Lebensmittel Özdemir fürchtet weiter steigende Preise
"Vieles kommt leider erst noch" - Agrarminister Özdemir geht besonders zum Herbst hin von weiter steigenden Lebensmittelpreisen aus. Auch auf dem heute beginnenden Bauerntag sind die Folgen des Ukraine-Krieges Thema.
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir rechnet mit weiter steigenden Lebensmittelpreisen in Deutschland. "Vieles kommt leider erst noch", sagte der Minister der Düsseldorfer "Rheinischen Post". So habe die Lebensmittelindustrie lange Einkaufsfristen für Energie. "Wir müssen im Herbst und Winter mit Steigerungen rechnen, weil sich der Handel jetzt mit teurer Energie versorgen muss und die Preissteigerungen an die Kunden weitergereicht werden."
"Gehört zu russischer Strategie"
Im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF sagte Özdemir mit Blick auf den russischen Angriff auf die Ukraine, es gehöre zur russischen Strategie, Getreideexporte aus der Ukraine zu blockieren, um die weltweite Nahrungsmittelkrise weiter zu verschärfen. Darum sei ein "Teil der Strategie, die Ukraine zu ertüchtigen, damit sie in diesem Krieg erfolgreich ist", so Özdemir.
Özdemir verteidigte in der "Rheinischen Post" auch seinen Vorstoß, im Kampf gegen hohe Lebensmittelpreise die Mehrwertsteuer auf Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte zu streichen. "Dass das aktuelle Mehrwertsteuersystem einmal grundsätzlich auf den Prüfstand gehört, darüber kann es nicht ernsthaft Streit geben", erklärte er. "Logik, Einfachheit und Nachhaltigkeit sind dabei die Stichworte. Da landet man dann schnell bei meinem Vorschlag."
Deutscher Bauerntag in Lübeck
Die Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf die Agrarmärkte und die Lebensmittelpreise werden auch zentrale Themen auf dem heute beginnenden Deutschen Bauerntag in Lübeck sein, zu dem Özdemir erwartet wird. Vielen Betrieben machten stark gestiegene Kosten für Energie und Dünger zu schaffen, wie der Bauernverband erläuterte. Vor diesem Hintergrund sind auch Lebensmittel im Supermarkt teurer geworden.
Laut Zahlen des Statistischen Bundesamts stiegen die Preise landwirtschaftlicher Produkte im April um durchschnittlich 39,9 Prozent. Dies ist der höchste Preisanstieg gegenüber einem Vorjahresmonat seit Beginn der Erhebung im Jahr 1961. Pflanzliche Produkte verteuerten sich im April mit 45,7 Prozent besonders stark, tierische Erzeugnisse mit 35,8 Prozent etwas weniger kräftig. Auch im März hatte es mit 34,7 Prozent bereits einen Rekord-Preisanstieg gegeben.
Angesichts ausfallender Getreideexporte der Ukraine wird in einigen Staaten außerdem mit einer knappen Versorgung gerechnet. Auf dem Bauerntag dürfte daher auch darüber diskutiert werden, die angespannte Lage mit höherer Produktion in Deutschland abzumildern.
Der Präsident des Deutschen Bauernverbands, Joachim Rukwied, sagte auf NDR Info, die Preise für Lebensmittel müssten noch höher steigen, damit die Landwirte ihre Kosten decken können. "Dünger kostet das Vierfache, Futter kostet das Doppelte, Diesel ist fast nicht mehr bezahlbar. Wir Bauern brauchen einfach höhere Preise, um überhaupt noch produzieren zu können," so Rukwied.
Mehr Fläche zum Lebensmittelanbau nutzen
Der Bauernverband sprach sich auch dafür aus, zusätzliche Flächen zum Lebensmittelanbau zu nutzen. Özdemir hat unter anderem ermöglicht, dass ausnahmsweise Gras und Pflanzen von bestimmten "ökologischen Vorrangflächen" als Futter genutzt werden dürfen, wendet sich aber gegen weitergehende Rufe, auf Brachflächen auch Getreide anzubauen.
Die mitregierende FDP forderte generell mehr Handlungsspielraum für die Bauern. Landwirte bräuchten Raum für unabhängige betriebliche Entscheidungen und richtige Werkzeuge, sagte FDP-Agrarexperte Gero Hocker. Mehr Nachhaltigkeit gelinge nicht mit staatlichen Transferzahlungen, sondern durch Impulse und Förderung.
Vorschlag für Tierhaltungskennzeichnung
Özdemir hat nach jahrelangen Diskussionen auch einen neuen Anlauf für eine staatliche Tierhaltungskennzeichnung für Fleisch gestartet. Dazu soll auch eine gesicherte Finanzierung kommen, damit Bauern nicht alleine auf Investitionen in mehr Tierschutz im Stall sitzenbleiben.
Im Gespräch sind nach Empfehlungen einer Expertenkommission ein höherer Mehrwertsteuersatz oder eine Abgabe auf tierische Produkte. Denkbar wäre ein Aufschlag von 40 Cent pro Kilo Fleisch. Der Koalitionspartner FDP lehnt angesichts der Inflation Preisaufschläge für Verbraucher allerdings ab.