Landwirtschaft Klimaschutz statt Kühe im Moor?
Aus trockengelegten Mooren entweichen große Mengen an Treibhausgasen. Forscher fordern die Bundesregierung auf, schneller für die Voraussetzungen zu sorgen, dass Landwirte ihre Böden wieder vernässen.
Fast alle deutschen Moore sind in der Vergangenheit trockengelegt worden - vor allem, um darauf Landwirtschaft betreiben zu können. Mehr als die Hälfte der Moorböden werden genutzt, um darauf Milchkühe zu halten. Doch inzwischen ist klar, dass diese entwässerten Flächen eine massive Herausforderung für den Klimaschutz darstellen.
Denn im Torf von Moorböden ist viel Kohlenstoff gespeichert. Der kommt durch das Entwässern mit Sauerstoff in Kontakt und gelangt so als klimaschädliches CO2 in die Atmosphäre. Etwa 53 Millionen Tonnen Treibhausgase entweichen in Deutschland jährlich aus trockengelegten Mooren. Das entspricht etwa sieben Prozent der Gesamtemissionen - und ist beispielsweise sogar deutlich mehr, als der gesamte innerdeutsche Flugverkehr verursacht.
Regierung setzt auf Freiwilligkeit
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Bündnis 90/Die Grünen) möchte für mehr Klimaschutz sorgen und betont im ARD-Magazin Panorama, dass die trockengelegten Flächen wieder nasser werden müssten. Über Jahrzehnte habe man Landschaften entwässert, so Lemke; diesen Prozess wolle sie jetzt umkehren. Dabei setze sie auf Freiwilligkeit: Gesetzliche Vorgaben möchte sie Landwirtinnen und Landwirten nicht machen.
Ihre Moorschutzstrategie sieht vor, die Emissionen aus Moorböden bis 2030 um fünf Millionen Tonnen jährlich zu reduzieren - also um zehn Prozent. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kritisieren ihre Pläne nun als nicht ausreichend, mahnen konsequenteren Klimaschutz und schnelleres Handeln an.
"Wir müssen die Ziele dringend anspruchsvoller und langfristiger formulieren", fordert der Agrarforscher Harald Grethe von der Humboldt-Universität Berlin im Interview mit Panorama. Außerdem müsse deutlich gemacht werden, dass nicht alles mit Freiwilligkeit gehen werde, so Grethe. Schließlich habe sich Deutschland verpflichtet, bis 2045 klimaneutral zu werden.
Wiedervernässung könnte schwieriger werden
Die Bundesumweltministerin entgegnet: "Mir ist wichtiger, jetzt loszulegen, als noch Jahre über Ziele zu diskutieren und die dann nicht einzuhalten." Sie stelle für das "Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz" vier Milliarden Euro zur Verfügung, so Lemke. So viel Geld habe es für solche Projekte noch nie gegeben.
Doch auch die Moorforscherin Bärbel Tiemeyer vom Thünen-Institut - einer Forschungseinrichtung des Bundes - mahnt, dass trockengelegte Moore möglichst schnell wieder nass werden müssten. Durch die zunehmende Erderhitzung werde es möglicherweise immer schwieriger, die Moore in einigen Jahrzehnten noch zu vernässen. Dabei können nasse Moore im günstigsten Fall Kohlenstoff sogar speichern.
Für die Landwirtschaft ist der Moorschutz eine riesige Herausforderung. Denn wenn Böden bis zur Oberkante vernässt werden, ist es nicht mehr möglich, auf den nassen Flächen Milchkühe zu halten oder darauf mit dem Traktor zu fahren. Deshalb befürchtet die Branche Verluste in Milliardenhöhe.
Moorpflanzen als Baustoffe?
Damit die Landwirte in Zukunft auch auf nassen Böden Geld verdienen könnten, müssten neue nachhaltige Bewirtschaftsformen geschaffen werden, heißt es in der Moorschutzstrategie der Bundesregierung.
Dazu zählen zum Beispiel Photovoltaikanlagen auf wiedervernässten Flächen oder der Anbau neuartiger Kulturen. In Pilotprojekten wird zum Beispiel daran geforscht, wie aus Moorpflanzen wie Rohrkolben nachhaltige Dämmplatten für die Bauwirtschaft entstehen könnten. Doch einen Markt gibt es bisher für solche Produkte nicht.
Die meisten Moorböden in Deutschland liegen in Niedersachsen. Manfred Tannen vom dortigen Landesbauernverband ist der Ansicht, dass die gesamte Dimension noch maßlos unterschätzt werde. Der Landwirt vergleicht den anstehenden Veränderungsprozess mit dem Kohleausstieg.
Hohe Kosten der Klimaschäden
Neben den Landwirten würden aber unter anderem auch die Wasserwirtschaft und Kommunen benötigt, heißt es in einem Papier des Greifswald Moor Centrums - einer Kooperation der Universität Greifswald und verschiedener Moorschutz-Einrichtungen. Zudem müssten Genehmigungsverfahren zur Vernässung vereinfacht sowie mehr Personal qualifiziert und beschäftigt werden. Die Einrichtung fordert, den konsequenten Schutz der Moore "drastisch zu beschleunigen".
Agrarforscher Grethe kann sich jedenfalls nicht vorstellen, wie die Klimaschutzziele ohne die Moore erreicht werden könnten. Das bedeute sicherlich eine erhebliche Transformation, so der Wissenschaftler, doch für die aktuell hohen CO2-Emissionen lägen die Kosten für zukünftige Klimaschäden bei 7000 Euro pro Hektar und Jahr. Wenn es wasserbaulich möglich sei, sagt Grethe, lohne es sich volkswirtschaftliche also auf jeden Fall, Flächen wieder zu vernässen.