Urteil zur Leiharbeit Nicht immer gleicher Lohn für gleiche Arbeit
Leiharbeiter werden meist schlechter bezahlt als Stammbeschäftigte. Durchschnittlich sind es 600 Euro weniger im Monat. Weniger Geld für die gleiche Arbeit - rechtlich ist das nicht zu beanstanden, entschied das Bundesarbeitsgericht.
Für die mehr als 800.000 Leihbeschäftigten in Deutschland ist das Urteil des Bundesarbeitsgerichts keine gute Nachricht. Denn das Gericht entschied: Vom sogenannten "Equal-Pay"-Grundsatz, dass für gleiche Arbeit gleicher Lohn gezahlt werden muss, darf in der Leiharbeit eine Ausnahme gemacht werden.
9 Euro pro Stunde statt 13 Euro
Geklagt hatte eine Leiharbeiterin aus Bayern, die 2017 mehrere Monate lang beim Modeunternehmen H&M eingesetzt war. Sie prangerte an, dass sie dort mit etwa 9 Euro Stundenlohn etwa ein Drittel weniger verdient habe als die Stammbeschäftigten, die mehr als 13 Euro erhielten.
Gemeinsam mit dem DGB Rechtsschutz zog sie durch die Instanzen und forderte diesen Lohnunterschied ein. Doch ohne Erfolg. Die Differenz von mehr als vier Euro die Stunde bekommt sie also nicht.
Geringerer Lohn muss im Tarifvertrag geregelt sein
Das Bundesarbeitsgericht erklärte heute, dass vom Grundsatz gleicher Lohn für gleiche Arbeit in der Leiharbeit abgewichen werden dürfe. Und zwar dann, wenn dieser schlechtere Lohn in einem Tarifvertrag geregelt ist. Eine Lücke im Europarecht, die Deutschland nutzt, macht das möglich: Grundsätzlich gilt zwar "Equal Pay". Wenn Leiharbeitsunternehmen mit Gewerkschaften Tarifverträge schließen, darf aber doch schlechter gezahlt werden.
In Deutschland ist das seit Jahren die Praxis. Mit der Folge, dass die Tarifbindung nirgends so hoch ist wie in der Leiharbeit - sie liegt bei 98 Prozent. Kein Wunder, denn nur durch diese Tarifverträge dürfen Leiharbeitsunternehmen ihre Beschäftigten schlechter bezahlen. Ohne die Tarifverträge würde "Equal Pay" ab dem ersten Arbeitstag gelten.
EuGH-Urteil als Vorgabe
Das Bundesarbeitsgericht hat daran nichts zu beanstanden. Bei der Entscheidung mussten die Richterinnen und Richter ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs berücksichtigen. Dieser hatte den Fall nämlich im Dezember vergangenen Jahres auf dem Tisch, weil das Bundesarbeitsgericht ihn vorgelegt hatte.
Der EuGH hatte damals gesagt, dass Leih- und Stammbeschäftigte alles in allem gleichermaßen geschützt werden müssen. Zwar dürfen Leihbeschäftigte schlechter bezahlt werden. Wenn das so ist, müssen sie dafür aber einen Ausgleich bekommen - beispielsweise deutlich mehr Urlaub.
Auch Zeit zwischen den Einsätzen wird bezahlt
Das Bundesarbeitsgericht musste nun klären, was das für das deutsche Recht bedeutet. Die Klägerin und der DGB Rechtsschutz pochten darauf, dass in den Tarifverträgen für die schlechtere Bezahlung kein Ausgleich vorgesehen war.
Die Richterinnen und Richter stimmten zwar zu. Sie sahen den Ausgleich aber woanders, nämlich im Gesetz. Anders als in anderen EU-Ländern werden Leiharbeiter in Deutschland nämlich in der Zeit zwischen zwei Arbeitseinsätzen bezahlt, also auch, wenn sie frei haben. Das ist gesetzlich so festgelegt. Aus Sicht des Bundesarbeitsgerichts gleicht diese Bezahlung in einsatzfreien Zeiten den schlechteren Lohn aus.
Klägeranwalt Rudolf Buschmann gab zu, sich nach dem EuGH-Urteil mehr erhofft zu haben. "Das ist eine Niederlage, mal abwarten, was das jetzt insgesamt bedeutet", so Buschmann. Er könne das Argument des Bundesarbeitsgerichts nicht nachvollziehen. Schließlich erhielten auch Stammbeschäftigte ihren Lohn, wenn mal nichts zu tun sei.
Gewerkschaften in schwieriger Rolle
Die Entscheidung, so viel ist klar, wirkt jedenfalls über den Einzelfall hinaus. Andere Leihbeschäftigte dürften nun ebenso schlechte Chancen haben, einen höheren Lohn einzuklagen.
Die Arbeitgeber zeigten sich zufrieden. Sie wollen weiter Tarifverträge schließen, wie Martin Dreyer vom Interessenverband der Deutschen Zeitarbeitsunternehmen IGZ erklärte.
In einer schwierigen Rolle sind nun die Gewerkschaften. Sie mussten sich vom Richter des Bundesarbeitsgerichts Rüdiger Linck die Frage gefallen lassen, warum sie überhaupt Tarifverträge abschließen, die schlechtere Bezahlung erst ermöglichen. Ohne die Tarifverträge würde "Equal Pay" schließlich gelten.
Die Antwort blieb aus. Von den Gewerkschaften kam auf das Urteil heute keine Reaktion. Sie befinden sich aktuell in Tarifverhandlungen mit den Leiharbeitsunternehmen. Es geht vor allem um eine Inflationsprämie für Leihbeschäftigte, die die Leiharbeitsunternehmen nicht zahlen wollen. Das sieht nicht danach aus, als würden sie die Tarifpartnerschaft überdenken.