EU-Konsequenzen aus Gasstreit "Eine Lektion, aus der wir lernen müssen"
Das in Brüssel einberufenen Treffen von Energieexperten der EU-Staaten dauerte kürzer als vorgesehen. Denn als die Fachleute einflogen, lag die Einigung zwischen Russland und der Ukraine bereits auf dem Tisch. Dennoch wird das Thema die EU weiter beschäftigen.
Von Christopher Plass, HR, ARD-Hörfunkstudio Brüssel
Die Energieexperten ließen sich über die Einigung von den ebenfalls eingeladenen Vertretern von Gazprom und der ukrainischen Naftogaz informieren. Dennoch: Zwar könne dieser aktuelle Konflikt als abgehakt gelten, meinte Österreichs Wirtschaftsminister Martin Bartenstein als Sprecher der neuen EU-Präsidentschaft in seinem Fazit. Aber: "Das ist natürlich eine Lektion, die wir in den letzten Tagen bekommen haben, aus der wir auch lernen müssen. Das wird jetzt als erstes einfließen in die energiepolitischen Bewertungen und Strategien der Kommission."
"Wir sollten generell auf unseren Energie-Mix schauen"
"Lektion“ – dieses Wort fiel wiederholt in den Bewertungen der EU-Institutionen an diesem Tag. Denn der Gasstreit hat vielen EU-Mitgliedsländern bewiesen, wie stark sie von russischen Lieferungen abhängig sind: die Balten zu hundert Prozent, Ungarn oder Tschechien zu mehr als siebzig. Aber für den aus Lettland stammenden EU-Energiekommissar Andris Piebalgs macht der der jüngste Streit auch deutlich, wie verwundbar die EU mit Blick auf die Energieversorgung insgesamt ist: "Wir sollten ganz generell auf unseren Energie-Mix und auf den Verbrauch schauen. Je mehr wir verbrauchen desto abhängiger werden wir. Und wir sollten auf die Ressourcen schauen, die wir selbst in der EU haben."
Beim Gas sind EU-Staaten wie Großbritannien oder die Niederlande noch recht gut ausgestattet, dazu kommt das benachbarte Norwegen. Doch die größten Potenziale liegen in Russland und dem Mittleren Osten. Hier betreibt die EU Pipeline-Projekte – doch das Risiko politisch motivierter Versorgungsprobleme bleibt. Ob mehr Kernkraft oder mehr Kohle, diese Diskussion griff Energiekommissar Piebalgs nicht auf. Aber einen zarten Hinweis darauf, wo er Möglichkeiten sieht, gab er doch: "Wir liegen bei den Alternativen Energien weit hinter den selbst gesteckten Zielen zurück."
Chance für bessere Koordinierung der EU-Energiepolitik?
Man spürt, dass die Kommission in Brüssel in dem jüngsten Streit eine Chance sieht für neue Ansätze zu einer besseren Koordinierung der EU-Energiepolitik. In der Vergangenheit hätten die Mitgliedsstaaten hier gemauert und auf nationalen Kompetenzen beharrt, kritisierte Piebalgs offen. "Die Frage der Sicherheit von Energie-Lieferungen spielt sich fast nur auf der Ebene der Mitgliedsstaaten ab. Wir brauchen aber einen besseren, EU-weiten Ansatz", sagte der EU-Kommissar.
Die Kommission will bis zum Frühjahr Denkanstöße geben und bis Ende des Jahres auch konkretere Vorschläge machen. Wie Österreichs Wirtschaftsminister Bartenstein ankündigte, soll sich auch der nächste EU-Gipfel im März mit dem Problem der Versorgungssicherheit befassen.