Jahresbericht der Wirtschaftsweisen Ein Gutachten mit Zündstoff?
Wie sich die Wirtschaft im kommenden Jahr entwickelt - dazu legen die Wirtschaftsweisen heute ihr Jahresgutachten vor. Darin sind sie offenbar etwas optimistischer als die Bundesregierung. Für Zündstoff könnten ihre Steuervorschläge sorgen.
Die sogenannten Wirtschaftsweisen überreichen am Mittag ihr Jahresgutachten Bundeskanzler Olaf Scholz. Am Nachmittag stellen die fünf Ökonominnen und Ökonomen ihre Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung dann vor. Sie beschreiben darin die wirtschaftliche Lage angesichts von hoher Inflation und Energiekrise, empfehlen aber auch, welche Weichen gestellt werden müssen, um die Energiekrise zu überwinden.
Wie der "Spiegel" vorab berichtet, sind die Sachverständigen bei ihrer Begutachtung der Wirtschaftslage etwas optimistischer als die Bundesregierung. Demnach rechnen sie mit 1,7 Prozent Wachstum im laufenden Jahr - und liegen damit 0,3 Prozentpunkte über der Regierungsprognose. Für 2023 erwarten zwar auch die Experten eine Rezession, die werde aber mit 0,2 Prozent milde ausfallen.
Leichter Rückgang der Inflation erwartet
Außerdem rechnen die Wirtschaftsweisen laut einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" (SZ) unter Berufung auf das Gutachten mit einem leichten Rückgang der Inflation im kommenden Jahr. Der Sachverständigenrat sage für 2023 eine Teuerungsrate von 7,4 Prozent voraus, berichtete die SZ. Damit würde die Inflation gegenüber diesem Jahr, für das die Wirtschaftsweisen mit acht Prozent rechnen, leicht zurückgehen.
Zudem raten die Wirtschaftsweisen der Zeitung zufolge, zeitweise einen höheren Spitzensteuersatz oder einen Energiesoli für Besserverdienende zu verlangen, um die Entlastungspakete bezahlbarer zu machen. Sie sprechen sich demnach zudem für längere Laufzeiten der Atomkraftwerke aus.
Zustimmung und Ablehnung zu Steuervorschlägen
Zu den Steuervorschlägen der Wirtschaftsweisen kamen unterschiedliche Reaktionen: Zustimmung kommt von der SPD und den Grünen, Ablehnung von der FDP und der oppositionellen CDU.
So begrüßte es die SPD-Vorsitzende Saskia Esken, "dass die Wirtschaftsweisen in ihrem Jahresgutachten Forderungen der SPD aufgreifen und vorschlagen, Besserverdienende und Menschen mit sehr hohen Vermögen stärker an der Bewältigung der Krisen zu beteiligen". Sie äußerte sich in der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten".
Die CDU-Mittelstandspolitikerin Gitta Connemann kritisierte die Steuervorschläge der Wirtschaftsweisen im "Handelsblatt" als "realitätsfern und toxisch".
Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung soll die Politik in ökonomischen Fragen beraten. Die Mitglieder sind unabhängige Expertinnen und Experten. Der Bundespräsident ernennt sie nach Vorschlag der Bundesregierung für fünf Jahre - Wiederberufungen sind möglich.
Die Mitglieder erstellen regelmäßig Gutachten zur konjunkturellen Lage Deutschlands. Diese enthalten auch Prognosen und sollen wirtschaftliche Fehlentwicklungen aufzeigen. Jeweils im November veröffentlichen die Wirtschaftsweisen ein umfangreiches Jahresgutachten. Hinzu kommen Sondergutachten und Expertisen zu ausgewählten Themen.
Zweifel äußerte der Präsident des Wirtschaftsforschungsinstitutes Ifo, Clemens Fuest. "Wenn man mitten in einer Wirtschaftskrise Einkommensteuern erhöhen will, muss man das sehr gut begründen", sagte er der "Rheinischen Post". "Ein einmal eingeführter Einkommensteuerzuschlag wird nicht so schnell wieder abgeschafft, wie das Beispiel des Solidaritätszuschlags zeigt."
Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung berät die Politik. Die Experten werden umgangssprachlich auch als Wirtschaftsweise bezeichnet. Dem Sachverständigenrat gehören erstmals drei Frauen an, es sind die Vorsitzende Monika Schnitzer, Veronika Grimm und Ulrike Malmendier. Dazu kommen Achim Truger und Martin Werding.