Konkrete Zielvorgaben zur Begrenzung EU-Kompromiss zu Einweg-Tüten
In der Europäischen Union soll es weniger Plastiktüten geben. Sofern die Staaten und das EU-Parlament am Freitag zustimmen, müssen die Länder konkrete Zielvorgaben erlassen oder verbindliche Gebühren einführen. Der Verbrauch soll so bis 2025 auf etwa 40 Tüten pro Bürger und Jahr sinken. Doch die EU-Kommission hat noch Bedenken angemeldet. Sie könnte die Hürden erhöhen und Einstimmigkeit unter den Botschaftern verlangen.
Es sind die kleinen, dünnen Plastiktüten, die an vielen Kassen ausliegen, in Supermärkten oder Drogerieketten. Den Verbrauch dieser Plastiktüten will die EU langfristig verringern. Vertreter aus den Mitgliedsländern, der Kommission und dem Parlament haben sich auf einen Kompromiss geeinigt.
Gebühren oder verbindliche Vorgaben
Und der sieht so aus: "Die Mitgliedsstaaten müssen sich entscheiden, ob die Verbraucher künftig für die bislang kostenlosen Einweg-Plastiktüten zahlen - oder, ob die Länder verbindliche Ziele festlegen", sagt die dänische Abgeordnete Margrete Auken von den Grünen, die auch Berichterstatterin des EU-Parlaments ist. "Egal wie: Sie müssen es schaffen, bis Ende 2019 den Verbrauch von Plastiktüten etwa zu halbieren."
Derzeit verbraucht ein Europäer im Durchschnitt 200 Einweg-Plastiktüten pro Jahr. Nach der neuen Regelung sollen es noch 90 pro Kopf und Jahr sein - und zwar bis Ende 2019. Und bis 2025 sollen es nur noch 40 Tüten sein.
Nur ein Etappenziel
"Ich glaube, das Ergebnis ist nicht schlecht, denn wir sind dem Ziel wirklich näher gekommen",sagt der konservative Abgeordnete Görgy Hölvényi aus Ungarn. Er wertet die Einigung als einen Etappensieg auf dem langen Weg, den Verbrauch von Einweg-Plastiktüten in der EU zu verringern.
Viele Ausnahmen
Die neue Regelung betrifft allerdings nicht die robusten, kostenpflichtigen Tüten und auch nicht die dünnwandigen Tüten, in denen Wurst, Fleisch, Fisch sowie Obst und Gemüse verpackt werden. Ein Verbot dafür würde noch schädlichere Verpackungen in Umlauf bringen - etwa Schalen aus Plastik oder Schaumstoff, heißt es zur Begründung.
Plastik macht zum Beispiel einen Großteil des Mülls aus, der die Weltmeere verschmutzt. Pro Jahr gelangen nach Angaben des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) rund zehn Millionen Tonnen Müll in die Ozeane.
Wegen seiner Langlebigkeit - Experten gehen von bis zu 450 Jahren aus - ist Plastik eine Gefahr für die Umwelt. Durch riesige Müllteppiche im Meer sterben jährlich Hunderttausende Vögel und Meeressäuger. Sie verheddern sich oder fressen Plastik. Winzige Teile könnten über die Nahrungskette in den menschlichen Körper gelangen, warnen Experten.
Mittlerweile gibt es Kunststoffbeutel, die biologisch abbaubar sind. Aber auch sie sind bei Umweltschützern umstritten. Sie fordern daher, weniger Plastiktüten zu verbrauchen.
Quelle: dpa
Milliarden Tüten landen in der Natur
"Wenn wir daran denken, dass heute hundert Milliarden Plastiktüten jährlich verbraucht werden - acht Milliarden davon landen in der Natur", meint Hölvényi. "Das ist unerträglich."
Plastikmüll, darunter viele Tüten, verschmutzen vor allem die Meere. Seevögel und Fische verfangen sich in dem Müll oder fressen ihn und verenden daran. Kleine Plastikteile können auf diesem Weg in die Nahrungskette gelangen.
BUND: Tütenkompromiss "nicht tragfähig"
Naturschutzverbände sehen die Brüsseler Einigung kritisch. "Dieser Kompromiss ist natürlich für Deutschland alleine nicht besonders tragfähig, weil wir weit unter 90 Tüten liegen", sagt Rolf Buschmann vom Bund Umwelt- und Naturschutz Deutschland in Berlin "Wir haben einen Verbrauch von ungefähr 75 Tüten. Das heißt: Grundsätzlich stellen wir uns ein durchaus ambitionierteres Ziel vor - auch verbindliche Vereinbarungen europaweit, beispielsweise eine grundsätzliche Abgabe auf Plastiktüten."
Iren müssen für alle Tüten zahlen
Eine solche grundsätzliche Abgabe auf alle Plastiktüten gibt es seit 2002 in Irland, sagt die grüne EU-Abgeordnete Auken: "Dort kostet jede Plastiktüte Geld. Innerhalb von fünf Monaten wurden 90 Prozent weniger Plastiktüten verwendet."
Besonders viele Tüten im Süden
Mit einer solch strengen Regelung konnten sich die Parlamentarier nicht durchsetzen. Der Verbrauch von Plastiktüten ist sehr unterschiedlich in der EU. Während die nördlichen Länder im Durchschnitt weniger nutzen, werden in Süd- und osteuropäischen Staaten, wie Portugal und Polen, sehr viele Plastiktüten gebraucht: bis zu 500 Stück pro Einwohner im Jahr.
"Da sollten wir bei uns selbst anfangen. Da sollte ich keine Plastiktüte mehr nutzen. Und ich sollte mal eine Alternative suchen", meint der Abgeordnete Hölvényi. Künftig also weniger Plastiktüten in der EU? Damit die Entscheidung wasserdicht ist, müssen noch die Mitgliedsländer zustimmen. Und das einstimmig. Danach muss auch noch das Europaparlament Ja sagen.