Pumpspeicherkraftwerk in Portugal "Riesenbatterie" für die Energiewende
In wenigen Jahren will Portugal 80 Prozent seines Stroms aus Erneuerbaren Energien decken. Aber was ist, wenn die Sonne mal nicht scheint oder es windstill ist? Dann hilft ein gigantisches Pumpspeicherkraftwerk.
Der Fluss Tâmega im struppigen, kiefernbewachsenen Norden Portugals ist einer der Hauptdarsteller in dieser Geschichte. Sie handelt davon, wie Ökostrom verlässlich ins Netz eingespeist werden kann, wenn er gebraucht wird - also unabhängig davon, ob Wind- und Sonnenenergie dann gerade verfügbar sind oder nicht.
Unten ein Stausee, oben ein Stausee, dazwischen knapp acht Kilometer unterirdischer Tunnelröhren, die Ingenieure des spanischen Energieunternehmens Iberdrola in den Berghang getrieben haben. Im oberen Stausee sammele sich Wasser, das aus dem unteren Stausee hochgepumpt wurde, erklärt Bauingenieur Rafael Chacón. Das werde gespeichert, um Ökostrom auf Abruf erzeugen zu können.
"Wie eine gigantische Batterie"
Das Wasser im oberen Reservoir ist ständig in Bewegung: Mal steigt der Pegel, mal fällt er. Je höher er ist, umso mehr Energie ist im System gespeichert. "Wie eine gigantische Batterie", erklärt Chacón. Wenn das portugiesische Stromnetz mehr Energie brauche, werde sie mit dem Wasser aus diesem oberen Staubecken erzeugt. Wenn überschüssige Energie im System ist, zum Beispiel an besonders windigen Tagen, wird damit das Wasser aus dem unteren Stausee nach oben gepumpt und im oberen Staubecken gespeichert.
Wasser und Schwerkraft machen es möglich. Das obere Staubecken hat laut Iberdrola eine Kapazität von 13,7 Kubikhektometern, also 13,7 Milliarden Litern Wasser. Sollten Wind und Sonne komplett ausfallen, könnte damit 24 Stunden lang der Strombedarf des Großraums Porto - die zweitgrößte Stadt des Landes - gedeckt werden. Das entspräche der Speicherkapazität von 1,5 Millionen Haushaltsbatterien oder von 400.000 Batterien für Elektroautos, sagt Iberdrola.
Zum Vergleich: Das gigantische Pumpspeicherkraftwerk "Nant de Drance" in den Walliser Alpen im Grenzgebiet zwischen der Schweiz und Frankreich könnte 20 Stunden lang Strom liefern, bevor der dortige Stausee leer wäre.
Herzstück tief im Berghang
Das Herzstück dieses portugiesischen Pumpspeicherkraftwerkes findet sich tief in einem Berghang. Tunnel führen auf eine gewaltige Kaverne zu, es ist laut. Vier große Pumpturbinen stehen hier. Drei davon pumpen lautstark Wasser vom unteren in den oberen Stausee.
Chacón erklärt das Besondere daran: Das Pumpspeicherkraftwerk kann jederzeit umschalten zwischen dem Pump- und dem Stromerzeugungsmodus, je nach Bedarf. Zeiten mit niedrigem Stromverbrauch werden dafür genutzt, das obere Reservoir aufzufüllen. In den Morgenstunden, wenn in ganz Portugal die Haartrockner angehen, versorgt das Kraftwerk das Stromnetz mit zusätzlicher Energie, wie auch zu anderen Spitzenzeiten, etwa zur Abendessenszeit.
Im Inneren des Staudamms stecken vier große Pumpturbinen.
40.000 Liter pro Sekunde
Das Ganze funktioniert nicht etwa mit einer Zeitschaltuhr, sondern buchstäblich auf Abruf. Das Pumpspeicherkraftwerk ist komplett an Portugals Stromnetz angebunden: Wird mehr Strom gebraucht, bekommt es ein Signal, enorme Ventile öffnen sich und Wassermassen stürzen durch lange Rohrleitungen herab. Aus kinetischer Energie wird mithilfe der röhrenden Turbinen Ökostrom.
40.000 Liter pro Sekunde können durch jede der vier Pumpturbinen fließen, damit ließen sich 200 große Badewannen füllen. Zusammengenommen haben alle vier eine Leistung von 880 Megawatt.
Erheblicher Eingriff in die Landschaft
Das Riesenprojekt stellt einen erheblichen Eingriff in die Landschaft dar. An der verbleibenden Großbaustelle im Bereich des unteren Stausees, wo auch ohne Pumpspeicher Energie erzeugt wird, wird das sehr deutlich. Hier wird am letzten der insgesamt drei Staudämme gearbeitet; fast 80 Meter hoch ist er und soll in diesem Jahr fertig werden.
2000 Jobs sind allein durch die Bauarbeiten an dem Projekt in der Region entstanden. Zählt man Hotels, Gastgewerbe und dergleichen mehr dazu, beziehen sogar 13.000 Menschen ein Einkommen daraus.
Ein Riesenprojekt - das aber auch einen erheblichen Eingriff in die Landschaft darstellt
Teuer, aber alternativlos
Neben den Dimensionen der Infrastruktur ist auch das Preisschild enorm: 1,5 Milliarden Euro werden am Ende in das Projekt geflossen sein, inklusive Mittel für soziale und ökologische Ausgleichsmaßnahmen, darunter Ausrüstung für lokale Feuerwehren, neue Straßen und Brücken sowie die Schaffung von Ausgleichsflächen.
Teuer, aber alternativlos, wenn die Energiewende trotz der Schwankungen bei Wind- und Sonnenenergie gelingen soll, sagt Ingenieur Chacón: "Wenn wir viele von diesen Anlagen einsetzen wollen, brauchen wir mehr Pumpspeicherkraftwerke, die Energie erzeugen können, wenn sie gebraucht wird. Und diese dann auch speichern, wenn es einen Überschuss an Erneuerbarer Energie gibt, die man nicht steuern kann."
Ein Thema für ganz Europa
Dabei geht es auch um die Stabilität des Stromnetzes - nicht nur in Portugal ein Thema, sondern in ganz Europa. Österreich will sich bis 2030 ausschließlich aus Erneuerbarer Energie versorgen. Im österreichischen Kaprun soll deshalb bis 2025 ein weiteres Pumpspeicherkraftwerk entstehen und so die Kapazität der schon vorhandenen Anlagen deutlich erhöhen.
Landschaften voller Pumpspeicherkraftwerke und Staudämme als Rezept gegen die Unberechenbarkeit von Wind- und Sonnenenergie lassen sich allerdings nicht überall ohne weiteres errichten. Mit seinen Hochebenen und bergigen, in der Regel dünn besiedelten Regionen ist Portugal topographisch gut geeignet für derartige Projekte und betreibt bereits mehrere davon.
Die geografische Lage allerdings ist es auch, die einen portugiesischen Beitrag zu einer gesamteuropäischen Lösung des großen Knackpunkts der Energiewende kompliziert macht: Die Anbindung Portugals an die Stromnetze im Rest Europas ist nämlich noch ausbaufähig.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels waren falsche Mengenangaben bei der Kapazität des Staubeckens verwendet worden. Das haben wir korrigiert.