BDI zum Gesetzentwurf Bürokratie statt Transparenz
"Das Informationsfreiheitsgesetz der Bundesregierung ist entbehrlich," meint Klaus Bräunig vom Bund der deutschen Industrie. Im Interview mit tagesschau.de erklärte er vor der Verabschiedung des Gesetzes die Sorgen der Wirtschaft. Sein Verband sieht in dem Gesetz überflüssige Bürokratie. Und er befürchtet, dass Betriebsgeheimnisse nach außen dringen.
tagesschau.de:Bald kommt das Informationsfreiheitsgesetz. Der BDI hat sich oft sehr skeptisch dazu geäußert, warum?
Klaus Bräunig:
Wir sind uns mit der Politik einig, dass wir neue Gesetze kritisch daraufhin untersuchen, ob wir sie brauchen. Und wenn wir Zweifel daran haben, dann sollten wir eher keine neuen Gesetze machen, denn wir haben zu viele. Wenn wir uns anschauen, was das Informationsfreiheitsgesetz will, dann klingt die Überschrift gut: mehr Demokratie, mehr Transparenz – wer will das nicht? Sieht man aber, was tatsächlich geregelt wird, dann ist es der uneingeschränkte Anspruch eines jeden, alles, was in Behörden liegt, einzusehen. Und dazu muss er kein berechtigtes Interesse geltend machen.
tagesschau.de: Was sind Ihre Befürchtungen?
Klaus Bräunig: Ich glaube, wir werden zu viele Auseinandersetzungen darüber bekommen, ob es sinnvoll ist, demjenigen, der die Information haben will, Akteneinsicht zu gestatten, ohne Rücksicht darauf, ob andere Interessen beeinträchtigt werden. Wir Deutschen verstehen es, daraus eine ziemliche Bürokratie zu machen.
tagesschau.de: Das Gesetz ist aber nun auf dem Weg, was wollen Sie tun?
Klaus Bräunig: Wir konzentrieren uns im weiteren Gesetzgebungsverfahren darauf, dass bei Antworten von Behörden auf Anfragen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Unternehmen und ähnliche Daten außen vor gelassen werden.
tagesschau.de: Der Gesetzentwurf sieht doch den Schutz der Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse vor.
Klaus Bräunig: Er geht uns nicht weit genug. Wir werden auch hier mit Sicherheit Auseinandersetzungen darüber bekommen, was Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse oder ähnliche Daten sind. Wir erwarten entsprechende Klageverfahren, die sich meiner Ansicht nach die Rechtsprechung und die Bürokratie in Deutschland nicht leisten sollten.
tagesschau.de: Die USA haben ein ähnliches Gesetz. Die Wirtschaft dort trägt keinen Schaden davon ...
Klaus Bräunig: Wir haben deutsche Unternehmen in den USA im letzten Jahr gefragt. Wenn unsere Unternehmen dringend solche Gesetze wollten, wären wir die letzten, die das nicht auch forderten. Bisher kommen keine Wünsche, dass wir diese Gesetzgebung aus den USA, die in einer anderen Gesetzkultur zu sehen ist, übernehmen sollten.
tagesschau.de: Können Sie ein konkretes Beispiel nennen, in dem einem Unternehmen durch den Auskunftsanspruch geschadet wurde?
Klaus Bräunig: Bisher kann ich das noch nicht, weil wir das Gesetz ja noch nicht haben.
Ich spreche nur aus der Erfahrung. Wir haben ja schon gesetzlich geregelte Auskunftsansprüche der Bürger, zum Beispiel das Umweltinformationsgesetz oder im Arznei- und Futtermittelrecht. Dort gibt es Spezialgesetze, wo ein Interessenausgleich gesetzgeberisch gefunden ist. Ich sehe nicht, warum man nun einen grenzenlosen Anspruch formuliert, ohne die Risiken dabei zu begrenzen.
tagesschau.de: Befürworter sagen, das Gesetz wirke gegen Korruption. Das ist doch auch in Ihrem Interesse...
Klaus Bräunig: Wir sind auch gegen Korruption. Der BDI hat dazu schon einiges getan. Er hat Memoranden geschrieben, die in die Unternehmen wirken. Dass sie mit dem Informationsfreiheitsgesetz hier weiterkommen, ist zunächst auch nur eine Behauptung. Dem müssen Sie die Wirkungen, die ich erwarte, entgegenhalten.
tagesschau.de: Wie viel mehr bürokratische Belastung erwarten Sie denn?
Klaus Bräunig: Das kann ich natürlich nur abstrakt beschreiben. Wir recherchieren da noch über unsere Landesvertretungen. In Brandenburg soll es bisher keine großen Wirkungen gehabt haben. Da werden die Befürworter des Gesetz natürlich sagen, dann schadet es auch nichts und Zweifler bleiben dabei, dass wir es nicht brauchen.
tagesschau.de: Sollte die Bundesregierung dieses Gesetz überhaupt verabschieden?
Klaus Bräunig: Ich halte es für entbehrlich. Zu diesem Urteil ist die Bundesregierung am Ende der letzten Legislaturperiode auch gekommen.
Das Interview führte Anni Dunkelmann