Deutschland im EU-Vergleich Mindestlohn - noch Luft nach oben?
Deutschland hat einen der höchsten Mindestlöhne in der EU. Gemessen am mittleren Einkommen fällt der deutsche Mindestlohn jedoch eher niedrig aus. Im Januar 2019 steht eine Erhöhung an.
Von David Zajonz, WDR
Der Mindestlohn teilt die EU in mehrere Gruppen: Die westlichen Mitgliedsstaaten haben relativ hohe Mindestlöhne, die südeuropäischen Staaten liegen in der Mitte und in Osteuropa ist das Niveau am niedrigsten. In sechs EU-Ländern gibt es überhaupt keinen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn.
Der neue Mindestlohnbericht des gewerkschaftsnahen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) zeigt: Deutschland gehört zur Top-Gruppe. Im Vergleich zu den anderen westeuropäischen Ländern fällt der deutsche Mindestlohn aber eher niedrig aus.
Spitzenreiter Luxemburg
Den EU-weit höchsten Mindestlohn bekommen Arbeitnehmer in Luxemburg: 11,55 Euro pro Stunde. Deutsche Arbeitnehmer müssen sich hingegen mit 8,84 Euro begnügen, was immer noch deutlich mehr ist als in den meisten EU-Ländern.
Setzt man den Mindestlohn ins Verhältnis zum mittleren Einkommen im jeweiligen Land, zeigt sich ein anderes Bild. Hier liegt Deutschland eher im unteren Bereich. Ein Arbeitnehmer bekommt knapp 47 Prozent des Medianlohnes, also des Lohnes, der genau in der Mitte der Lohnverteilung liegt. Zum Vergleich: Bei Spitzenreiter Frankreich beträgt der Mindestlohn mehr als 60 Prozent des mittleren Einkommens.
Osteuropa holt auf
Insgesamt steigen die Mindestlöhne in der EU wieder stärker an, die langjährige Wirtschaftskrise scheint überwunden. Besonders deutlich ist der Anstieg in Osteuropa: In Rumänien liegt der Mindestlohn mehr als 50 Prozent höher als im Vorjahr - allerdings nur auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau von 2,50 Euro pro Stunde. Auch in den südeuropäischen Ländern steigen die Mindestlöhne wieder, anders als während der Euro-Krise.
In Deutschland erst 2015 eingeführt
Spielräume für eine deutliche Erhöhung sehen die Autoren des WSI-Mindestlohnberichts auch hierzulande. Der flächendeckende Mindestlohn ist in Deutschland noch recht neu, er wurde erst 2015 eingeführt. Dies sei auch der Grund dafür, dass der deutsche Mindestlohn relativ niedrig angesetzt wurde, erklärt WSI-Forscher Malte Lübker: "Im Vorfeld der Einführung gab es große Bedenken, dass der Mindestlohn der Beschäftigung stark schaden würde. Deswegen war der Ansatz in Deutschland sehr vorsichtig - vielleicht ein bisschen übervorsichtig." Wesentliche negative Beschäftigungseffekte, also höhere Arbeitslosigkeit, seien ausgeblieben.
Mindestlohn hat Arbeitsmarkt nicht geschadet
Mit Blick auf die bisherigen Arbeitsmarkt-Effekte stimmt Hagen Lesch vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) zu. Das IW ist arbeitgebernah und steht dem Mindestlohn eher kritisch gegenüber. Trotzdem gesteht Lesch ein, dass der Mindestlohn dem deutschen Arbeitsmarkt nicht offensichtlich geschadet hat. Allerdings sei die wirtschaftliche Lage in den Jahren seit der Einführung des Mindestlohns bislang günstig gewesen. Deshalb warnt Tarifexperte Lesch vor einer zu starken Erhöhung: "Ich würde jetzt nicht unbedingt die Grenzen so testen wollen, dass wir irgendwann das Problem haben, dass der Mindestlohn dann doch Arbeitsplätze kostet."
Dieses Jahr keine Erhöhung in Deutschland
In fast allen EU-Ländern ist der Mindestlohn in den vergangenen zwölf Monaten erhöht worden - in Deutschland nicht. Aufgrund der Preissteigerungen im gleichen Zeitraum bedeutet das für Mindestlohnbezieher einen Reallohnverlust. Der deutsche Mindestlohn wird nur alle zwei Jahre angepasst, die nächste Runde steht Anfang des kommenden Jahres an.
Zuständig dafür ist die von der Bundesregierung eingesetzte Mindestlohnkommission, in der Vertreter von Arbeitgebern und Arbeitnehmern sitzen. Die Kommission orientiert sich an der Entwicklung der Tariflöhne, hat aber auch einigen Spielraum für stärkere Erhöhungen. Für den Fall, dass die Mindestlohnkommission ihren Spielraum dieses Mal nicht nutzt und der Tarifentwicklung folgt, hat das Statistische Bundesamt schon die mögliche Erhöhung berechnet: Der Mindestlohn würde dann ab Januar nächsten Jahres auf 9,19 Euro ansteigen.