EU-Gipfel in Brüssel Wenig Einigkeit bei Öl, Gas und Strom
Beim Frühjahrsgipfel der EU dreht sich diesmal alles ums große Thema Energie. Allgemein gehaltenen Erklärungen zu einer gemeinsamen Energiepolitik dürften die meisten Mitglieder letztlich wohl zustimmen, doch sobald es ans Eingemachte geht, wird es kompliziert.
Von Klaus Scheffer, WDR, Hörfunkstudio Brüssel
Ihren großen Auftritt hat die Bundeskanzlerin heute Abend. Wenn die Staats- und Regierungschefs über Möglichkeiten einer gemeinsamen Energiepolitik reden, hält Angela Merkel das Eingangsreferat. Das Thema Energie ist durch die hohen Ölpreise und durch die Gaskrise Anfang des Jahres, als Russland die Lieferungen in die Ukraine aussetzte und auch einige EU-Länder in Mitleidenschaft gezogen wurden, weit nach oben gerückt. Plötzlich ist allen klar geworden, dass die Abhängigkeit von Lieferungen aus Nicht-Mitgliedsstaaten womöglich zu groß ist.
Der Wunsch: Gemeinsame Energiepolitik
Deshalb legte die EU-Kommission vor zwei Wochen ihre energiepolitische Strategie vor, für die der Präsident der Behörde, Jose Manuel Barroso in flammenden Worten warb: "Europa kann nicht verkraften, weiterhin 25 unterschiedliche und unkoordinierte Energie-Politiken zu betreiben", sagte der Kommissionschef. "Die EU hat die Größe, erfolgreich zu sein und auch die nötigen Instrumente. Wenn wir also Größe und Instrumente schon haben, dann brauchen wir nur noch den politischen Willen." Den Willen, tatsächlich eine einheitliche Energiepolitik zu verwirklichen. Und den, so wünscht es sich der portugiesische Kommissionspräsident zu seinem heutigen 50. Geburtstag, sollen die versammelten Staats- und Regierungschefs jetzt bekunden.
Das werden sie bestimmt tun: Auch Angela Merkel werde in ihrem Referat die Notwendigkeit einer europäischen Energiekonzeption betonen, die die Abhängigkeit von Öl- und Gasimporten verringere, heißt es.
Die Wirklichkeit: Nationale Interessen überwiegen
Doch nach solch allgemein gehaltener Zustimmung enden die Gemeinsamkeiten bereits. Schon bei der Frage des Energie-Mixes - also der Entscheidung, auf welche Energieträger man sich konzentrieren möchte - lassen sich die Mitgliedsstaaten nur ungern hereinreden. Auch Deutschland, wie Umweltminister Gabriel jüngst in Brüssel betonte. "Ich glaube, dass wir eine europäische Debatte brauchen. Ich glaube aber auch, dass diese europäische Debatte am Ende nicht in Frage stellen darf, dass beispielsweise der Energiemixes eine nationale Angelegenheit ist. Das fällt nicht unter das Gemeinschaftsrecht, das sollte es auch in Zukunft nicht tun."
Heikles Thema für die Bundesregierung bleibt die Kernenergie. In Deutschland gilt noch der von rot-grün durchgesetzte Ausstieg. Andere Länder – und auch die EU-Kommission – wollen an der Atomkraft festhalten. Wünsche der Kommission nach mehr Kompetenzen, gar nach einer Brüsseler Regulierungsbehörde, werden von den meisten Mitgliedsländern abgelehnt.
Und dann ist da noch der große Streit um die künftige Struktur des EU-Binnenmarktes im Energiebereich. Zwei große Übernahme-Projekte spalten derzeit die Gemeinschaft. Der deutsche EON-Konzern möchte mit dem spanischen Versorger Endesa fusionieren, wogegen die spanische Regierung mobil macht. Und den Versuch des italienischen Unternehmens Enel, die französische Firma Suez zu unternehmen, beantworten die Franzosen durch einen Zusammenschluss von Suez mit dem Staatsbetrieb Gaz de France – eifrig befördert durch die Regierung in Paris.
Italien scheitert mit Erklärung gegen Protektionismus
Protektionismus sei dies und gegen die Prinzipien des Binnenmarktes, heißt es dazu in Brüssel. Italiens Finanzminister Tremonti hatte gar eine Erklärung vorbereitet, in der er das französische Verhalten als Wirtschaftsnationalismus geißeln wollte, punktgenau zum Gipfeltreffen. Nach herber Kritik an diesem Vorstoß zog Tremonti ihn gestern Abend wieder zurück. In der Sache bleibe er aber bei seiner Meinung, so der Italiener, später werde er auch wieder darauf zurückkommen – nach dem Gipfel.