Interview

Interview mit Auto-Wirtschafts-Experte Dudenhöffer "Daimler hat nur ein Problem: Chrysler"

Stand: 04.04.2007 06:44 Uhr

Wird der Stuttgarter Autobauer Daimler sich von seiner US-Tochter Chrysler trennen? Klarheit erhofften sich viele von der heutigen Hauptversammlung. Doch dort gab man sich weiter bedeckt. Automobil-Experte Dudenhöffer rät im Interview mit tagesschau.de zu einem schnellen Verkauf von Chrysler.

Wird der Stuttgarter Autobauer Daimler sich von seiner US-Tochter Chrysler trennen? Klarheit erhofften sich viele von der heutigen Hauptversammlung. Doch dort gab man sich weiter bedeckt. Automobil-Experte Dudenhöffer rät im Interview mit tagesschau.de zu einem schnellen Verkauf von Chrysler.

tagesschau.de: Welche Probleme hat der DaimlerChrysler-Konzern?

Ferdinand Dudenhöffer: Der Konzern hat nur ein Problem, und das heißt Chrysler. Seit der Übernahme von Chrysler hat man sehr viel Management-Kapazität gebunden und in der Summe viele Verluste eingefahren. Es ist nicht abzusehen, dass mittel- und langfristig Chrysler die Ertragsstärke erzielen wird, die Daimler hat. Chrysler wird immer der kleine Bruder oder das Wehwehchen des DaimlerChrysler-Konzerns sein.

tagesschau.de: Halten Sie also einen Verkauf der Chrysler-Sparte für sinnvoll?

Dudenhöffer: Nach neun Jahren hat sich gezeigt, dass es kaum Synergien gibt. Es ist nicht davon auszugehen, dass man sie in Zukunft findet. Die Amerikaner und die Stuttgarter haben grundverschiedene Ansätze bei der Beurteilung und Entwicklung von Fahrzeugen. Mercedes steht für Hochwertigkeit, Qualität und Innovation. Chrysler baut und entwickelt preiswerte amerikanische Fahrzeuge mit hohem Verbrauch. Da prallen völlig verschiedene Welten und Mentalitäten aufeinander. Das ist ein sicheres Zeichen, dass es besser ist, sich zu trennen.

Zur Person

Ferdinand Dudenhöffer ist Professor für Automobilwirtschaft an der Fachhochschule Gelsenkirchen. Er wurde 1951 in Karlsruhe geboren und studierte von 1972 bis 1977 Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim, wo er später auch promovierte. In den Jahren 1985 bis 1996 war er im Marketing verschiedener Autohersteller tätig.

tagesschau.de: Wird Daimler mit dem Verkauf von Chrysler selbst zum Übernahme-Kandidaten?

Dudenhöffer: Das glaube ich nicht. Der Kurs von DaimlerChrysler-Aktien hat sehr stark angezogen. Übernahmekandidaten finden wir immer dann, wenn Unternehmen schlecht aufgestellt sind. Es muss sich lohnen, ein Unternehmen in Einzelteile zu zerlegen und diese zu verkaufen. Das wird bei Daimler nicht der Fall sein, wenn die kranke Stelle, also Chrysler, abgestoßen wird.

tagesschau.de: Hatte Daimler überhaupt die Chance, mit Chrysler erfolgreich zu sein?

Die heutige Hauptversammlung

Bei der Hauptversammlung heute in Berlin dürfte sich fast alles um die Zukunft der schwächelnden US-Tochter Chrysler drehen. Medienberichten zufolge will sich Vorstandschef Zetsche allerdings nicht dem Druck der institutionellen Investoren beugen, die von ihm ein öffentliches Bekenntnis zur Trennung von der US-Tochter fordern. Zetsche will die Zukunft von Chrysler aber angeblich weiter offen lassen. Ärger droht der Konzernspitze von kritischen Aktionären. Der Wirtschaftswissenschaftler Wenger aus Würzburg fordert unter anderem, dem Konzern wegen des angeschlagenen Images unabhängig von einem Chrysler-Verkauf den alten Namen Daimler-Benz wieder zu geben. Die "Kritischen Aktionäre DaimlerChrysler" rund um den Freiburger Buchautor Grässlin fordern den Rücktritt Zetsches, falls Chrysler verkauft wird.

Dudenhöffer: Es wäre durchaus möglich gewesen, beide in die richtige Richtung zu bringen. Es hat aber nicht geklappt. Die Chrysler-Leute haben gesagt: Mit Daimler-Teilen werden unsere Produkte zu teuer. Und die Daimler-Leute haben gesagt: Mit Chrysler geht die Qualität von Mercedes verloren. Mit dieser Einstellung können Sie keinen gemeinsamen Konzern schmieden. Aber das Argument, Premium und Volumen passen einfach nicht zusammen, stimmt nicht. Es gibt Konzerne, die sehr gut in beiden Welten operieren. So hat Porsche ungemein von VW profitiert. Der Touareg und der Cheyenne sind fast baugleich. Toyota und Lexus sind ein ähnliches Beispiel.

tagesschau.de: Sollte Konzern-Chef Zetsche nach dem Chrysler-Misserfolg zurücktreten?

Dudenhöffer: Die Übernahme von Chrysler wurde von seinem Vorgänger Schrempp eingeleitet. Zetsche ist in allem, was er bisher gemacht hat, sehr gut unterwegs. Man hatte beim Kernwert der Marke – der Qualität – ein Problem. Zetsche hat hier sehr konsequent gehandelt und Mercedes auf den richtigen Weg zurückgebracht. Und dieser neue, alte Weg wurde von Zetsche klar in der Strategie verankert: Qualität, Kundenfreundlichkeit und Sicherheit. Zetsche hat die Wettbewerbsfähigkeit verbessert und gut 13.000 Stellen eingespart. Er hat beherzt die Probleme angepackt. Dies zeigt auch die Entscheidung, Chrysler zum Verkauf zu stellen. Warum sollte man Zetsche dann auswechseln?


tagesschau.de: Welchen Kurs sollte der Konzern in Zukunft einschlagen?

Dudenhöffer: Wenn man Chrysler schnell abtrennt, dann ist der Kurs für Daimler ganz klar bestimmt: Ein Konzern, der aus drei Teilen besteht. Der erste Teil besteht aus den Pkw-Marken Smart und Mercedes. Der zweite ist der Nutzfahrzeugbereich. Daimler ist der größte Nutzfahrzeughersteller der Welt. Das ist ein Wachstumsmarkt. Der dritte Teil sind die Finanzdienstleistungen. So hat man einen hervorragend positionierten Hersteller, der ganz klar die Kraft haben wird, die Spitzenstellung im Premium-Geschäft, die derzeit BMW hat, einnehmen zu können.

Das Interview führte Anja Mößner, tagesschau.de