Interview

Interview zur Airbus-Umstrukturierung "Aus deutscher Sicht ein Erfolg für die Regierung"

Stand: 28.02.2007 17:34 Uhr

Die deutschen Standorte werden durch die Umstrukturierung des Airbus-Konzerns nicht so stark belastet wie zunächst vermutet. Der Luftfahrtexperte Klaus-Heiner Röhl vom Institut der Deutschen Wirtschaft Köln sieht darin einen Erfolg der Bundesregierung. Im tagesschau.de-Interview zeigt sich Röhl aber skeptisch, ob der Kompromiss die Probleme des Unternehmens wirklich löst.

tagesschau.de: Wie bewerten Sie die Aufteilung der Sparmaßnahmen auf die an Airbus beteiligten Länder? Ist das eine "gerechte“ Lösung?

Klaus-Heiner Röhl: Die Frage der Gerechtigkeit ist bei ökonomischen Bewertungen etwas zweifelhaft. Aus deutscher Sicht hat die Bundesregierung schon große Erfolge erzielt. Die Belastungen für die deutschen Standorte sind bei weitem nicht so groß, wie zwischenzeitlich vermutet worden war. Insofern kann man von einer gerechten oder gleichmäßigen Verteilung auf die Länder sprechen.

tagesschau.de: Sind auch die Zukunftstechnologien bei der jetzigen Lösung gleich verteilt?

Röhl: Ja. Und zwar deshalb, weil auch weiterhin Rumpfteile für den A 350 in Deutschland gebaut werden sollen und hier sicher erhebliche Investitionen in die Kunststofftechnologie notwendig sind. Es war ja die große Frage, wer die Rumpfsegmente dafür baut - nicht, wo die Endmontage der A 350 stattfindet. Denn bisher ist Deutschland führend im Bau von Rumpfteilen aus Aluminium, die werden künftig aber aus Kunststoff gebaut. Man hat sich offenbar darauf geeinigt, dass die deutschen Werke beim Wechsel zur Kunststofftechnologie eingebunden werden. Das ist gegenüber den ursprünglichen Plänen der große Fortschritt für die deutschen Standorte.

"Großteil der Probleme durch Einflussnahme der Länder"

tagesschau.de: Dass es so gekommen ist, ist das für Sie ein Verdienst der Bundesregierung?

Röhl: Sicherlich ist das durch die politische Intervention zu erklären. Ob das ein Verdienst ist oder ob es langfristig die Probleme bei Airbus eher weiterführt, wird man sehen. Ein Großteil der Schwierigkeiten des Konzerns resultiert ja gerade aus der ständigen politischen Einflussnahme von Deutschland und Frankreich und dem Tauziehen zwischen den beiden Ländern. Dies ist jetzt wieder ein Kompromiss, der aus einem solchen Tauziehen heraus entstanden ist. Da muss sich erst erweisen, dass auch wirklich die notwendigen Maßnahmen zur Restrukturierung ergriffen werden. Den Spagat zwischen betriebwirtschaftlicher Notwendigkeit und politisch gleichwertiger Verteilung hat man bisher ja auch versucht. Das hat eigentlich immer mit in die nächste Krise hineingeführt.

tagesschau.de: Hätte die Lösung jetzt ohne die Gespräche auf Regierungsebene anders ausgesehen?

Röhl: Nach dem, was aus Konzernkreisen verlautete, waren in Deutschland noch stärkere Streichungen zu erwarten. Insofern scheint die politische Einflussnahme schon etwas bewirkt zu haben.

"Richtungswechsel" bei der Bundesregierung

tagesschau.de: Wenn Sie die Aktivitäten der Bundesregierung in Sachen Airbus mit früheren Krisen vergleichen, gibt es heute mehr Bereitschaft und Engagement der Regierung, sich einzumischen?

Röhl: In gewisser Weise scheint es ein Richtungswechsel zu sein. Bei Übernahmen im Chemiebereich beispielsweise haben wir gesehen, dass Konzerne nach Frankreich gegangen sind, ohne dass die Politik dazu viel gesagt hätte. Man scheint aber die Luftfahrtindustrie doch soweit als Schlüsselindustrie zu sehen, dass man sich dort stärker eingebracht hat.

tagesschau.de: Sehen Sie einen Unterschied zwischen der heutigen Bundesregierung und der rot-grünen Koalition beim Engagement für die deutsche Industriepolitik?

Röhl: Ich denke, dieses Mal ist man aufgeschreckt, weil der Widerstand aus den betroffenen Bundesländern wesentlich stärker war als früher - und weil die Luftfahrtbranche viel stärker als die Chemieindustrie den Nimbus der Zukunftsindustrie trägt.

Das Interview führte Wolfram Leytz, tagesschau.de.