Norwegische Zentralbank Größte Zinserhöhung seit 20 Jahren
Die norwegische Zentralbank sieht sich angesichts der rasant steigenden Inflation zu drastischen Maßnahmen gezwungen. Die Norges Bank hob den Leitzins so stark an wie seit 20 Jahren nicht mehr.
Im Kampf gegen die hohen Teuerungsraten hat die norwegische Zentralbank den Leitzins deutlich angehoben: Er steigt um einen halben Prozentpunkt auf 1,25 Prozent. Das letzte Mal hatten die Währungshüter im Jahr 2002 einen solch starken Zinsschritt gewagt. Ökonomen hatten mehrheitlich nur mit einem Zinsschritt von 0,25 Prozentpunkten gerechnet.
Leitzins soll auf 3,0 Prozent steigen
Ida Wolden Bache, seit April Präsidentin der Norges Bank, stellte zudem für den August eine weitere Zinserhöhung ein Aussicht. Der Leitzins soll dann wahrscheinlich auf 1,5 Prozent weiter hochgesetzt werden. Weitere rasche Zinsschritte dürften folgen. Bis Sommer 2023 soll der Leitzins 3,0 Prozent betragen.
Ida Wolden Bache will lieber schneller als zu spät an der Zinsschraube drehen.
"Erwartungen einer längeren Phase mit hoher Inflation legen einen rascheren Anstieg des Leitzinses nahe als in früheren Vorhersagen," erklärte Wolden Bache. Eine schnellere Zinserhöhung jetzt werde das Risiko einer weiterhin hoch bleibenden Inflation und die Notwendigkeit einer später noch stärkeren Straffung der Geldpolitik verhindern.
Dabei gebe die Norwegische Krone, die angesichts des schlechten Marktsentiments seit April unter Abwärtsdruck steht und nach dem Geschmack der Notenbank nicht die fundamentalen Gegebenheiten widerspiegeln dürfte, der Norges Bank zusätzlichen Spielraum für eine schnellere Vorgehensweise, betont Antje Praefcke, Devisen-Expertin bei der Commerzbank.
Norges Bank ist Zins-Vorreiter
Das skandinavische Industrieland hatte bereits im September 2021 die Nullzinspolitik beendet und damals den Leitzins um einen Viertel-Punkt auf 0,25 Prozent erhöht. Mit diesem Kurswechsel übernahm die Norges Bank unter den Notenbanken eine Vorreiterrolle.
Sie war die erste Zentralbank unter den größeren Volkswirtschaften, die ihren Leitzins seit Ausbruch der Corona-Pandemie anhob. Alle anderen großen Notenbanken, auch die US-amerikanische Federal Reserve, zögerten zu diesem Zeitpunkt noch, die Zinswende einzuleiten.
Ein Fehler, wie sich mittlerweile herausstellte. Die Fed musste daher zuletzt umso stärker aufs Bremspedal treten. Längst hat sie mit der Norges Bank gleichgezogen, sie mittlerweile sogar überholt: Mitte Juni schraubten die US-Währungshüter um Jerome Powell den Leitzins auf 1,5 bis 1,75 Prozent in die Höhe. Auch die Schweizer Notenbank wagte jüngst einen großen Zinsschritt.
Hohe Inflationsraten setzen Notenbanken unter Druck
Hintergrund des Trends zu höheren Leitzinsen in den großen Volkswirtschaften sind die rasant steigenden Verbraucherpreise. So war die Inflationsrate in Norwegen im Mai auf 5,7 Prozent im Vorjahresvergleich gestiegen. Ohne Berücksichtigung der Energiepreise lag sie bei 3,4 Prozent.
Die Norges Bank erhöhte nun ihre Inflationsprognosen: Für dieses Jahr rechnet sie bei der Kerninflation, welche die Schwankung der Energiepreise nicht berücksichtigt, mit einem Anstieg von 3,2 Prozent. Bisher hatte sie ein Plus von 2,5 Prozent prognostiziert. 2023 dürfte die Kerninflationsrate 3,3 Prozent erreichen. Zum Vergleich: Das Inflationsziel der Norges Bank liegt bei zwei Prozent.
Auch die Europäische Zentralbank (EZB) strebt mittelfristig eine Inflationsrate von zwei Prozent an. Die Inflationsrate in der Eurozone war im Mai auf durchschnittlich 8,1 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat gestiegen. Die EZB hat für Juli die erste Zinserhöhung seit 2011 in Aussicht gestellt. Die wichtigsten Zinssätze sollen dann um jeweils 0,25 Prozentpunkte angehoben werden.