EU-Finanzminister setzen Sanktionen aus Defizit-Verfahren gegen Deutschland vorerst beendet
Mit Blick auf die positive Haushaltsentwicklung haben die EU-Finanzminister das Defizitverfahren gegen Deutschland ausgesetzt. Mögliche Sanktionen in Milliardenhöhe sind damit vorerst vom Tisch. Die Grundsatzentscheidung war schon vor einem Monat gefallen.
Von Michael Becker, ARD-Hörfunkstudio Brüssel
Bundesfinanzminister Peer Steinbrück dürfte erleichtert sein: Wenigstens bei der EU gibt es Zustimmung und Anerkennung, während er sich in Berlin ständig kritisieren lassen muss für seinen Sanierungskurs, für Sparmaßnahmen und Steuererhöhungen.
Nachdem Deutschland vier Jahre in Folge mehr Schulden gemacht hat als der Stabilitätspakt für den Euro erlaubt, ist die Neuverschuldung in diesem Jahr nun wieder im grünen Bereich. Die Steuereinnahmen sprudeln - dementsprechend muss Bundesfinanzminister Steinbrück weniger Schulden machen als ursprünglich geplant.
Unerwartete Entwicklung
Eigentlich hatte Steinbrück der EU erst für das kommende Jahr versprochen, mit der Verschuldung wieder unter der erlaubten Obergrenze zu bleiben - nun klappt es schon in diesem Jahr - sehr zur Freude der Brüsseler Währungshüter. EU-Währungskommissar Joaquin Almunia erklärte, er hoffe im kommenden Jahr empfehlen zu können, das deutsche Defizitverfahren einzustellen. Dann nämlich werden die endgültigen Zahlen zur Verschuldung für dieses Jahr auf dem Tisch liegen. Bleibt Deutschland wie erwartet im Limit, wird das Verfahren endgültig eingestellt.
Steinbrück warnt vor Kurswechsel
"Die Strategie der großen Koalition hat sich als richtig herausgestellt, aber alle wissen, dass wir damit nicht zufrieden sein können“, sagte Steinbrück und warnte damit gleichzeitig davor, den Sparkurs zu lockern. Seit Monaten muss er sich für die geplante Mehrwertsteuererhöhung zum Jahreswechsel Kritik gefallen lassen. Um sicherzustellen, dass es auch im kommenden Jahr keinen neuen Ärger mit Brüssel gibt, soll die Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent steigen - was dem Bundesfinanzminister deutlich mehr Einnahmen bescheren soll. Kritiker sagen, Steinbrück würge damit die Konjunktur ab.
Der Druck in Berlin wird bleiben, doch zumindest der aus Brüssel ist fürs Erste vorbei. Mit der Aussetzung des Defizitverfahrens enden jahrelange, zum Teil heftige Auseinandersetzungen zwischen der Bundesregierung und der Europäischen Union. Steinbrücks Vorgänger, Hans Eichel, hatte jahrelang wie auf einem Sünderbänkchen sitzen müssen, wenn sich die EU-Finanzminister getroffen hatten. Vier Jahre in Folge hatte Deutschland immer wieder mehr Schulden gemacht, als der Euro-Stabilitätspakt erlaubt. Eichel hatte sich dabei gegen eine Verschärfung des Defizitverfahrens gewehrt - wohl wissend, dass irgendwann Strafzahlungen drohen - im Falle Deutschlands bis zu zehn Milliarden Euro.
Andererseits war das EU-Defizitverfahren aber auch immer eins: Die Keule in der Hand des Bundesfinanzministers, wenn es darum ging, zu Hause unpopuläre Sparmaßnahmen durchzusetzen.