent Wachstum gegeben.

Wie lief es in den einzelnen Quartalen?

Im ersten Quartal wuchs die Wirtschaftsleistung in Deutschland preis-, saison- und kalenderbereinigt noch minimal um 0,1 Prozent zum Vorquartal. Im zweiten und auch im dritten Vierteljahr stagnierte das BIP dann in Europas größter Volkswirtschaft. Im Schlussquartal schrumpfte die Wirtschaftsleistung laut einer ersten Schätzung der Statistiker schließlich um 0,3 Prozent.

Was ist eine Rezession?

Ökonomen sprechen bei zwei Quartalen mit schrumpfender Wirtschaftsleistung in Folge von einer "technischen Rezession". Streng genommen wäre das also der Fall, wenn das Bruttoinlandsprodukt auch im laufenden ersten Quartal des neuen Jahres zurückgeht. Auch Anfang 2024 bleiben die konjunkturellen Aussichten in Deutschland indes getrübt. "Die wirtschaftliche Schwächephase hält auch zum Jahreswechsel 2023/24 an", erklärte etwa das Bundeswirtschaftsministerium.

Warum schrumpft die deutsche Wirtschaft?

Experten zufolge ist vor allem die lahmende Weltkonjunktur aber auch die Konsumzurückhaltung der Verbraucher infolge hoher Inflationsraten für die schwache deutsche Konjunktur verantwortlich. "Die deutsche Wirtschaft bewegt sich seit fast vier Jahren in einem nahezu andauernden Krisenmodus", hält das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) fest. Auf die Corona-Krise folgte im Februar 2022 der russische Angriff auf die Ukraine, der die Preise für Energie und Nahrungsmittel zeitweise extrem steigen ließ. Der Nahostkonflikt sorgt für neue Unsicherheit, zudem trifft die jüngste Haushaltskrise Deutschland in einem Moment wirtschaftlicher Schwäche.

Wo läuft es derzeit für Deutschlands Wirtschaft besonders schlecht?

Die Industrie gilt nicht umsonst als Motor der deutschen Wirtschaft, trägt sie doch etwas mehr als ein Viertel zum hiesigen Bruttoinlandsprodukt bei. Doch dieser Motor stottert gewaltig. So ist die Industrieproduktion im November den sechsten Monat in Folge gefallen. Eine vergleichbar lange Negativserie hatte es zuletzt 2008 während der Finanzkrise gegeben. Die Produktion liege fast vier Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie um mehr als neun Prozent unter dem Niveau davor, rechnet ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski vor.

Gibt es Hoffnung auf eine Erholung 2024?

Ökonomen sind skeptisch, sie verweisen auf die hohe Inflation, die auf dem Konsum lastet, gestiegene Zinsen bremsen Bauwirtschaft und Investitionen aus, während die Weltkonjunktur weiter schwächelt. Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer rechnet für 2024 mit einem Minus von 0,3 Prozent beim Bruttoinlandsprodukt. Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) teilt diese Einschätzung. ifo-Präsident Clemens Fuest zufolge sind Deutschlands wirtschaftliche Aussichten für 2024 "eher bescheiden": "Das Wirtschaftswachstum wird nach unserer Einschätzung irgendwo zwischen null und einem Prozent landen. Es kann, wenn es schlecht läuft, aber auch ins Negative rutschen."

Welche Rolle spielt dabei die Geldpolitik?

Höhere Zinsen bedeuten höhere Finanzierungskosten für die Unternehmen, das dämpft die Investitionen. Auch die Bauwirtschaft wird angesichts gestiegener Bauzinsen ausgebremst. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte den Leitzins im Dezember zum zweiten Mal in Folge unverändert bei 4,5 Prozent belassen. Vorangegangen waren zehn Zinserhöhungen. Experten rechnen mit einer ersten Leitzinssenkung im Jahresverlauf, sind aber noch uneins über den genauen Zeitpunkt.

Welche Folgen hat das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts?

Das Karlsruher Urteil vom 15. November zwingt die Ampel-Koalition zum Sparen. Unsicherheiten und Widerstände sind groß - siehe die jüngsten Bauernproteste. Der Staat werde "zur Konjunkturbremse", schreibt das HWWI mit Blick auf 2024: "Die verringerten Fördermöglichkeiten durch den Staat, insbesondere die nun fehlenden Mittel im Klima- und Transformationsfonds, dürften sich in den davon betroffenen Bereichen auch dämpfend auf die Investitionsneigung der Unternehmen auswirken und Standortüberlegungen verstärken."

Der deutsche Staat hatte im vergangenen Jahr abermals mehr Geld ausgegeben als eingenommen. Bezogen auf die gesamte Wirtschaftsleistung lag das Defizit von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherung dem Statistischen Bundesamt zufolge 2023 bei 2,0 Prozent.

Mit Informationen von Angela Göpfert, ARD-Finanzredaktion.

Volker Hirth, HR, tagesschau, 15.01.2024 11:38 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 15. Januar 2024 um 11:00 Uhr.