LobbyControl kritisiert EU "Konzerne können Gesetze kapern"
Exklusiv-Veranstaltungen mit Wirtschaftsvertetern oder Politiker als Lobbyisten: Der Verein LobbyControl beklagt den Einfluss der Konzerne in der EU. Zwar habe sich einiges verbessert, doch das sei nicht genug.
Die EU tut laut LobbyControl zu wenig gegen den Einfluss von Konzernen auf politische Entscheidungen. Die Organisation beklagt in ihrem "Lobbyreport", dass wirksame Regeln fehlten, um den Einfluss von Wirtschaftsvertretern auf politische Entscheidungen zu begrenzen.
Zwar habe die EU bei der Lobbytransparenz und der Begrenzung von Interessenkonflikten in der vergangenen Legislaturperiode Fortschritte gemacht. Aber die Macht der Konzerne sei weiterhin zu groß.
Teilweise könnten Konzerne Gesetze und politische Prozesse "regelrecht kapern“, sagte die politische Geschäftsführerin von LobbyControl, Imke Dierßen. Eine zentrale Rolle spielen demnach auch die EU-Mitgliedstaaten: "Über den intransparenten Rat der EU boxen nationale Regierungen immer wieder die Interessen ihrer heimischen Industrien durch", heißt es in dem Bericht. Als Beispiel wird die deutsche Regierung genannt. Sie "verwässerte oder verzögerte zum Beispiel wirksame Abgastests oder bessere Regeln beim Kampf gegen Steuervermeidung und -hinterziehung."
"Unternehmen sind klar überrepräsentiert"
Als zentrale Faktoren für den Einfluss der Konzerne in Brüssel nennt LobbyControl die Abhängigkeit der EU-Bürokratie von Unternehmensexpertisen, das Anwerben von Politikern als Lobbyisten und privilegierte Zugänge durch Exklusiv-Veranstaltungen. Zudem könnten die Konzerne zur Durchsetzung ihrer Interessen auf eine große Zahl an Lobbyisten zugreifen. "Zwei Drittel der 25.000 Lobbyisten, die mit einem Jahresbudget von 1,5 Milliarden Euro Gesetze, Politik und öffentliche Meinung in Europa beeinflussen, vertreten Unternehmensinteressen", erklärte Nina Katzemich, Autorin des "EU-Lobbyreports 2019".
Der Einfluss von Wirtschaftsvertretern zeigt sich laut dem Bericht auch am Beispiel der EU-Kommission: "Unternehmen haben weiterhin einen privilegierten Zugang zu den Kommissionsmitgliedern und sind klar überrepräsentiert." In einer aktuellen Auswertung der Treffen von 22 der 28 EU-Kommissare zeige sich, dass gut jeder Dritte sich zu über 70 Prozent mit Wirtschaftsvertretern getroffen habe. "Die EU muss auch denjenigen Gehör verschaffen, die sich keine teure Lobbyvertretung in Brüssel leisten können."
Grüne: Bundesregierung deutlich intransparenter
Neue Transparenzregeln hätten am allgemeinen Zustand in der EU kaum etwas geändert. Zwar begrüßt LobbyControl den Vorstoß von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, nach dem sich Mitglieder der EU-Kommission, ihrer Kabinette und die Generalsekretäre seit Ende 2014 nur noch mit Organisationen oder Konzernen treffen dürften, die in einem freiwilligen Transparenzregister stehen. Die Organisation beklagt jedoch, dass die Registrierung bisher nicht verpflichtend sei. Zudem sollte die Regelung für alle EU-Institutionen gelten. Bisher schließt das Register nur Kommission und Parlament ein.
Die Grünen sehen insbesondere die deutsche Bundesregierung in der Verantwortung. "Brüssel hat ein Lobbyismusproblem, aber mittlerweile auch starke Transparenzregeln", erklärte ihr Spitzenkandidat für die Europawahl, Sven Giegold. Die Bundesregierung und der Bundestag seien deutlich intransparenter beim Lobbyismus als die EU-Institutionen.
Dies betont auch der Bericht von LobbyControl: Die EU sei bei Transparenz und ethischen Regeln für Lobbyismus ein gutes Stück weiter als Deutschland, wo es bisher keine Informationen über Treffen von Politikern mit Lobbyisten gebe.