Wirtschaft schrumpft um ein halbes Prozent Können Konjunkturprogramme helfen?
Die Wirtschaft ist im zweiten Quartal geschrumpft. Das Bruttoinlandsprodukt sank um 0,5 Prozent im Vergleich zum ersten Vierteljahr. Wegen der Entwicklung werden Rufe nach staatlichen Konjunkturprogrammen lauter - aber die sind auch umstritten. Wie können sie helfen und wovon hängt ihr Erfolg ab?
Von David Rose, tagesschau.de
Die deutsche Wirtschaft ist im zweiten Quartal zum ersten Mal seit vier Jahren geschrumpft. Im Vergleich zum ersten Vierteljahr sank das Bruttoinlandsprodukt um 0,5 Prozent, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Parallel ging auch in der Europäischen Union (EU) zum ersten Mal seit Einführung der Gemeinschaftswährung Euro die Wirtschaftsleistung zurück. Sie lag im zweiten Quartal EU-weit um 0,1 Prozent unter dem Wert des ersten Quartals.
Milliardenprogramme für den Aufschwung
Die schlechten Nachrichten waren bereits erwartet worden. Aufgrund dieser Entwicklung ertönen immer lautere Rufe nach staatlichen Konjunkturprogrammen. Angst vor den Folgen einer möglichen Rezession erzeugt Aktivität. Die USA haben Anfang des Jahres ein Milliardenpaket verabschiedet, Japan und Spanien wollen folgen. Auch das Wirtschaftsministerium von Michael Glos bestätigte im Juli Überlegungen für ein Konjunkturprogramm. Hinter diesem Begriff verbergen sich aber sehr unterschiedliche Instrumente. Klassische Konjunkturprogramme eint das Ziel, die Nachfrage zu stärken. Umgesetzt wird diese Idee am häufigsten durch Steuersenkungen, durch die Förderung privater Investitionen oder durch direkte staatliche Investitionen.
Erfolg oder Misserfolg hängen von vielen Faktoren ab. Regierungen können nur einige davon beeinflussen. Die schwer kontrollierbare Entwicklung der Weltwirtschaft hinterlässt in Exportnationen wie Deutschland tiefe Spuren. Zins- und Geldpolitik, die für die Investitionsbereitschaft eine wichtige Rolle spielen, liegen in den Händen unabhängiger Zentralbanken. Oft entscheiden zudem die Zukunftserwartungen darüber, ob Unternehmen und Verbraucher Geld ausgeben. "Ökonomie ist zur Hälfte Psychologie", sagt Werner Abelshauser, Professor für Wirtschaftsgeschichte an der Universität Bielefeld. Das Beste für die Konjunktur seien Wirtschaftsminister, die den Menschen glaubhaft die Aussage vermitteln könnten: Es wird gut.
Erwartungen entscheiden über Investitionen
"Von klassischen Konjunkturprogrammen, die auf Ausgabensteigerungen setzen, halte ich überhaupt nichts. Deren Wirkungslosigkeit haben die Erfahrungen aus den 70er-Jahren gezeigt. Am Ende standen höhere Schulden, die Konjunktur ist dadurch aber nicht angesprungen. Zusätzliches Wachstum ist nur durch niedrigere Steuern und Abgaben zu erreichen."
Nur wer Vertrauen in eine bessere Zukunft hat, investiert zusätzliches Geld. Wirtschaftsminister Glos will dafür sorgen, dass die Bundesbürger mehr in der Tasche haben und ausgeben können. Im Rahmen eines Konjunkturprogramms sind daher die Rückkehr zur alten Pendlerpauschale, ein höherer Freibetrag bei der Einkommensteuer sowie eine Anpassung des Steuertarifs im Gespräch. Wenn die Menschen ihr Geld investieren, steigt die Nachfrage. Falls sie aber wenig Vertrauen in die künftige Entwicklung haben und weiter sparen, verpuffen solche Programme weitgehend wirkungslos.
Geringer ist diese Gefahr bei Investitionsprämien, günstigen Krediten und der steuerlichen Förderung von Investitionen. Beispiele für diese Vorgehensweise sind das CO2-Sanierungsprogramm für Gebäude und die von der Großen Koalition 2006 eingeführte Möglichkeit, Aufträge für Handwerkerarbeiten teilweise von der Steuer abzusetzen. Doch oft kommt es zu Mitnahmeeffekten. Der Staat finanziert dann private Ausgaben mit, die teilweise ohnehin geplant waren.
Bei klassischen Konjunkturprogrammen tritt der Staat aber vielfach direkt als Investor auf und gibt Geld für den Straßenbau und andere Infrastrukturprojekte aus. So entschied sich die Bundesregierung dafür, einen Teil der 25 Milliarden Euro aus dem Investitionsprogramm von 2006 für den Ausbau der Verkehrswege bereitzustellen. Direkte Investitionen gelten bei Befürwortern als vergleichsweise erfolgreich, weil sie Schätzungen zufolge pro investiertem Euro den größten positiven Effekt auf das Bruttoinlandsprodukt haben. Kritiker bescheinigen solchen Ausgabenprogrammen aber bestenfalls einen Strohfeuer-Effekt ohne langfristige Wirkung.
Schwierige Finanzierung
Alle Konjunkturprogramme kosten Geld. Um einen spürbaren Effekt zu erreichen, ist meist der Einsatz von Milliardensummen erforderlich. Wenn sich der Staat dieses Geld sofort über Steuererhöhungen zurückholt, bleibt die gewünschte Wirkung oft aus. Meist werden Konjunkturprogramme daher über Kredite finanziert. Dadurch steigt die Schuldenlast der öffentlichen Haushalte. Kurzfristig konkurriert der Staat zudem auf dem Kapitalmarkt mit Privatunternehmen um Kredite. Dies kann zu höheren Zinsen und in der Folge zu weniger Investitionen führen, weil es zu teuer wird, sich Geld zu leihen.
In der Frage, ob und wann Konjunkturprogramme Sinn machen, sind sich Wirtschaftspolitiker und Ökonomen wie die fünf Wirtschaftsweisen keineswegs einig. Das liegt auch an der Vielzahl unterschiedlicher Instrumente. So zeigten sowohl die Partei Die Linke als auch die FDP Sympathien für die Überlegungen des Bundeswirtschaftsministeriums. Die Linke fordert jedoch ein staatliches Investitionsprogramm, die Liberalen drängen auf eine Steuersenkung.
Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) ist mit Blick auf die Folgen für den Haushalt dagegen, andere SPD-Politiker wie Bundesumweltminister Sigmar Gabriel plädieren für ein ökologisches Wachstumsprogramm. Doch Bundeskanzlerin Angela Merkel hat allen Überlegungen für ein neues Konjunkturprogramm zum jetzigen Zeitpunkt eine Absage erteilt. Den richtigen Zeitpunkt zu finden, ist laut Ökonomen extrem schwierig. Das gilt umso mehr, wenn den Programmen lange Entscheidungsprozesse vorausgehen.