Luftfahrt in der Krise "Der Boden bebt, unsere Industrie ist erschüttert"
Verluste in Höhe von neun Milliarden Dollar werden die Airlines in diesem Jahr voraussichtlich einfahren. Die internationale Luftfahrtvereinigung IATA spricht vom schlimmsten Einbruch in der Geschichte der Luftfahrt. "Der Boden bebt, unsere Industrie ist erschüttert" - so das Fazit von IATA-Chef Bisignani.
Von Bernd Musch-Borowska, ARD-Hörfunkstudio Südostasien
Die internationale Luftfahrtindustrie steckt in der schwersten Krise ihrer Geschichte. Die Branche rechnet in diesem Jahr mit einem Verlust in Höhe von rund 9 Milliarden US-Dollar. Angesichts der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise und der Rezession in zahlreichen Ländern, waren die Passagierzahlen im März um mehr als elf Prozent zurück gegangen, im April ging das Luftfracht-Volumen der Fluggesellschaften um mehr als 21 Prozent zurück.
Die Einnahmen der Fluggesellschaften werden in diesem Jahr voraussichtlich um 15 Prozent niedriger ausfallen, schätzt der internationale Branchenverband IATA. Das entspricht einem Rückgang von 80 Milliarden Dollar gegenüber dem vergangenen Jahr.
100.000 Jobs weltweit in Gefahr?
Sollte sich die Konjunktur nicht bald erholen, müsse in der Luftfahrtbranche mit dem Verlust von bis zu 100.000 Jobs gerechnet werden, sagte der Chefökonom der IATA, Brian Pearce, bei der Jahrestagung des Verbands in Kuala Lumpur. Allein in Europa könnten 25.000 Arbeitsplätze verloren gehen.
So schlimm sei es noch nie gewesen, sagte IATA-Generaldirektor Giovanni Bisignani bei der Eröffnung der Konferenz. "Unsere Branche ist im Überlebenskampf. Egal ob diese Krise lange dauert oder schnell vorüber geht. Denn auch wenn wir über die Krise hinaus blicken, müssen wir erkennen, dass es nicht so weiter gehen kann, wie bisher."
Neue globale Herausforderungen
Verstärkt wird die Krise für die Luftfahrtindustrie durch einen erneuten Anstieg der Treibstoffkosten. In der vergangenen Woche war der Preis pro Barrel Flugbenzin auf über 75 Dollar gestiegen, den höchsten Stand seit einem halben Jahr.
Auch der Gastgeber der IATA-Jahrestagung, Malaysias Premierminister Najib Tun Razak, rief zu einem Wandel in der Luftfahrtindustrie aus, um die Krise zu meistern. "Die Branche muss mit den Regierungen Hand in Hand arbeiten, um die globale Rezession, Schwankungen der Treibstoffpreise und die Gefahr der weltweiten Ausbreitung von Krankheiten zu überleben und Lösungen zu finden", forderte er.
Neue Maschinen weniger gefragt
Auch die Flugzeughersteller spüren die Krise. Viele Fluggesellschaften verschieben wegen des rückläufigen Reiseaufkommens die Bestellung neuer Flugzeuge oder haben Schwierigkeiten, ihre Aufträge zu finanzieren. Der europäische Flugzeugbauer Airbus hält aber weiterhin an seinem Ziel von 300 Neubestellungen in diesem Jahr fest. Obwohl die IATA in der vergangenen Woche davor gewarnt hatte, dass die Bestellungen für Flugzeuge um bis zu 30 Prozent zurück gehen könnten.